Da muss man schon sehr genau hin schauen, die Presse berichtet allgemein von rechter Unterwanderung.
T-online nennt die bekannten Gruppen aus der rechten Szene beim Namen.
Und das Traum-Duo aus Bayern spielt auch ganz vorne mit, wenn es um Hetze und Angriff geht, wie die Süddeutsche Zeitung aufzeigt.
SWR aktuell hier 7.1.2024,
Diese Bauern protestieren nicht :
Forderungen seien ein Stillstand für die Landwirtschaft
Die Landwirte René Bonn und Ansgar Luzius aus dem Rhein-Lahn-Kreis werden am Montag nicht demonstrieren. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) RLP/Saarland ruft ihre Landwirte nicht zum Protest auf.
Der von der Bundesregierung ausgerufene stufenweise Wegfall der Subventionen auf den Agrardiesel betrifft auch die Landwirte René Bonn und Ansgar Luzius. Beide haben Gerätschaften, die mit Diesel betrieben werden. Durch den Wegfall der Subventionen würden ein bis zwei Monatsgehälter für sie ausbleiben. Dennoch wollen beide nicht an dem Protest am Montag teilnehmen.
Proteste würden für andere Zwecke ausgenutzt
René Bonn sagte dem SWR, dass für ihn die Proteste sehr stark von rechten Gruppen unterlaufen seien und er sich deswegen nicht dort mit einreihen möchte. Des Weiteren kritisiert er den Mitorganisator der Protetste "Land schafft Verbindung" (LSV). Für ihn leugne der Bundessprecher des LSV beispielsweise den menschengemachten Klimawandel. Außerdem würde ausgerechnet die Alternative für Deutschland (AfD) versuchen, die Proteste für sich zu instrumentalisieren. Das hält Bioland-Bauer Bonn für absurd, denn diese wolle laut ihres Grundsatzprogramms die Agrarsubventionen abschaffen.
Forderungen des Bauernverbands seien ein Stillstand für die Landwirtschaft
Für Ansgar Luzius werde für das Falsche protestiert. Für ihn gehe ein "weiter so" in der Landwirtschaft nicht. Die Subvention des Agrardiesels sei klimaschädlich und nicht zukunftsorientiert. Es gebe umweltfreundliche Subventionen für zum Beispiel Agroforstwirtschaft oder für den Einsatz von weniger Pflanzenschutzmittel. Man könne reichlich ausschöpfen, bei entsprechendem Engagement, sagt Luzius. Auch er möchte nicht gemeinsam mit Personen aus dem rechten Milieu protestieren. Er sei in verschiedenen Bauern-Chat-Gruppen, wo auch Leute mit schwarz-weiß-roten Profilbildern seien, damit könne und möchte er nicht identifiziert werden.
Für beide Biobauern ist das eigentliche Problem die niedrigen Preise, die sie für ihre Produkte bekommen. Wenn man beispielsweise zwei Cent mehr pro Liter Milch bekommen würde, wäre laut Luzius die Diskussion um die Subvention des Agrardiesels für viele hinfällig.
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ruft nicht zum Protest auf
Wie der Biobauer und Vorsitzende des Landesverbands AbL Rheinland-Pfalz/Saarland, Ralf Wey, aus Moselsürsch dem SWR mitteilte, ruft sein Verband seine Bauern nicht zum Protest am Montag auf, stellt es ihnen aber frei. Er sei für einen friedlichen, konstruktiven und zielführenden Protest und wolle nicht zu Hass und Hetze beitragen. Er finde, die aktuellen Forderungen des Bauernverbands seien nicht zukunftsorientiert. Sein Verband fordere in seinem "Sechs-Punkte-Plan" unter anderem einen fairen Preis für Milchbauern und eine gerechte Entlohnung für den Umweltschutz der Bauern.
07.01.2024, BR 24 hier Tobias Betz
Bauernproteste: Geht es noch um die Sache?
Vor Abgeordnetenbüros wird Mist abgeladen. An Ortsschildern stehen Galgen mit Ampelsymbol. Die Bauernproteste richten sich mehr und mehr gegen die gesamte Politik. Haben die Bauernverbände die Dynamik ihrer Proteste unterschätzt? Eine Analyse.
