Donnerstag, 12. Oktober 2023

Wird der Strom durch die Energiewende wirklich günstiger – und wann?


Es ist rätselhaft und wenig durchschaubar, was denn nun eigentlich los ist beim Strompreis. 

Warum hält Habeck so sehr an den Flüssig-Terminals fest, die so stark bekämpft werden?
Hier könnte die Erklärung liegen: er will den Strompreis dämpfen...... 

Mir scheint langsam, dass man an der falschen Stelle ansetzt, das Merrit -Order-System sollte wohl besser durchdacht werden.  Aber das ist vermutlich ein sehr dickes Brett innerhalb von ganz Europa...

Grafiken links von Benne Müller/SolarComplex, die er erst kürzlich auf der Mainau gezeigt hat.

Es zeigt nochmals sehr anschaulich das bestehende System mit seiner Problematik.


Spiegel hier  Von Benedikt Müller-Arnold  29.09.2023

Die Regierung verspricht mit dem Ausbau der Erneuerbaren deutlich sinkende Strompreise. Auch deshalb debattiert sie über befristete Hilfen für die Industrie. Doch mehrere Entwicklungen sprechen gegen die schnelle Entspannung.

Für Robert Habeck ist es nur eine Frage der Zeit: Bis 2030 will die Bundesregierung 80 Prozent des Strombedarfs mit erneuerbaren Energien decken. Grün und günstig soll der Strom dadurch werden – ein Versprechen, das auch Käufer von Elektroautos oder Wärmepumpen gern glauben möchten.

Der Wirtschaftsminister ist sich derart sicher, dass er der energieintensiven Industrie, die aktuell unter den hohen Preisen ächzt, eine Brücke bauen will: Wenn Strom an der Börse mehr als sechs Cent je Kilowattstunde kostet (die SPD-Fraktion spricht sogar von nur fünf Cent), soll der Staat die Differenz erstatten, zumindest für den Großteil des Verbrauchs. Es wären Milliardenhilfen – auf Zeit, betont Habeck. Schließlich führe die Brücke »in eine Zukunft mit niedrigen erneuerbaren Strompreisen und ohne Subventionen«, so der Vizekanzler.

Doch die Zweifel wachsen, ob die Strompreise in Deutschland in den nächsten Jahren wirklich deutlich sinken – selbst wenn der Ausbau der Erneuerbaren zügig vorankommt. Und während die Politik über billigen Industriestrom diskutiert, können Privatleute und kleinere Betriebe von Sechs-Cent-Tarifen ohnehin nur träumen.

Wohin die Reise geht, entscheidet sich im höchsten Haus von Leipzig, an der Energiebörse EEX, wo Stadtwerke und Großabnehmer Strom einkaufen. Dort schwanken die Preise im Kurzfristhandel gewaltig: In Stunden ohne Wind und Sonne, wenn teure Gas- und Kohlemeiler einspringen müssen, klettern sie auf bis zu 20 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Weil stets das teuerste benötigte Kraftwerk den Preis für alle setzt, das sogenannte Merit-Order-Prinzip, steigt der Strompreis. In Zeiten mit massenhaft Ökostrom dagegen sinkt der Preis zeitweise sogar unter null. Wer dann Strom abnimmt, bekommt noch Geld dazu.

Im Schnitt lag der Preis im vergangenen Quartal bei gut neun Cent je kWh. Damit hat der Markt die Exzesse des Vorjahrs hinter sich gelassen, als die rekordhohen Gaspreise auch den Strompreis trieben. Doch im internationalen Vergleich bleibt das Niveau hoch. Die USA etwa locken derzeit mit 3,4 Cent im Mittel.

Profihändler, große Konzerne etwa, kaufen den Großteil ihrer Energie nicht kurzfristig ein, sie können an der Börse schon heute Strom für die nächsten Jahre erwerben. In solche Termingeschäfte fließen alle möglichen Erwartungen ein, wie sich die Preise entwickeln. Zwar sind die sogenannten Futures im Vergleich zu den Erwartungen im Krisenjahr 2022 gesunken, doch der Trend weist zunächst weit weg von Habecks Ziel: Eine Lieferung in den Jahren 2024 und 2025 kostete zuletzt etwa zwölf Cent je kWh.
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Warum wird Strom so schnell offenbar nicht billiger?

Ein Faktor sind die Kosten neuer Wind- und Solarparks. Ausgerechnet bei der Windkraft, der wichtigsten Stromquelle der Zukunft, verteuern steigende Zinsen und hohe Materialpreise den Bau. Beides schlägt voll durch , wenn Entwickler neue Windparks kalkulieren. Denn anders als Gas- oder Kohlekraftwerke haben Windräder kaum laufende Kosten im Betrieb – entscheidend für die Kalkulation sind vielmehr die Kosten bei Errichtung.

