Samstag, 4. März 2023

Markdorf: Eidechsen bremsen Südumfahrung aus

01.03.2023  |  VON HELMAR GRUPP  hier

Dass bei der Südumfahrung ein dickes Brett zu bohren ist, für diese Erkenntnis reicht ein Blick auf die zwei Jahrzehnte lange Planungsgeschichte. Am 3. Dezember 2021 fällte der Kreistag schließlich den Baubeschluss, seither wird an der Detailplanung gearbeitet. Zuletzt war es aber nur noch im Schneckentempo vorangegangen: Verzögerungen bei Brücken-Planungen und zusätzliche Baugrunduntersuchungen hatten dafür gesorgt, dass der für Herbst 2022 vorgesehene Spatenstich auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste. Im Frühjahr oder Sommer 2023, hieß es damals, könne es soweit sein. Dann kamen die Eidechsen und nun drohen ein weiterer Zeitverzug um ein Jahr und deutlich höhere Kosten.

Darüber informierte am Dienstagabend Tobias Gähr, Leiter des Straßenbauamtes im Landratsamt, die Mitglieder des Technischen Ausschusses des Kreistags. Der Grund: Wegen der großen Eidechsenpopulation, die mehr oder minder mitten im Bereich des geplanten Anschlussknotens der Südumfahrung im Westen an die B33 vor Ittendorf gefunden wurde, fordert das Regierungspräsidium (RP) Tübingen nun die Prüfung einer Alternative für den Anschluss. Denn die Zauneidechse ist streng geschützt und es geht um immerhin 150 bis 200 Tiere. Die geforderte Prüfung, so Gähr, sei Ende 2022 in Auftrag gegeben worden. Man wolle „rechtssicher“ bleiben, sagte er.

Neue Rechtsgrundlage

Doch daran hängt nun ein Rattenschwanz: Müsste der Anschlusspunkt, der bisher dort vorgesehen ist, wo früher der Haslacher Hof stand, umgeplant werden, hätte dies „eine abschnittsweise Änderung der Kreisstraße in Lage und Höhe“ zur Folge, heißt es. Außerdem müsste die Querung eines Wirtschaftsweges geändert werden. Im Landratsamt geht man Stand jetzt von einer weiteren Verzögerung um ein Jahr aus. Alternativ könnte der Landkreis einen Ausnahmeantrag in Tübingen stellen. Doch dessen Erfolgsaussichten sind spekulativ. .......

Was all dies letzten Endes für die Baukosten bedeutet, lässt sich noch nicht abschätzen.
Im Juni 2021 hatte das Landratsamt die bis dato letzte Kostenschätzung vorgelegt. Damals wurde eine Gesamtsumme von 29,8 Millionen Euro taxiert. Zuletzt standen 33 Millionen Euro im Raum, doch seither explodierten die Kosten für Bauleistungen weiter. Bei einer längeren Verzögerung und zusätzlichen Umplanungen dürften sich die Gesamtkosten allmählich in Richtung 40 Millionen Euro bewegen. Immerhin hat das Land die Deckelung der Förderhöhe ausgesetzt. Bislang steht die Zusage aus Stuttgart über 9,5 Millionen Euro. Den Rest müssen sich Landkreis und Stadt Markdorf teilen. Während man beim Kreis seit 2021 von einem Eigenanteil von bis zu 12 Millionen Euro ausgeht, blieb man bei der Stadt damals beim 2019 errechneten Eigenanteil von 8,5 Millionen Euro. Die stehen so auch in der Finanzplanung der Markdorfer Kämmerei. Sollte der jeweilige Eigenanteil auf bis zu 15 Millionen Euro ansteigen, würde dies in Markdorf ein Beben auslösen. Denn das ist Geld, das die klamme Stadt nicht hat.

Die Krux: Um wie viel es am Ende teurer werden wird, lässt sich erst sagen, wenn die geänderten Planungen fertig sind – und auch dann nicht verlässlich. Denn auch das bliebe eine Momentaufnahme ohne laufende und künftige Baukostensteigerungen. Auch der Anteil des Landes ist derzeit noch offen. Kurz gesagt: Die Kosten sind eine Schubkarre voller Fragezeichen. Mitte des Jahres, so Gähr, werde man Genaueres wissen, zur Umplanung und dem zeitlichen Horizont. Dann soll der Kreistag erneut unterrichtet werden.

....Zeller wies unter anderem auch auf den „noch schwerer wiegenden Konflikt“ mit den ebenfalls geschützten Bachmuscheln im Espengraben hin. Dabei gehe es um bis zu tausende Muscheln, die umgesiedelt werden müssten. Er wünsche sich deswegen eine umfassende Behandlung des Themas Artenschutz in einer der nächsten Sitzungen....


01.03.2023  |  VON HELMAR GRUPP

KOMMENTAR: Geplänkel verdeckt die wichtige Frage

Manchmal können Gremiensitzungen ganz schön ermüdend sein. Vor allem dann, wenn die Vertreter der Parteien reflexhaft immer wieder ihre seit Jahren bekannten Positionen wiederholen. ....

Diesmal war der Anlass Norbert Zellers Fragenkatalog zur aktuellen Verzögerung des Bauvorhabens. Dass Zeller die Südumfahrung nach wie vor nicht gut findet, weiß jeder. Seine Fragen waren aber berechtigt, ideologiefrei und an der Sache orientiert. Das ausufernde Hin-und-her-Geplänkel danach über sattsam Bekanntes hätte es nicht gebraucht. Denn darüber fiel mit die wichtigste Erkenntnis des neuen Sachstandes unter den Tisch: Die Südumfahrung wird nochmals teurer werden als die zuletzt genannten 30 bis 33 Millionen Euro – und das vermutlich nicht zu knapp. Neue Planungen und ein um mindestens ein Jahr verzögerter Baustart werden sich auf mehrere Millionen zusätzlich summieren. Alleine die Baukostensteigerungen belaufen sich derzeit jährlich auf acht bis zehn Prozent – und kumuliert setzt sich das dann in den Folgejahren weiter fort.

Abgesehen von Zellers Hinweis dazu war das aber seltsamerweise kein Thema am Dienstagabend. Dabei täte man im Landratsamt, aber auch im Markdorfer Rathaus gut daran, sich rasch den neuen Realitäten zu stellen. Die Kämmerer Daniel Dillmann in der Kreisbehörde und Michael Lissner in Markdorf werden sich vermutlich bereits schon die Köpfe zerbrechen, wo das zusätzliche Geld herkommen soll. Wobei die Lage für den Landkreis einfacher ist als für die Stadt: Erstens stehen dessen Finanzen besser da, zweitens hat der Kreis andere Möglichkeiten, Einnahmen zu generieren. Für Markdorf hingegen stellt der Zeitverzug ein dickes Problem dar: Luft ist in der Finanzplanung keine mehr, alles ist Spitz auf Knopf gerechnet und jeder verfügbare Cent verplant. Wie die Verwaltungen mit der erneuten Kostensteigerung umgehen wollen, darüber sollten sie möglichst bald öffentlich aufklären.

helmar.grupp@suedkurier.de

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