Ein Satz und seine Folgen. Mit einer emotionalen Drohrede stachelt Bauernpräsident Joachim Rukwied am 18. Dezember die Menge in Berlin an. Kurz zuvor hatte das Spitzentrio der Regierung - Scholz, Habeck, Lindner - verkündet, dass sie die Agrardieselsubvention und die KFZ-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge streichen will. Damit soll das Haushaltsloch, das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstanden ist, gestopft werden. Die Bauern, wie immer gut organisiert, mobilisieren einen lauten Traktor-Protest in Berlin vor dem Brandenburger Tor.
Bauernpräsident Rukwied trifft den Nerv der Demonstranten, schimpft auf die Ampel und sagt dann diesen Satz: "Wenn diese beiden Maßnahmen nicht gestrichen werden, und zwar ersatzlos gestrichen werden, dann kommen wir wieder! Nicht nur nach Berlin. Dann werden wir ab dem 8. Januar überall präsent sein. In einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat!"
Bauernverbände: "Schwachköpfe mit Umsturzfantasien"
Im Netz findet das viel Zuspruch, und viele träumen von einem "Generalstreik", der die Ampel zum Rücktritt zwingen soll. Mittlerweile sehen sich die Bauernverbände deshalb zu regelmäßigen Distanzierungen gezwungen. "Auf das Schärfste" distanziere man sich "von Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern, die unsere Aktionswoche kapern und unseren Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollen", heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Bauernverbandes.
Auch der Bayerische Bauernverband (BBV) sieht die Gefahr, dass die eigentlichen inhaltlichen Ziele ins Hintertreffen geraten könnten. BBV-Präsident Günther Felßner verspricht einen "demokratischen Protest", distanziert sich klar von antidemokratischen Protestformen, sagt aber auch: "Wir können am Ende auch nicht jede Whatsapp-Gruppe kontrollieren."
Fähre blockiert: Wütende Bauern lauern Habeck auf
Dass der Protest kein reines Netzphänomen ist, musste Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) erfahren. Kurz nachdem die Bundesregierung verkündet hatte, dass die Streichungen zum Teil zurückgenommen werden, sah er, wie weit der Protest mancher Landwirte in diesem Land mittlerweile geht: Wütende Bauern hinderten ihn am Verlassen einer Nordsee-Fähre.
Ist Nötigung jetzt ein Teil der Auseinandersetzung? Der Deutsche Bauernverband (DBV) distanziert sich am nächsten Tag. DBV-Präsident Rukwied schreibt: "Blockaden dieser Art sind ein No-Go. Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt. Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht. Bei allem Unmut respektieren wir selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern."
Felßner: "Die Bevölkerung haben wir hinter uns"
Es ist eine fragile Situation. "Die Bevölkerung haben wir hinter uns", sagt der bayerische Verbandspräsident Felßner. "Das dürfen wir nicht verspielen." Schon einmal vorsichtshalber bittet er um Verständnis, wenn es aufgrund der Protestaktionen zu Verkehrsbehinderungen komme.
Mit der Zeit dürfte es mit dem Rückhalt in der Bevölkerung allerdings so eine Sache sein. Denn Bilder, wie die von der Blockade der Fähre inklusive Polizei-Einsatz, könnten ziemlich schnell dafür sorgen, dass der Rückhalt für die Bauern in der Bevölkerung schwindet. Und wenn dann auch am achten, neunten, zwölften Tag in Folge wieder irgendeine Autobahnauffahrt blockiert ist, kann das die Geduld der Bürger überstrapazieren.
Es geht um Wertschätzung und Geld
Andererseits haben die Bauern bereits großen Erfolg mit den ersten Aktionen. Denn die Politik lenkt substanziell ein. Die KFZ-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge soll nun doch bleiben. Die Agrardieselsubvention wird nur sukzessive abgebaut. Aber dennoch bleiben die Bauernverbände hart.
Die nun von den Ampelparteien der Bundesregierung angekündigten Kürzungen würden für die deutschen Landwirte langfristig rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr an Belastung bedeuten.
