Sonntag, 3. Oktober 2021

"Böden unter Druck"

Schwäbische Zeitung von Kara Ballarin  hier, Auszüge in blau

Erdreich verliert nicht nur durch Versiegelung seine Funktionen - Auch Gärten betroffen

Er ist Ernährer, Klimaschützer, Wasserspeicher: Der Boden erfüllt essenzielle Aufgaben. Sein Schutz ist in der Öffentlichkeit dennoch weit weniger präsent als etwa der von Luft und Wasser. „Wenn wir weiter so mit unseren Böden umgehen, sind wir in 40 Jahren verhungert“, warnt der Oberschwabe Peter Sonntag vom Bundesverband Boden. Grund dafür sei nicht nur der zunehmende Flächenverbrauch, sondern auch der falsche Umgang mit Böden. In Baugebieten beispielsweise seien nicht nur Straßen und Häuser das Problem, sondern auch die Gärten.

Der Kampf um die kostbare Ressource Boden ist in vollem Gange......

Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamts schreitet der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg weiter voran. 2020 sind im Durschnitt jeden Tag 5,4 Hektar Landesfläche versiegelt worden. Um diesen Wert schwanken die Zahlen seit 2013. Von der Netto-Null, die schon der ehemalige CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger als Ziel ausgerufen hatte, ist das Land weit entfernt. In der Statistik landen zudem nur Siedlungs- und Verkehrsflächen - nicht aber solche, deren Böden ihre Leistungsfähigkeit wegen Verdichtung verlieren, betont Peter Sonntag, der in der Bodenschutzbehörde des Landratsamts Ravensburg tätig ist.

Ein großes Problem: Wenn schwere Maschinen ein Grundstück befahren, verdichte das den Untergrund. So komme es vor, dass in Baugebieten auch der Boden des Gartens praktisch tot sei. „Durch Verdichtung verlieren die Lebewesen im Boden ihr Zuhause“, so Sonntag. „Im Boden ist Luft drin, die Regenwurm, Assel, Spinne, Amöben und Bakterien brauchen - sonst sterben sie.“

Zahlen zum Ausmaß dieses Problems gebe es nicht, sagt Bodenschützer Sonntag. Klar sei aber, dass das Multitalent Boden durch Verdichtung viele weitere wichtige Eigenschaften verliere. „Ein Boden von mittlerer Qualität kann pro Quadratmeter bis zu 200 Liter Wasser speichern“, sagt er. „Wenn sie die Poren durch Verdichtung kaputt machen, fließt dieses Wasser ungehindert ab.“ Auch hier werden Böden immer wichtiger: Bei Starkregen können sie die Wassermassen wie ein Schwamm aufhalten. Wie die LUBW-Sprecherin betont, bindet Boden zudem Kohlenstoff und schützt so das Klima. Und, so Sonntag: „Boden ist das einzige Medium, das Schwermetalle und Pestizide zum Teil wieder rückbildet oder bindet, sonst hätten wir uns längst an unserem eigenen Dreck vergiftet.“

Aus all diesen Gründen müsse die Qualität des Bodens erhalten bleiben, mahnt Sonntag. Die Politik hat bereits reagiert - zumindest in Baden-Württemberg. Anfang des Jahres sind neue Regelungen im Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetz in Kraft getreten. Bauprojekte ab 5000 Quadratmetern Fläche brauchen nun ein Bodenschutzkonzept. Wer keins vorlegt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro rechnen. Gleiches gilt, wenn die Bodenschutzbehörde bei Projekten ab 10 000 Quadratmetern Fläche eine bodenkundliche Baubegleitung anordnet und dies ignoriert wird. ....

....Zumindest in einem Ziel sind sich Bodenschützer Sonntag und das Ministerium einig: Die Menschen sollten dringend mehr über die Bedeutung des Bodens wissen. „Bodenkunde gehört in die Schule und es gehört mehr ins Bewusstsein der Menschen, dass man anständig mit dem Boden umgeht“, sagt Sonntag. ... Der Bodenschutz habe bei Entscheidungsträgern noch zu selten den Stellenwert, der ihm gebühre - wenn etwa weitere unbebaute Flächen versiegelt würden. „Der zu hohe Flächenverbrauch ist - noch weit vor der Degeneration von Böden durch Erosion - das dringlichste Problem.“

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