Die Folge: Erste Konzerne stoppen Projekte oder müssen Milliarden abschreiben, weil ihre Rechnung nicht mehr aufgeht. Damit überhaupt neue Windparks an Land gebaut werden, verlangen die Betreiber höhere garantierte Preise für den Strom. In Deutschland waren das zuletzt im Schnitt 7,3 Cent je kWh; in den Vorjahren hatte sich die Branche noch mit knapp sechs Cent begnügt. Die sogenannten Gestehungskosten für erneuerbaren Strom »kommen nicht wieder auf das alte Niveau zurück«, prophezeite RWE-Chef Markus Krebber jüngst.

Teure Stunden werden noch teurer

Und ein weiterer Faktor hält die Preise hoch: Jene Stunden, in denen die Republik Gas- und Kohlemeiler braucht, werden künftig noch teurer. Das liegt daran, dass die Preise für CO₂-Zertifikate und damit für fossile Energieträger in Europa weiter steigen werden, was vor allem Kohlestrom verteuert. »Für Erdgas erwarten wir höhere Preise aufgrund des Wegfalls des russischen Pipelinegases«, sagt Sven Kreidelmeyer von der Beratungsfirma Prognos.
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Die konventionellen Kraftwerke werden mit dem Ausbau der Erneuerbaren also seltener gebraucht, aber wenn, dann wird es richtig teuer. Solange die Politik die Funktionsregeln des Strommarkts mit seinem Merit-Order-Prinzip nicht antastet, beeinflussen die klassischen Kraftwerke also weiterhin die Marktpreise. Langfristig sollen Gaskraftwerke zwar »grünen« Wasserstoff verfeuern – doch der ist absehbar noch teurer.

Prognos gießt all das in mathematische Modelle. Vor der russischen Aggression sagten die Fachleute noch voraus, dass Strom 2030 an der Börse sechs Cent je kWh kosten werde. Mittlerweile kommt Prognos auf 7,6 Cent. Das Beratungsunternehmen Aurora Energy Research sagt gar 8,7 Cent voraus. Treten die Prognosen ein, müsste sich der Staat fragen, ob er die energieintensive Industrie über 2030 hinaus mit weiteren Milliarden subventionieren möchte .
Günstigere Erzeugung, teureres System

Auf Privatleute kommen noch ganz andere Kosten zu. Sie zahlen derzeit im Schnitt 46 Cent je kWh; Angebote für Neukunden beginnen bei gut 30 Cent. Denn die Haushalte zahlen nicht nur für Strombeschaffung und Vertrieb, sondern auch beträchtliche Netzentgelte, Steuern und Abgaben, Aufschläge und Umlagen. Pikant an der Debatte über den Industriestrom: Von vielen dieser Nebenkosten sind energieintensive Branchen weitgehend befreit.

Selbst wenn sich die Erzeugungskosten den gewünschten sechs Cent annähern sollten, dürften die Netzentgelte deutlich ansteigen. Die Leitungsbetreiber investieren Jahr für Jahr Milliarden, um mehr Windstrom durchs Land transportieren zu können. Gleichzeitig müssen die Ortsnetze für immer mehr Elektroautos und Wärmepumpen aufgerüstet werden . Die notwendigen Ausgaben werden in Form von Netzentgelten über viele Jahre umgelegt – vor allem auf Privatleute und kleinere Betriebe.

Der Bund der Energieverbraucher schätzt, dass allein der Ausbau der großen Stromautobahnen die Entgelte um gut fünf Cent je kWh erhöhen dürfte. »Die Netzentgelte werden in den nächsten Jahren tendenziell steigen«, sagt Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin. Im vorigen Jahr schoss der Bund knapp 13 Milliarden Euro zu, damit die Übertragungsnetzentgelte in der Energiekrise stabil blieben. Doch das war in der Form als einmalige Sache gedacht.
Verbleib beim Status quo ist keine Lösung

Immerhin: Wer genug Fläche und Geld hat, kann seine Stromkosten mit einer eigenen Solaranlage  senken. Mehr intelligente Messsysteme, sogenannte Smart Meter, und innovative Tarifmodelle können zudem ermöglichen, dass sich Haushalte die Schwankungen auf dem Strommarkt künftig zunutze machen – zum Beispiel ihr Elektroauto in günstigen und windreichen Stunden laden.



Und einfach weitermachen wie bislang – mit 41 Prozent des Stroms aus Gas- und Kohlemeilern – wäre nicht nur unvereinbar mit Deutschlands Klimazielen, sondern würde noch deutlich teurer.

Staaten wie Frankreich setzen größtenteils auf die Atomkraft. Allerdings verschlingen Instandhaltung und Neubau von Atommeilern ebenfalls Milliardensummen. »Mit beiden Systemen kann man Klimaneutralität erreichen«, sagt Stefan Kapferer, Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, aber: »Beide Systeme kosten im Aufbau viel Geld.«

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