"Zu viel ist zu viel. Jetzt ist Schluss!", sagt der bayerische Bauernverbandspräsident Günther Felßner. Felßners Satz lässt tief blicken. Denn es geht bei der Wut der Bauern nicht nur um den Agrardiesel. Es geht einerseits um die aus der Sicht vieler Bauern fehlende Wertschätzung aus der Politik. Andererseits geht es auch um immer strengere Auflagen und Regeln für die Landwirte, wie etwa Pestizidreduktion, Stallumbau für mehr Tierwohl, strengere Nitratrichtlinien und so weiter. All das macht es schwieriger, Landwirtschaft zu betreiben. Gleichzeitig fehlt es vielen Bauern an finanzieller Unterstützung. Das treibt die Proteste an.
Landwirtschaft: Stabile Einkommen
Klar ist: Bauern erhalten jede Menge Subventionen. Aufgrund der hohen Weltmarktpreise des vergangenen Jahres sind die landwirtschaftlichen Einkommen stabil und zum Teil sogar gestiegen. Doch schon jetzt fallen die Preise wieder massiv für Butter, Milch und Getreide. Weil aber die Energiepreise auf hohem Niveau bleiben, steigt insgesamt der Kostendruck in der Landwirtschaft.
Der Abbau der Agrardieselsubvention allein ist da eher so etwas wie ein Ventil für Vieles, was zuvor schon passiert ist. Beispiel: Umbau der Tierhaltung. Im Sommer dieses Jahres hat das sogenannte Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die Borchert-Kommission, hingeworfen. Das Gremium unter Leitung des früheren Agrarministers Jochen Borchert sollte sich um den Umbau der Tierhaltung kümmern und damit für mehr Tierwohl sorgen. Die Summe, die Landwirte nach Empfehlung der Kommission bräuchten, um ihre Ställe umzubauen, wollte die Bundesregierung nicht lockermachen. Es gibt bis heute keinen ausreichenden Finanzrahmen dafür.
Am Montag beginnt die sogenannte "Aktionswoche" der Landwirte. Sie findet definitiv statt - unklar ist, wie heftig die Proteste ausfallen werden. Das liegt wohl auch daran, wie aggressiv insbesondere die Bauernpräsidenten auftreten werden.
t-online hier Lars Wienand 06.01.2024
Radikalisierung auf Telegram: Reichsbürger unterwandern Bauernproteste
Vor dem Höhepunkt der Bauernproteste wächst die Sorge, dass die Landwirte die Kontrolle über ihre Aktionen verlieren. Reichsbürger arbeiten daran gezielt.
Auch danach laufen die Bilder auf allen Kanälen. Zu sehen ist ein Mob wütender Menschen, der auf die Fähre des Urlaubsrückkehrers Robert Habeck will. Die Polizei kann die Menschen nur mühsam davon abhalten, noch zum ablegenden Schiff zu stürmen, auf dem sich der Wirtschaftsminister und Vizekanzler befindet. Pfefferspray liegt in der Luft.
Angesichts der für die kommende Woche angekündigten Bauerndemos werfen die Bilder eine entscheidende Frage auf: Haben die Landwirte die Kontrolle über ihren Protest gegen die Streichung von Agrarsubventionen verloren? Recherchen von t-online zeigen, wie weit Versuche von Trittbrettfahrern gehen. Spuren führen ins Umfeld angeklagter Terrorverdächtiger aus der Corona-Zeit, in eine Szene, die seit Jahren zielstrebig daran arbeitet, Bauernproteste zu vereinnahmen.
Am Donnerstag um 14.29 Uhr erhielten die Mitglieder von zwei Gruppen im Messengerdienst Telegram mit Namen "Verbraucher&Bauern geeint" und "Freie Schleswig-Holsteiner" zeitgleich die Information: Robert Habeck wünsche sich zu einem "Bürgerdialog" "unendlich viel Interesse". Es wurde dazu aufgerufen, den grünen Wirtschaftsminister an diesem Abend auf dem Heimweg vom Urlaub am Fährhafen von Schlüttsiel abzupassen."Bauern und Verbraucher SH": Eine prorussische Reichsbürgergruppierung mit ständigen Umsturzfantasien setzt ein Netzwerk von Kanälen ein, um die Bauernproteste zu bewerben.
Telegram ist das Netzwerk, in dem Unzufriedene radikalisiert werden. Eine Gruppe von "Reichsbürgern" hat dort ein Netzwerk aufgebaut, das bereits bei der Ahrtalflut eine Grundschule bezog, von einem Systemsturz träumte und nun offenbar über den Messengerdienst versucht, Einfluss auf die Bauernproteste zu nehmen.
