Hier sind die Hintergründe zum Borchert-Prozess.
Am 04.07.2020 hat der Bundestag für die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen gestimmt und der Bundesregierung den Auftrag erteilt, noch in dieser Legislaturperiode eine Strategie zur Umsetzung der Vorschläge zu erarbeiten und dem Bundestag vorzulegen.
Was nicht erfolgt ist. Weder in der damaligen Periode, noch bis heute unter Özdemir. Er hatte bisher damit angefangen, die Tierkennwohl-Kennzeichnung zu überarbeiten.Was natürlich heute mehr denn je fehlt: das notwendige Geld. Und jetzt lässt man es einfach sein?
Es gibt allerdings auch Kritik am zurückliegenden Prozess: fehlende Transparenz (siehe unten)
Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland – der Borchert-Prozess hier
Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung wurde 2019 eingerichtet. Im August 2023 hat es beschlossen, seine Arbeit zu beenden. Das Gremium wird nach seinem Vorsitzenden, Bundeslandwirtschaftsminister a.D. Jochen Borchert, auch "Borchert-Kommission" genannt.
ARD hier 22.08.2023
Ringen um bessere Tierhaltung: Expertengremium stellt Arbeit ein
Eigentlich sollte die sogenannte Borchert-Kommission die Bundesregierung unterstützen, um in Deutschland eine bessere Nutztierhaltung zu schaffen. Doch nun löst sich das Gremium auf - Knackpunkt war der Streit um fehlende Fördermittel.
Nach rund vier Jahren Arbeit hat das "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung" - eine Expertenkommission unter Vorsitz des CDU-Politikers und früheren Agrarministers Jochen Borchert - seine Arbeit niedergelegt. Der Entscheidung des Gremiums ging ein langer Streit um fehlende Finanzmittel voraus, um die Schritte hin zu einer besseren Tierhaltung in der Landwirtschaft zu ermöglichen.
Die Kommission teilte ihren Entschluss in einem eigenen schriftlichen Statement mit. Darin erkennen deren Mitglieder zwar an, "dass in den letzten Monaten erste Schritte in Bezug auf Änderungen im Bau- und Umweltrecht" vorgenommen wurden, um eine bessere Haltung von Nutztieren zu ermöglichen. Auch bei der Kennzeichnung von tierischen Produkten habe es Fortschritte gegeben. Doch schaffe "die gegenwärtige Ausgestaltung für den Großteil der Landwirtschaft keine hinreichende Grundlage für einen Umbau".
Das Gremium kritisiert in seinem Statement:Die politischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen des Kompetenznetzwerks wurden somit weder in der vorherigen Legislaturperiode noch in den ersten zwei Jahren der laufenden Legislaturperiode geschaffen. Auch der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 lässt den notwendigen Durchbruch nicht erkennen. Das Kompetenznetzwerk beendet deshalb seine Arbeit.
Finanzbedarf von bis zu fünf Milliarden Euro pro Jahr
Der Hauptstreitpunkt, der nun letztlich in dem Aus des Expertengremiums gipfelte, ist das Geld. Die Kommission setzte sich den eigenen Worten zufolge dafür ein, die Tierhaltung "schrittweise auf ein hohes und deutlich über EU-Standard hinausgehendes Tierwohlniveau" zu bringen. So empfahlen die Mitglieder der "Borchert-Kommission" unter anderem, den Bestand an Nutztieren zu reduzieren und eine sogenannte Tierwohlprämie einzuführen, also ein Preisaufschlag auf tierische Lebensmittel wie Fleisch.
Doch der Umbau der Nutztierhaltung nach den Plänen des Gremiums wäre teuer geworden - auch für den Bund, zumindest wenn es nach den Ratschlägen der Experten gegangen wäre. In ihren Empfehlungen von 2020 schätzte die Kommission die Kosten für den kompletten Umbau der Tierhaltung in Deutschland auf drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr - etwa für Umbauten und den Neubau von Ställen. Die Berater schlugen damals vor, dass den Erzeugern 80 bis 90 Prozent der entstehenden Mehrkosten ausgeglichen werden sollen.
