Fünf vor acht / Eine Kolumne von Petra Pinzler 2. März 2023
Die FDP und die Destruktion
Die Serie "Die FDP sagte Nö" hat diese Woche gleich zwei neue Folgen gesendet und einen neuen Höhepunkt erreicht. Diesmal finden die Liberalen das Verbrenner-Aus und den Ausstieg aus den fossilen Energien beim Wohnungsbau doof. Beides ist genauso wenig überraschend wie die FDP-Politik der vergangenen Monate. Wann immer sich die von Grünen geführten Ministerien daran machten, die gesetzlich festgelegten Klimaschutzziele in konkrete Politik umzusetzen, maulte die FDP, verzögerte Gesetze, verwässerte sie oder sagte gleich: Ach ne, wir wollen das jetzt lieber doch nicht. Denn so ernst haben wir die Sache mit dem Klimaschutz bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages nicht gemeint.
Ganz offensichtlich setzt FDP-Chef Christian Lindner darauf, dass die Haltung "Klimaschutz ja, aber nicht, wenn es um mein Auto oder meine Heizung geht" dem Gefühl einer großen Menge an Menschen entspricht, jedenfalls einer ausreichend großen, um auch künftig über die Fünfprozenthürde zu kommen.
Klar ist auch, warum die
FDP das tut, was sie tut. Auffallen kann man in der Politik nämlich
entweder mit guten eigenen Ideen und an denen scheint es der Partei
weitgehend zu mangeln. Deswegen bleibt der FDP nur die andere
Möglichkeit, um Schlagzeilen zu produzieren: der Boykott, die Zerstörung
und die Kannibalisierung der Vorschläge der anderen. Und genau das tut
sie – so wie Kinder anderen Kindern die Sandburgen kaputt hauen.
Da geben Leute, die die FDP einst ins Wirtschaftsministerium geschleust hat, einen Referentenentwurf – also ein Papier, auf dem Ideen für ein Gesetz aufgeschrieben werden – an die Presse raus, so wie es gerade mit den Vorschlägen für die Abschaffung von fossilen Heizungen passiert ist. Durch diese Taktik kann ein solcher Vorschlag entweder schon in einem frühen Stadium diskreditiert oder sogar ganz ausgebremst werden. Oder: Da blockieren die von der FDP regierten Ministerien den sogenannten Umlauf: Gesetze, die von grün regierten Häusern geschrieben werden, müssen das Okay anderer Ministerien bekommen, bevor sie ins Kabinett gehen und dann in den Bundestag. Fehlt das Okay, dann geht es nicht weiter – wie seit Monaten beispielsweise beim geplanten Energieeffizienzgesetz. Oder FDP-Minister distanzieren sich höchstselbst von Vereinbarungen, die die Regierung schon vor Monaten mit anderen geschlossen hat – wie es Verkehrsminister Volker Wissing in dieser Woche beim geplanten Verbrenner-Aus getan hat.
Verbrenner-Aus: Ein Konsens von 27 Regierungen
Bisher versuchen die Koalitionspartner, dieses Verhalten mit einem gewissen Fatalismus zu nehmen. Sie behandeln die FDP wie ein jähzorniges Kind, frei nach dem Motto: Nur nicht noch mehr reizen. Das ist wahrscheinlich auch die einzige Art und Weise, in der man in dieser Koalition weitermachen kann. Die Hoffnung, dass sich die drei Parteien noch zu einem gemeinsamen Fortschrittsbegriff und ambitionierten gemeinsamen Projekten zur Modernisierung des Landes durchringen können und sich gegenseitig stärken, statt zu blockieren, ist ja leider längst gestorben.
Im Fall des Verbrenner-Aus erreicht der FDP-Ampel-Murks jedoch eine neue Stufe der Peinlichkeit: Ganz offensichtlich reicht es Christian Lindner
nicht, wenn die Blockaden seiner Leute für Schlagzeilen in der
deutschen Politik sorgen. Nun will er das Ganze auch noch auf die
europäische Ebene ziehen. In Brüssel nämlich soll in den kommenden Tagen
in einem Ministerrat das Aus der Verbrenner offiziell beschlossen
werden. Wohlgemerkt: offiziell. Wirklich verhandelt und dann auch
beschlossen worden war die Sache schon vor Monaten, auch die
Bundesregierung hatte damals zugestimmt.
Sagt sie nun Nein oder enthält sie sich, würde sie faktisch einen Konsens kippen, auf den sich 27 Regierungen und noch mal mehr Parteien geeinigt haben. Das wäre nicht nur fürchterlich peinlich für Deutschland. Es wäre auch in der Sache grundverkehrt. Denn das würde den Umbau der Verkehrspolitik hin zu mehr Klimafreundlichkeit weiter in die Zukunft schieben. Und das in einer Zeit, in der sowohl China als auch die USA den Wandel begrüßen – und sich damit eine wichtige Wettbewerbsposition in einer vornehmlich elektrisch betriebenen Mobilitätswelt sichern.
Kann das auch dem Kanzler egal sein?
Der FDP ist das offensichtlich egal. Die entscheidende Frage ist daher: Kann das auch dem Kanzler egal sein? Immer wieder hieß es in den letzten Wochen, die SPD sei ganz froh, wenn sich FDP und Grüne zankten und sie dahinter einfach wegtauchen könne. Zumal viele in der SPD mit zwei Seelen in der Brust herumlaufen. Gefühlt wollen viele Sozialdemokraten den Klimaschutz genauso wie die Grünen. Aber dann, wenn er wehtut, treibt sie die Furcht vor den nächsten Wahlen doch wieder zur FDP. (Dem Kanzler wird das übrigens ganz besonders nachgesagt.) Wer so fühlt, der findet es dann auch ganz bequem, die Liberalen regelmäßig vorpreschen zu lassen und sich dann heimlich zu freuen, dass die Grünen und der Klimaschutz immer wieder ausgebremst werden. Die sind schließlich die politischen Hauptkonkurrenten.
Politik ist nicht immer nett,
nicht immer rational und dem Fortschritt verpflichtet, selbst wenn
diese Koalition das in ihrem Vertrag versprochen hat. Ein paar niedere
Gefühle dürfen durchaus sein. Eines aber sollte zumindest die deutsche
Politik sein: verlässlich für die Partner. Sollte Deutschland also in
der kommenden Woche nicht für das Verbrenner-Aus in Brüssel stimmen,
dann beschädigt das nicht in erster Linie die Liberalen. Es macht
Deutschland und den Bundeskanzler lächerlich. Denn es würde beweisen,
dass die Deutschen wie schon in der Vergangenheit zwar große Klimareden
schwingen, aber sobald es die Autoindustrie trifft, immer wieder
kneifen. Es würde zeigen, dass die Macht der Autolobby (und ihrer
Freunde bei der FDP) auch in dieser Regierung nicht geringer ist als in
der von Merkel.
Dass das dem Klimaschutz schadet, wäre bei so einer Blamage fast schon Nebensache.
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