Doch Telegram ist nicht das Netzwerk der Landwirte.
"Telegram kommt bei Bauern nach dem Fax"
"Telegram kommt bei den meisten Bauern noch lange nach dem Fax", sagt Bernhard Barkmann, 51-jähriger Landwirt mit Ackerbau und Tierhaltung im Emsland. Der Vorsitzende des örtlichen CDU-Ortsvereins tritt mit seinem Blog blogagrar.de für die Belange der Bauern ein, kritisiert aber auch manches Auftreten. Er erklärt: "Bauern nutzen WhatsApp. 2019 gab es betagte Kollegen, die plötzlich ein Smartphone haben wollten, obwohl sie es immer abgelehnt hatten. Aber ohne WhatsApp gehörte man nicht mehr dazu."
Über WhatsApp-Gruppen und auf Facebook organisierten sich 2019 erstmals im großen Stil Proteste, die im November ihren Höhepunkt bei einer Demonstration mit mehr als 8.500 Traktoren in Berlin fanden. Daraus entstanden Zusammenschlüsse "Land schafft Verbindung", die regional ganz unterschiedlich auftreten, aber mit ihrer Mobilisierungskraft seitdem neben dem behäbigen Bauernverband als neue Akteure auftreten.
Ein solcher neuer Akteur ist Alf Schmidt, der in Thüringen für seine Schafherden 17 Hütehunde braucht. Ohne einen Verband im Rücken organisierte er 2021 einen mehrwöchigen Dauerprotest in Berlin, der wegen diverser Zwischenfälle auch von vielen Landwirten kritisch gesehen wird. Schmidt ist an den derzeit angekündigten Bauernprotesten in der kommenden Woche beteiligt und plant über den 15. Januar hinaus. "Mein Handy ist ein mächtiges Instrument", sagt er – Telegram sei allerdings nicht darauf. Er ist mit Bauern aus ganz Deutschland vernetzt und stand auch mit Hinterleuten der Demo in Schlüttsiel in Kontakt, wie er sagt. "Vernünftige Leute" sind das aus seiner Sicht.
Einer, der dort verantwortlich war, meinte zum Protest, das seien doch "normale Menschen aus der Mittelschicht auf dem Land" gewesen, und ob jemand wirklich "glaube, dass die Gewalt gegen andere ausüben" wollten. Der Mann heißt Jann-Henning Dircks. Er hat aber auch in einem Interview dem Journalisten Martin Lejeune gesagt, in Nordfriesland gebe es den Spruch "Lever dood as Slaav", "Lieber tot als Sklave". 2022 stand er vor Gericht, weil er zwei Jahre zuvor in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe Landwirte ermuntert hatte, zu einer Blockade von Tierschützern mit "Vorschlaghammer, Akkuflex und Bolzenschneider" zu kommen. Von dem Vorwurf, zu einer Straftat angestiftet zu haben, wurde er jedoch freigesprochen.
"Die haben von den Bauern Bescheid gekriegt"
Dircks sagt über die Protestierenden in Schlüttsiel am Donnerstag: "99 Prozent waren friedlich." Ob bei dem Gerangel ausschließlich "Menschen bei uns aus der Mitte der Gesellschaft waren", das könne er nicht beurteilen. Ein Kollege von ihm, Stefan Hansen, auf YouTube "Sibbershusum", wurde deutlicher: "In diese Schiene wollen wir nicht gesteckt werden. Das waren ungefähr 10 von 1000, die haben von den Bauern Bescheid gekriegt." Als es passiert war.
Tatsächlich waren bei dem Bauernprotest längst nicht nur Bauern. t-online hat eine Person ausfindig gemacht, die um 13.04 Uhr in einer WhatsApp-Gruppe mit 382 Mitgliedern die Nachricht postete, man solle Habeck empfangen. Auf Nachfrage will der Mann sich jedoch nicht äußern. Er unterhalte sich nicht mit Presseleuten, sagt er, es werde ja alles nur falsch dargestellt. Dann sagt er noch: Anderthalb Stunden hätten sie "lieb und nett" dagestanden, aber Habeck habe nicht den Mut gehabt, mit ihnen zu reden. Er selbst sei Angestellter: "Da waren Handwerker, Lkw-Fahrer, da war alles."