"Kein Durchbruch" im aktuellen Haushaltsentwurf
In einem ersten Schritt kündigte die Bundesregierung schließlich an, eine Milliarde Euro in die Maßnahmen für mehr Tierwohl investieren zu wollen. Den Bundesländern war das allerdings viel zu wenig, vor allem weil die Förderung nur auf die Schweinezucht begrenzt wurde.
Und auch die Borchert-Kommission drängte wiederholt auf mehr Mittel für eine umfassendere Förderung. Und nun kritisierte das Gremium in seiner Stellungnahme, auch der von Bundesfinanzminister Christian Lindner vorgelegte Haushaltsentwurf für das kommende Jahr lasse "keinen Durchbruch" erkennen, was die finanzielle Unterstützung des Umbaus angehe.
Özdemir sichert Engagement für weitere Förderung zu
Noch im Mai hatte auch Bundesagrarminister Cem Özdemir gemahnt, die zugesagte Milliarde Euro könne nur der Auftakt an Förderung sein. Und auch nach der Bekanntgabe der Expertenkommission, ihre Arbeit zu beenden, sicherte Özdemir in einer auf der Seite seines Landwirtschaftsministeriums veröffentlichten Stellungnahme zu:
Es ist klar, dass wir für die weiteren Schritte zusätzliche Mittel brauchen und dafür werde ich mich voll einsetzen. Investitionen in die Tierhaltung und in die Landwirtschaft sind Investitionen, die sich gleich mehrfach bezahlt machen, als Investitionen in das Tierwohl, für das Klima und für die Menschen in den ländlichen Räumen. Hier liegt der Ball beim Haushaltsgesetzgeber, dem Deutschen Bundestag.
Der Grünen-Politiker wies aber zugleich auf die bereits erreichten Fortschritte für eine "starke Tierhaltung" hin: die Verabschiedung des Tierhaltungskennzeichens beispielsweise oder die nationale Ausweitung der Herkunftskennzeichnung.
"Schallende Ohrfeige" für Agrarminister
Die von Borchert geleitete Kommission war 2019 unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner eingesetzt worden und bestand aus Vertreterinnen und Vertretern aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucherschutz.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bedauerte die Entscheidung der Kommission als "falschen Schritt", der Lindner und dessen FDP daran erinnern müsse, den Umbau der Nutztierhaltung nicht weiter auf Kosten der Landwirtinnen und Landwirte zu blockieren.
Von einer "schallenden Ohrfeige" für die Politik Özdemirs sprach der CDU-Politiker Albert Stegemann. Die Regierung müsse ihrer Verantwortung für die Landwirtschaft gerecht werden und nicht nur Sonntagsreden halten. (leider nicht nur Cem Özdemir, siehe dazu unten mehr)
26. FEBRUAR 2021 hier
Hintergrundinformationen zur Borchert-Kommission
Bundesagrarministerin Julia Klöckner verspricht seit Amtsbeginn, die Nutztierhaltung umzubauen. Für diesen Zweck hat sie 2019 die sogenannte Borchert-Kommission eingesetzt, deren offizielle Bezeichnung „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ lautet. Im Februar 2020 hat die Borchert-Kommission ihre Empfehlungen vorgelegt: eine zusätzliche Förderung der Tierwirtschaft in Höhe von 1,2 bis 3,6 Mrd. Euro jährlich bis 2040 zur Finanzierung von Tierwohl-Maßnahmen. Seitdem hat Julia Klöckner eine rasche Umsetzung der Empfehlungen zugesagt – den Worten sind bislang allerdings keine Taten gefolgt. In diesem Artikel stellen wir einige Hintergrundinformationen zur Borchert-Kommission zusammen, darunter: Welchen Auftrag hat die Borchert-Kommission? Wer ist in der Borchert-Kommission vertreten? (dazu bitte auf Original-Seiten schauen) Was passiert mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission?
Welchen Auftrag hat die Borchert-Kommission?
Das BMEL hat der Borchert-Kommission folgende Aufgaben übertragen:
- „Die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen aus allen Bereichen der Nutztierhaltung zu analysieren und Lösungswege für das BMEL vorzuschlagen.
- Ansätze für die Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz der Nutztierhaltung in Deutschland aufzuzeigen und
- Ideen und Vorschlägen zur Weiterentwicklung und Umsetzung der Nutztierstrategie zu entwickeln und dem BMEL vorzuschlagen.“1
Warum wurde die Borchert-Kommission eingesetzt?
