Sonntag, 3. März 2024

CCS und unsere Klimaziele

Süddeutsche Zeitung hier  1. März 2024  Leonie Sanke /Klimafreitag

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie oft wir Menschen es schaffen, uns in Sachen Klimaschutz mit unseren eigenen Waffen zu schlagen. Ein besonders absurdes Beispiel: Der staatliche saudische Ölkonzern Saudi Aramco fängt in einer seiner Anlagen CO₂ ein, das beim Aufbereiten von Erdgas entsteht – um es dann per Pipeline in ein Ölfeld zu pumpen und dadurch noch mehr Öl fördern zu können. Dass das kein Beitrag für eine „nachhaltige Energie-Zukunft“ ist, wie Aramco auf der eigenen Website suggeriert, ist offensichtlich. Bei anderen Bestrebungen, CO₂ abzufangen und zu speichern, ist die Sache aber komplexer.

Die Rede ist von der „Carbon Capture and Storage“-Technologie, kurz CCS. In Deutschland ist es aktuell nur zu Forschungszwecken erlaubt, CO₂ unterirdisch zu speichern. Vor gut zehn Jahren, als das Gesetz dazu beschlossen wurde, überwog unter anderem die Sorge, dass das CO₂ wieder austreten könnte. Außerdem sahen Betreiber von Kohlekraftwerken darin die Chance, ihre Kraftwerke länger laufen zu lassen – das wohl größte Argument gegen die Technologie.
Doch jetzt überwiegt in der Politik eine andere Sorge: „Ohne CCS können wir unmöglich die Klimaziele erreichen.“ So begründet Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck seinen Plan, CCS jetzt doch zuzulassen. Am vergangenen Montag hat er einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt.

Tatsächlich ist CCS nach wie vor die einzige Lösung, um bestimmte Industriebereiche klimaneutral zu gestalten, etwa die Zementindustrie. Mein Kollege Michael Bauchmüller kommentiert daher, es sei „mutig und auch richtig, dass die Bundesregierung nun eine Strategie für CCS entwickelt“. Es gibt allerdings einen großen Haken: Das neue Gesetz soll auch Betreibern von Gaskraftwerken ermöglichen, ihre CO₂-Emissionen so im Boden zu entsorgen. Einem fossilen Industriebereich also, der durch die Energiewende eigentlich überflüssig werden sollte.

Der richtige Weg wäre nach wie vor, fossile Emissionen zuallererst komplett herunterzufahren, wo immer es geht. Schon allein, weil die Lagerstätten für CO₂ begrenzt sind. Allerdings werden das sicher nicht alle Länder rechtzeitig schaffen. So zeigt etwa eine aktuelle Studie, dass China auch 2060, in dem Jahr, in dem das Land klimaneutral werden soll, noch auf Kohle- und Gaskraftwerke angewiesen sein dürfte. Ohne CCS im Energiesektor wird es dort also nichts mit der Klimaneutralität.

Bei all den Diskussionen um technische Lösungen vergisst man schnell, dass die Natur immer noch der wichtigste CO₂-Speicher ist. Besonders für die tschechische Regierung scheint das aktuell keine große Rolle zu spielen. Mein Kollege Christoph von Eichhorn hat vor Ort recherchiert, wie es sein kann, dass in Tschechien – anders als in allen anderen EU-Staaten – die Wälder schrumpfen.

Dabei ist der Schutz der Wälder eine von vielen Maßnahmen, die nicht nur dem Klima guttun, sondern auch die Welt insgesamt schöner und lebenswerter machen würden. Ein Gaskraftwerk mit CCS-Anlage gehört da eher nicht dazu.


Beste Grüße sendet

Leonie Sanke

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