Die Aufrufe zu Protesten haben längst die Kreise der Bauern verlassen. Auf Telegram mobilisieren auch ganz offen Rechtsextreme wie die ehemalige NPD oder die "Freien Sachsen" in allen Berufsgruppen. Auf Telegram gibt es seit Juli 2022 aber auch Angebote, die zunächst unverdächtig wirken: Ein bundesweites Netz von Kanälen "Verbraucher und Bauern geeint" gibt vor, Unterstützung des Volkes mit den Bauern demonstrieren zu wollen.
"Arminius Erben" versuchten es schon 2021 bei Bauernprotest
Dahinter steckt maßgeblich eine Gruppierung, die sich "Arminius Erben" nennt, nach dem Cheruskerfürsten Arminius. An ihn und seinen Sieg über die Römer im Teutoburger Wald erinnert das Hermannsdenkmal, in manchen Kreisen wird er als der "erste Deutsche" verehrt. "Arminius Erben" versuchten schon 2021, sich den Bauernprotesten von Alf Schmidt in Berlin anzuschließen. Alle möglichen Gruppen seien gekommen und hätten ihre Themen platzieren wollen, erinnert sich Schmidt. Die Bauern seien auch für eine 'Merkel muss weg'-Demo angesprochen worden. "Ich habe gesagt, wer da mitmacht, gehört nicht mehr zu uns." Schmidt will Menschen mit anderen Anliegen gesagt haben, wenn sie etwas wollten, sollten sie eben in der Nachbarstraße was anmelden und sehen, wer kommt.
Gericht erlaubt zahlreiche Autobahn-Blockaden
"Arminius Erben" riefen zu Spenden für die Bauern auf, Mitglieder organisierten Verpflegung für die Landwirte, sie suchten Anschluss. Schmidt wies das öffentlich zurück, er wolle mit "Arminius Erben" nichts zu tun haben. Daraufhin habe es sogar Lynchaufrufe gegen ihn gegeben, berichtet er. Was genau "Arminius Erben" wollen, sei ihm nie klar geworden.
An der Spitze von "Arminius Erben" steht ein Nebenerwerbslandwirt aus der Nähe von Kiel, der regelmäßig Videos von sich veröffentlicht und für Vorträge in geschlossenen Kreisen quer durch die Republik reist. "Reichsbürger"-Ideologie steckt offenbar dahinter, die Idee, dass Deutschland von den USA besetzt sein soll, die Deutschen sich befreien müssten und dann ein "1000-jähriges Friedensreich" warte. Es gibt Anklänge an NS-Ideologie, es geht sehr völkisch und sehr russlandfreundlich zu. Zeitweise gab es Überschneidungen mit einer nicht mehr auftretenden Gruppe namens "DEUNOD", deutscher Ableger einer russischen nationalen Befreiungsbewegung.
Diverse Mitglieder von "Arminius Erben" sind jetzt die Administratoren der Gruppen, in denen Bauern und Verbraucher vermeintlich vereint werden sollen. Die kleinste für Bremen hat 200 Mitglieder, die größte für Bayern fast 5.000. Es sind viele Menschen neu dazugekommen, die vielleicht nur solidarisch sein wollen mit den Bauern, offenkundig selbst enttäuscht sind von der Politik der Ampel – und nicht zu ahnen scheinen, wo sie gelandet sind.
In Gruppen wurde für mutmaßliche Terrorpläne rekrutiert
Das Team der Verantwortlichen leitete Gruppen mit QAnon-Verschwörungsgläubigen, sie steuerten Zusammenschlüsse, die zu einem "Tag X" angelegt waren oder zum "DDay 2.0" mit bundesweiten Blockaden aufriefen, und sie administrierten die "Vereinten Patrioten" oder den "Veteranenpool": Es sind Gruppen, in denen zum Teil nachweislich rekrutiert wurde für mutmaßliche Terrorzellen.