Die Borchert-Kommission knüpft an die Nutztierhaltungsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) an, die der damalige Minister Christian Schmidt (CSU) im Juni 2017 vorgestellt hat.
Die Union und SPD hatten die Nutztierhaltungsstrategie 2018 in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen und beschlossen, diese fortan „Nutztierstrategie“ genannten Umbaupläne weiterzuentwickeln. Zu diesem Zweck hat Ministerin Klöckner (CDU), als Nachfolgerin von Minister Schmidt im BMEL, 2019 die Borchert-Kommission eingesetzt.3
Dass die „Nutztier“-Haltung in der Krise ist und weitreichende Probleme mit sich bringt, ist daher offensichtlich mittlerweile auch in konservativen Kreisen angekommen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Union (CDU/CSU) in der bundesdeutschen Geschichte die längste Zeit das Bundesagrarministerium geführt hat, aktuell ununterbrochen seit 2005. Damit sind sie maßgeblich für das Zustandekommen der gegenwärtigen Zustände mitverantwortlich. Dieser Umstand muss benannt werden, wenn Ministerin Klöckner und die Union nun vorgeben, die Tierhaltung in Richtung mehr Tier- und Umweltschutz umbauen zu wollen.
Wie arbeitet die Borchert-Kommission?
Die Borchert-Kommission konstituierte sich Anfang April 2019 auf Einladung von Bundesagrarministerin Julia Klöckner, die Arbeit nahm es am 9. Juli 2019 auf. Es verfügt über die Unterstützung einer Geschäftsstelle „Umsetzung des Bundesprogramms Nutzierhaltung“ (BUNTH), die die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn eingerichtet hat.7
Allzu viel weiteres ist allerdings nicht bekannt über die Arbeitsweise der Borchert-Kommission. Sie arbeitet sehr intransparent, ihre Termine werden nicht öffentlich angekündigt, Protokolle nicht zugänglich gemacht. Es ist unklar, wer die einzelnen Organisationen vertritt, welche Arbeitsgruppen eingesetzt wurden, wie die Entscheidungsfindung erfolgt. Es ist nicht nachvollziehbar, wie Julia Klöckner angesichts einer solch intransparenten Arbeitsweise einen gesellschaftlichen Konsens erarbeiten möchte.
Was empfiehlt die Borchert-Kommission?
Am 11. Februar 2020 veröffentlichte die Borchert-Kommission 20-seitige Empfehlungen an Ministerin Klöckner zur Weiterentwicklung der Nutztierstrategie des BMEL.8
Konkret schlägt die Borchert-Kommission sieben Maßnahmen vor, die zu einer vollständigen Überführung der deutschen Nutztierhaltung in Stufe 2 der geplanten Tierwohlkennzeichnung des BMEL führen sollen. Dabei sieht Stufe 2 (mit der Bezeichnung „verbesserte Ställe“) vor: „zusätzlicher Platz, Strukturierung, Klimazonen möglichst mit Kontakt zu Außenklima, teilweise Planbefestigung u. a., Neubauten mit Kontakt zum Außenklima, Umbauten möglichst mit Kontakt zu Außenklima“. Darüber hinaus soll auch in Stufe 3 („Premium“) ein „hinreichend großer“ Marktanteil erreicht werden.
Der vorgeschlagene Zeitplan sah noch im Jahr 2020 die Einführung einer staatlichen Tierwohlkennzeichnung bei Schweinen (2021 Erweiterung auf Geflügel, Verarbeitungseier, Rindfleisch und Milch), die Überarbeitung der Förderrichtlinien für Investitionsförderung und Tierwohlprämien, den Beschluss einer Finanzierungsstrategie für eine Erhöhung des Tierwohls durch den Deutschen Bundestag sowie den Start eines bundeseinheitlichen Tierwohl-Förderrahmens. Dieser Zeitplan ist als gescheitert anzusehen.
Darüber hinaus wurden für die Jahre 2025, 2030 sowie 2040 Meilensteine definiert:
2025: Einführung einer verpflichtenden Tierwohlkennzeichnung auf EU-Ebene sowie Ziele für die Tierwohlstufen:
Schwein: Mindestens 50 % der Produktion in Stufe 1 oder höher. Mindestens 10 % in Stufe 2 oder höher.
