Und wie steht es tatsächlich um die Landwirtschaft? Sind Proteste in diesem Umfang gerechtfertigt?
hier Frankfurter Rundschau 07.01.2024 Von: Lisa Mayerhofer
Die Bauernproteste gegen die Ampel-Koalition sind zunehmend aufgeheizt – und sorgen teilweise für große Empörung. Doch wie geht es den Landwirten wirklich?
Die aufgeheizten Bauernproteste sorgen nun selbst für harte Kritik. Nachdem die Ampel-Regierung im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für 2024 Steuervergünstigungen für Landwirte streichen wollte, hatten die Landwirte massive Proteste angezettelt.
Daraufhin nahm die Koalition einen Teil der Maßnahmen zurück – trotzdem hat ein Mob am Donnerstagabend Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und weitere Passagiere am Verlassen einer Fähre gehindert, was für große Empörung sorgte. Doch wie steht es eigentlich um die Situation der Bauern in Deutschland?
Bauernproteste: Landwirte demonstrieren gegen Aus von Steuervergünstigungen
Seit Wochen demonstrieren Landwirte bundesweit gegen das geplante Aus von Steuervergünstigungen bei Agrardiesel und der Kfz-Steuer. Am Donnerstag hatte die Bundesregierung Teile ihrer Pläne zurückgenommen. Der Bauernverband bezeichnete das Einlenken allerdings als unzureichend und hält an der geplanten Aktionswoche ab kommendem Montag fest.
Allerdings hat er auch die Blockade der Fähre mit Habeck an Bord verurteilt und sich von dem Vorgang distanziert. „Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied am Freitag laut Mitteilung. „Blockaden dieser Art sind ein No-Go.“ Trotzdem gab es auch Kritik an den noch geplanten Protesten nächste Woche.
Landwirtschaft: Gewinne auf Rekordniveau
Wie geht es den Landwirten wirklich? Rechtfertigt ihre Situation die ausufernden Proteste? Immerhin: Die Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben zuletzt verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115.400 Euro – ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Angesichts sinkender Preise bei Getreide, Ölsaaten und Milch hatte der Bauernverband sich aber bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert. „Wir hatten über viele Jahre hinweg starke Durststrecken beim Einkommen“, sagte Rukwied dem Tagesspiegel zur Lage der Landwirte. Das vergangene Jahr habe zwar für viele Betriebe eine Verschnaufpause gebracht, für das laufende Wirtschaftsjahr geht Rukwied aber wieder von sinkenden Erträgen aus.
„Beispielsweise ist der Milchpreis pro Liter, der zwischenzeitlich in der Spitze bei 60 Cent lag, inzwischen wieder auf rund 40 Cent gefallen. Auch die Weizenpreise, die zuvor bis zu 400 Euro je Tonne erreichten, sind wieder auf etwa 220 Euro gesunken“, sagte Rukwied der Zeitung. „Auch der Schweinepreis ist mittlerweile rückläufig.“ Auf der anderen Seite würden die Lohnkosten steigen und auch die hohen Energiekosten setzen die Landwirte unter Druck.
Die Ausgaben der Landwirte
Wie das genau aussieht, veranschaulicht Jan-Malte Wichern, Pressesprecher der Landwirtschaftskammer NRW, auch gegenüber der Wirtschaftswoche: Zwar hätten die Betriebe in NRW ein Gewinn von rund 126.000 Euro erwirtschaftet, doch das Geld sei auch dringend erforderlich, um das unzureichende Einkommen der vergangenen Jahre aufzufangen.
„Im Schnitt der letzten fünf Jahre erwirtschafteten Haupterwerbsbetriebe nur 62.400 Euro, was nicht zur Kostendeckung reichte. Denn die Beiträge zur Krankenversicherung, Alterssicherung und die Mitversorgung des Hofübergebers müssen, anders als beim Arbeitnehmer, noch vom Gewinn bezahlt werden“, erklärte Wichern dem Magazin. Dazu würden noch Tilgungen von Darlehen und die gestiegenen Lebenshaltungskosten kommen.
Landwirte unter enormen Veränderungsdruck
Die Umweltorganisation Greenpeace sieht das anders. Die NGO erklärte noch im Dezember, ein Agrardiesel-Ende sei angesichts hoher Lebensmittelpreise und vieler anderer Subventionen verschmerzbar. „Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen – Agrardiesel staatlich zu verbilligen ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft.“
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte indes, dass das gleichzeitige Aus für die Kfz-Steuerbefreiung ein falsches Signal an einen Berufsstand sende, der einem enormen Veränderungsdruck ausgesetzt sei. Wichtig wäre nun etwa auch eine Förderung für den Umstieg auf alternative Antriebe.
Mit Material der dpa
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