Eine aktuelle Administratorin etwa ist eine Isa. Sie war eine enge Vertraute von Sven Birkmann, der "ein Drehbuch für den Umsturz" hatte. Seit Mai 2023 wird in Koblenz gegen Birkmann und vier weitere Angeklagte verhandelt, die den Plan einer Entführung von Karl Lauterbach und eines deutschlandweiten Blackouts geschmiedet haben sollen. Im Prozess fällt oft der Name Isa, es gab auch eine Hausdurchsuchung bei ihr. Beschuldigte ist sie im Prozess nicht, in ihren Kreisen hat ihr das Vorwürfe eingebracht, insgeheim für den Staat zu arbeiten.
Isa nahm mit Birkmann an Treffen der Verschwörer teil, betreute auf Telegram die nach Bundesländern aufgestellten Kanäle des "Veteranenpools", dazu "Corona Rebellen Berlin" und "Querdenken Hannover". Und sie steuerte eine Telegram-Gruppe von Helfern aus der "Reichsbürger"- und "Querdenker"-Szene, die sich bei der Flut im Ahrtal in einer Grundschule eingerichtet hatte, einerseits bei den Aufräumarbeiten half, andererseits diese aber dazu nutzte, sich zu vernetzen und Beweise für krude Theorien zu suchen.
Bei vielen der Beteiligten gab es später Hausdurchsuchungen: Sven Birkmann war dort an der Ahr gewesen, zudem mehrere mutmaßliche Ex-Militärs aus der noch viel größeren Gruppe um Heinrich Prinz Reuß XIII. und die Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkelmann, die gerade wegen Putschplänen angeklagt wurde. Der Rauswurf der unerwünschten Fluthelfer löste damals auch Unverständnis in der Öffentlichkeit aus.
In der Schule an der Ahr hielten sich mindestens zwei weitere Personen auf, die jetzt Kanäle zur Unterstützung der Bauern steuern. Unter den Administratoren finden sich auch frühere Administratoren von "Vereinte Patrioten/Tag X", bei den meisten außerdem klare Bezüge zu "Arminius Erben" und zu früheren Plänen, die Regierung zu stürzen.
Wenn jetzt irgendwo Bauern einen Protest planen, landet seine Ankündigung auch umgehend bei "Bauern und Verbrauchern geeint" und dort in den angeschlossenen Termin-Gruppen. Die "Reichsbürger" werben beständig, sich anzuschließen.
Süddeutsche Zeitung hier 7. Januar 2024, Kommentar von Detlef Esslinger
Bauernproteste: Morbus Aiwanger
Bauernproteste: Wenn die Bauern kommen: hier auf einer Landstraße in Thüringen am vergangenen Donnerstag.
Hunderte Landwirte bedrohen den Vizekanzler - und die Chefs von CDU und CSU werben um Verständnis für sie. Einige Grundlagen der Demokratie geraten in Gefahr.
Ein Wochenende ist nun vergangen, seit mehrere Hundert Bauern den Vizekanzler an der Fähre abgepasst haben. Dass dort "Komm raus, du Feigling" gerufen wurde. Dass der Kapitän wendete, bevor sein Schiff gestürmt worden wäre. Seitdem läuft eine Debatte, die in Teilen so erschreckend ist wie der Vorfall selbst.
Denn sie zeigt, dass führende Vertreter demokratischer Parteien bereit sind, dem Mob Konzessionen zu machen; aus Angst vor ihm. Dazu gehören ausdrücklich nicht CDU-Politiker wie Hendrik Wüst, Daniel Günther, Johann Wadephul oder Paul Ziemiak, die bereits am Freitagmorgen ohne jede Relativierung den Vorfall von Schlüttsiel verurteilten. Dazu gehört aber Markus Söder, dem an dem Tag allein ein Tweet wichtig war, in dem er Glückwünsche zu seinem 57. Geburtstag einforderte. Mit einer Äußerung zu den Bauern wartete er bis Samstagmittag. Darin konzedierte er zwar: "Das geht nicht", fügte aber allen Ernstes an, dass "ein ganz großer Teil der Bevölkerung überhaupt keine Hoffnung hat, auf normalem Wege eine Veränderung zu erreichen". Ein Ministerpräsident wirbt um Verständnis für den Mob; so weit ist es gekommen.
"Unsere Demokratie hat gewaltige Schwächen."