Eier, Geflügel, Milch und Rind: ähnlich wie für Schwein.
2030: Ziele für die Tierwohlstufen:
Alle Tierarten: Stufe 1 gesetzlicher Mindeststandard.
Schwein: Mindestens 40 % der Produktion in Stufe 2 oder höher.
Eier, Geflügel, Milch und Rind: ähnlich wie für Schwein.
2040: Ziele für die Tierwohlstufen:
Alle Tierarten: Stufe 2 wird gesetzlicher Mindeststandard.
Marktanteil in Stufe 3 von mindestens 10 %.
Hinsichtlich der Finanzierung der Maßnahmen schätzt die Borchert-Kommission einen dauerhaften Bedarf von mehreren Mrd. Euro jährlich: 2025 1,2 Mrd. €, 2030 2,4 Mrd. € und 2040 3,6 Mrd. €. Offen blieb die Frage der Finanzierung. Die Borchert-Kommission hat mehrere Finanzierungsoptionen diskutiert und kommt zu der Einschätzung, dass eine mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte die bestgeeignete Lösung sei. Dabei verwies die Borchert-Kommission gleichzeitig darauf, dass es dafür noch einer externen Machbarkeitsstudie und Folgenabschätzung bedürfe.
Aus unserer Perspektive sind die Borchert-Empfehlungen gänzlich ungeeignet, die Probleme im Zusammenhang mit der „Nutztier“-Haltung zu beheben. Zum einen würden die vorgeschlagenen Maßnahmen den bestehenden Zustand in den Ställen für die Tiere nur minimal verändern – in diesem Kontext von „Tierwohl“ zu sprechen, ist an sich schon irreführend. Zum anderen ist eine Reduktion der Tierbestände in den Borchert-Empfehlungen nicht vorgesehen. Tatsächlich ist eine Umsetzung der Empfehlungen mit einer Beibehaltung der derzeitigen Bestände gut vereinbar und wird auch von einigen Akteur*innen gefordert.9 Vor diesem Hintergrund sind die Maßnahmen auch im Hinblick auf die Umweltschutzvorhaben als klar ungeeignet zu bewerten – ohne Abbau der Tierbestände ist die nötige deutliche Verringerung der Treibhausgasemissionen ebenso wenig machbar wie ein effektiver Umgang mit den vielen weiteren Umweltproblemen.
Was passiert mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission?
Das Gremium hat beratende Funktion und soll vor allem dazu beitragen, einen gesellschaftlichen Konsens sicherzustellen. Die Empfehlungen sind daher nicht bindend, eine Umsetzung obliegt dem BMEL bzw. der Bundesregierung sowie dem Bundestag.
Am 04.07.2020 hat der Bundestag für die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen gestimmt und der Bundesregierung den Auftrag erteilt, noch in dieser Legislaturperiode eine Strategie zur Umsetzung der Vorschläge zu erarbeiten und dem Bundestag vorzulegen.10
Daraufhin hat das BMEL eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben – allerdings erst Monate später, im Spätherbst 2020.11 Unterdessen arbeiteten die Arbeitsgruppen der Borchert-Kommission weiter an Details ihrer Umbauvorschläge, unter anderem an den „Tierwohl“-Kriterien. Ein vorgesehenes Arbeitstreffen der Borchert-Kommission am 12.02.2021, zu dem auch eigentlich die Machbarkeitsstudie vorliegen sollte, wurde jedoch vom BMEL auf unbestimmte Zeit verschoben.
Am 20. Februar 2021 hat das BMEL nun eine Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie bis zum 02. März in Aussicht gestellt.12
Aufgrund der verzögerten Auftragsvergabe für die Erarbeitung der Machbarkeitsstudie und einer erneuten Verzögerung bei der Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie wurde das BMEL von verschiedenen Seiten kritisiert.13,14
Auch von den Bundesländern: So hat das Land Niedersachsen inzwischen eine Entschließung in den Bundesrat eingebracht, die den Bund auffordert, noch vor der Bundestagswahl erste Schritte zur Umsetzung der Borchert-Empfehlungen umzusetzen – der Bundesrat soll am 5. März darüber entscheiden.15
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