Samstag, 2. November 2024

Grüne Transformation: „Wer sich nicht verändern will, fährt Richtung Wand“

Handelsblatt hier  Susanne Schier  30.10.2024

Das Engagement beim nachhaltigen Umbau der Wirtschaft lässt nach. Allianz-Vorstand Günther Thallinger ermahnt Unternehmen und Politik, das Tempo hochzuhalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Es ist paradox: Die sich häufenden Naturkatastrophen machen den Klimawandel immer offensichtlicher. Aber in der Öffentlichkeit scheint der nachhaltige Umbau der Wirtschaft an Bedeutung zu verlieren. „Wir finden es erstaunlich, wenn Investoren oder Unternehmen sagen, Nachhaltigkeit sei kein wichtiges Thema mehr. Wir können kein wichtigeres Thema erkennen“, sagt hingegen Allianz-Vorstandsmitglied Günther Thallinger, der auch Vorsitzender der Klimainitiative NZAOA ist.

Die unter dem Dach der Vereinten Nationen angesiedelte Net-Zero Asset Owner Alliance (NZAOA) ist ein Zusammenschluss von derzeit 88 Großinvestoren, die ein Vermögen von 9,5 Billionen Dollar verwalten. Sie stellt an diesem Mittwoch ihren jährlichen Fortschrittsbericht vor, der dem Handelsblatt vorab vorliegt.

Noch vor ein paar Jahren war Nachhaltigkeit das Trendthema am Kapitalmarkt. Die grüne Wende wurde von Unternehmen, Politik und Investoren gefeiert. Mittlerweile macht sich Ernüchterung breit, manche Investoren haben ihre Ziele verwässert. Als prominentestes Beispiel gilt Blackrock-Chef Larry Fink, der Unternehmen auch wegen politischen Widerstands in den USA nicht mehr kategorisch zu Umweltmaßnahmen zwingen will.

„Dass Unternehmen bei der nachhaltigen Transformation nachlassen, können wir nicht akzeptieren“, betont jedoch Allianz-Vorstand Thallinger. „Als Langfristinvestoren können wir eine Wirtschaft, die sich nicht verändern will, nicht gebrauchen.“ Institutionelle Investoren könnten nur investieren, wenn Unternehmen für die Zukunft gerüstet sind.

Weltweite Emissionen steigen weiter an
Der aktuelle Zustand sei typisch für Veränderungsprozesse, meint er: Erst beginne man, etwas zu tun. Wenn man dann feststelle, dass es schwierig wird, lasse man es wieder bleiben. „Das Tempo der nachhaltigen Transformation bleibt in der Realwirtschaft unzureichend, da die weltweiten Emissionen jedes Jahr weiter ansteigen“, konstatiert auch Wendy Walford, die beim britischen Finanzunternehmen und NZAOA-Mitglied Legal & General für Klimarisiken verantwortlich ist.

Handlungsbedarf sehen die Investoren auch aufseiten der Regierungen. 

„Die Politik sollte nicht nur darüber reden,
fossile Brennstoffe nicht mehr fördern zu wollen.
Vielmehr sollte sie einen klaren Pfad vorgeben,
wie das Beenden der Förderung aussehen soll“
,

mahnt Thallinger an.


Aus Sicht des Managers bleibt nur eine transformierte Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig: „Wir sind überzeugt: Wer sich nicht verändern will, fährt mit großer Wahrscheinlichkeit Richtung Wand.“ Man sehe das bei der Automobilindustrie: Wer nicht auf batteriebetriebene Antriebe umstelle, werde es schwer haben, gegen die chinesische Konkurrenz zu bestehen.

Finanzierte Emissionen konnten reduziert werden
Einige Unternehmen seien bereits auf einem guten Weg. Nicht zuletzt deshalb hätten die in der Klimainitiative zusammengeschlossenen Investoren Fortschritte bei der nachhaltigen Ausrichtung ihrer Investmentportfolios machen können. Thallinger erklärt: „Unsere Mitgliedsunternehmen konnten die finanzierten Kohlenstoffemissionen seit 2019 um sechs Prozent pro Jahr reduzieren.“


6 Prozent betrug die jährliche Reduzierung
von Kohlenstoffemissionen
der Mitgliedsunternehmen der Klimainitiative NZAOA.


Ziel der Investorengruppe – zur der unter anderem auch Axa, Calpers, Generali, Huk-Coburg, Munich Re, Nippon Life, QBE, R+V, Swiss Re und Zurich zählen – ist, die eigenen Investmentportfolios so umzustellen, dass sie bis 2050 keine Treibhausgasemissionen mehr finanzieren. Hierfür haben sie ein Rahmenwerk geschaffen, um sich über alle Anlageklassen hinweg Ziele setzen und messen zu können.

81 der 88 Mitgliedsunternehmen haben sich laut Fortschrittsbericht inzwischen auch Zwischenziele bis 2025 gesetzt. „Wer der NZAOA beitritt, muss sich innerhalb von zwölf Monaten Ziele setzen und umsetzen. Ansonsten müssen die Investoren nachbessern oder – im schlimmsten Fall – die Allianz wieder verlassen“, betont Thallinger. Das komme nicht oft vor, sei aber schon passiert.

Greenwashing sei kein großes Problem mehr
Das Bündnis muss hier handeln, um glaubwürdig zu sein. Denn Klimaschützer bemängeln immer wieder, dass sich Banken, Versicherer und Vermögensverwalter öffentlich für ihr grünes Engagement lobten, aber in der Realität häufig doch in Unternehmen investierten, die wenig nachhaltig sind.

Das sogenannte „Greenwashing“ sei ein Problem gewesen, räumt Thallinger ein. Das sei es jetzt aber nicht mehr in gleichem Maße wie vor einigen Jahren: „Die meisten Akteure in der Wirtschaft sind sich mittlerweile bewusst, dass es herauskommt, wenn man sich ökologischer darstellt, als man ist.“

Neben der NZAOA waren einige Versicherer auch in der Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) aktiv. Sie wollten sich hier grüne Regeln für das Versicherungsgeschäft geben. Wegen kartellrechtlicher Bedenken aus den USA zogen sich die Versicherer im vergangenen Jahr zurück. In Bezug auf die NZAOA gibt es Thallinger zufolge aber keine rechtlichen Vorbehalte: „Die hier zusammengeschlossenen Investoren stellen nur einen Bruchteil des Kapitalmarkts dar“, so der Allianz-Vorstand.

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