Und was ist das für ein CDU-Vorsitzender, der ebenfalls zwei Tage lang schweigt und dann in einer Rundmail zwar "jede Form von Gewalt" verurteilt, dem aber dann dieser Satz entfährt: "Unsere Demokratie hat gewaltige Schwächen, und die werden im Augenblick sichtbarer denn je." Ist solche Aiwangerei jetzt das Niveau der Debatte? Der bayerische Wirtschaftsminister hatte im Sommer die Heizungsdebatte unter anderem mit der Bemerkung eskaliert, in Deutschland gebe es nur "formal" noch eine Demokratie - und nutzt nun den Mob von Schlüttsiel für eine weitere Infamie: Die "Schuld für die Bauernwut" liege allein bei der "existenzgefährdenden" Ampelpolitik. Hubert Aiwanger bestätigt damit Befürchtungen innerhalb seiner Freien Wähler, die Partei rechts neben der CSU etablieren zu wollen: Die Technik, die Verantwortung für einen Angriff dem Angegriffenen aufzubürden, gehört seit jeher zum Repertoire von Populisten und Demokratieverächtern.
Anscheinend ist es an der Zeit, Selbstverständliches zu erklären. Diese Demokratie hat gewaltige Stärken. Sie erlaubt es jedermann, in Parteien, in Verbänden, bei Facebook, auf Kundgebungen Druck auf die Regierenden auszuüben - das ist jener "normale Weg", den Markus Söder nun abtut, obwohl der permanent erfolgreich ist: Das Heizungsgesetz ist schnell zurückgenommen worden. Die schulterzuckende Politik angesichts irregulärer Zuwanderung ist vorbei. Ein Teil der Kürzungen bei den Bauern wurde zurückgenommen.
Zur freiheitlichen Demokratie gehört aber zugleich: eine Übereinkunft über die Form der Auseinandersetzung. Man erachtet auch andere Meinungen als gleichrangig. Man akzeptiert Mehrheiten, man schützt Minderheiten. Man bedroht einander nicht. Und nie heiligt der Zweck die Mittel. Im unfallfreien Teil seiner Mail erinnert Friedrich Merz zu Recht daran. Er schreibt darin über "Straftaten, die durch kein einziges wie auch immer geartetes Motiv zu rechtfertigen sind".
Das Grundproblem ist, dass vielen Bürgerinnen und Bürgern derzeit all die Krisen über den Kopf wachsen und es wohl in der Natur des Menschen liegt, nach Sündenböcken und nach einfachen Antworten zu verlangen. Einer der Sprüche, die gerade bei Facebook Konjunktur haben, lautet: "Die Bauern gehen nicht für sich auf die Straße, sondern für uns alle!!! Ich hoffe ihr denkt soweit". In den beiden Sätzen steckt viel mehr drin, als ihr Verfasser vermutlich offenbaren wollte - die Sehnsucht nach der simplen Wahrheit, das Empfinden, ein Monopol auf gesunden Menschenverstand zu haben, der vermeintliche Gegensatz von "uns allen" und Regierung. Vielen Bauern wäre indes auch dadurch geholfen, dass diese "alle" öfter im Hofladen statt beim Discounter einkaufen würden; dass sie die Produktion von Freilandeiern belohnen, indem sie die Eier aus Bodenhaltung stehen lassen. Jedenfalls wäre dies ein Beitrag zur Problembewältigung, der mindestens so konstruktiv wäre wie ein Like bei Facebook. Und ob der Bauernverband mit seiner Devise "Wachse oder weiche" über die Jahrzehnte wirklich im wohlverstandenen Interesse des ihm anvertrauten Berufsstandes agiert hat, wäre eine weitere Frage, bei der die Antwort in kein Posting passt.
Immerhin, der Bauernverband trifft den Ton
Aber immerhin scheint der Verband erkannt zu haben, welche Verantwortung er nun hat, bei seiner Aktionswoche von diesem Montag an. Er macht das, was Söder und Aiwanger vermeiden: Er ruft allen die demokratische Form von Auseinandersetzung in Erinnerung: sich an Recht und Gesetz halten, die "Privatsphäre unserer Gesprächspartner" respektieren, auf keinen Fall Symbole wie Galgen heranschleppen. Traurig, dass man das sagen muss. Gut, dass es gesagt wird.
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