Mittwoch, 11. Oktober 2023

Für eine sozial gerechte und gesundheitssensible Klimaanpassung

hier kann unterschrieben werden

GEMEINSAME STELLUNGNAHME ZUM AKTUELLEN ENTWURF DES KLIMAANPASSUNGSGESETZES

An die Mitglieder des Bundestages und Bundesrates sowie Vertreter:innen der Bundesländer zur Verabschiedung des Gesetzentwurfes.

Als Netzwerk von Organisationen aus dem Gesundheits-, Pflege- und Sozialwesen sowie der Freien Wohlfahrtspflege begrüßen wir den Gesetzentwurf für ein Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG). Die übergeordnete Zielvorgabe, die den „Schutz von Leben und Gesundheit, […] sowie von Natur und Ökosystemen“ miteinander verschränkt und Ersteres als oberstes Schutzgut anerkennt (§ 1 und Zu § 1 KAnG) ist eine wichtige Schärfung zum Referentenentwurf. 

Dieses transdisziplinäre Verständnis der ökologischen, ökonomischen und sozialen Wechselwirkungen mit den natürlichen Lebensgrundlagen für die menschliche Gesundheit erfordert stärkere Klimaanpassungsbestrebungen.[1] Positiv hervorzuheben ist dementsprechend die sektorübergreifende Natur des Gesetzes, die Klimaanpassung als gemeinsame Verantwortung versteht und vorschreibt.

Um vorsorgende Klimaanpassung schnellstmöglich umzusetzen und die Ziele des Gesetzes zu erreichen, ist es notwendig, die Dimensionen Pflege, Gesundheit und Soziales im Gesetzestext stärker zu berücksichtigen. Sie sind zentral dafür, klimawandelbedingt zunehmenden Krankheiten vorzubeugen, diese zu behandeln und die Bevölkerung durch die Förderung ihrer Resilienz zu schützen und in ihrer Gesundheit zu fördern. Jedoch attestiert der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege der Bundesregierung dem Gesundheits- und Pflegesektor eine mangelnde Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit gegenüber Krisen [2]. Umso wichtiger ist es, dass der Gesetzestext eine gesundheitssensible sowie sozial gerechte Klimaanpassung ermöglicht und fördert.

Das KAnG bietet die Chance, Ländern, Kommunen sowie Sozial-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen entschiedenes und zügiges Handeln zu ermöglichen. Es sollte diese zu wirksamer und nachhaltiger Klimaanpassung verpflichten. Damit das KAnG die Bevölkerungsgesundheit vor Klimawandelfolgen schützt, sind die unten stehenden Forderungen aufzunehmen. Außerdem ist eine ausreichende Allokation finanzieller und personeller Ressourcen unabdingbar. Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereiche haben hier besonderen Bedarf, u.a. durch die Betreuung vulnerabler Gruppen.

Hinter dieser Stellungnahme steht ein Netzwerk von Organisationen aus dem Gesundheits-, Pflege- und Sozialwesen sowie der Freien Wohlfahrtspflege mit großem praktischem Know-how und wissenschaftlicher Expertise, das gerne zur partnerschaftlichen Begleitung der Gesetzesentwicklung bis hin zur Umsetzung zur Verfügung steht.

Forderungen

Die zentrale Bedeutung eines krisenresilienten und reaktionsfähigen Gesundheits- und Pflegesektors für Klimaanpassung u.a. durch die Ausarbeitung eines Clusters Gesundheit und Pflege hervorheben.

Den sozialen Sektor [Hier meinen wir vor allem die Einrichtungen und Dienste der freien Wohlfahrtspflege, der sozialen Arbeit.] durch ein eigenes Cluster ergänzen, um vulnerable Gruppen in ihren Lebenswelten zu schützen und die Klimaresilienz der Einrichtungen und Dienste der freien Wohlfahrtspflege zu stärken.

Durch das KAnG einen klaren gesetzlichen Rahmen für gesundheitlichen Hitzeschutz und Hitzeresilienz schaffen.

Der Dringlichkeit wirksamer Klimaanpassung durch den Fokus auf zügige Umsetzung und intersektorale Kooperation nachkommen.

Wirksame Klimaanpassung durch nachhaltige und niedrigschwellig zugängliche Finanzierung ermöglichen.

1. Relevanz eines resilienten Gesundheits- und Pflegesektors für Klimaanpassung abbilden

Um die zunehmende Krankheitslast klimawandelbedingter Gesundheitsauswirkungen koordiniert zu bewältigen, ist das Cluster Gesundheit zu konkretisieren. Das Cluster Gesundheit ist auf den Bereich Pflege auszuweiten, um der steigenden Relevanz des Pflegesektors in Anbetracht der Zunahme chronischer Erkrankungen und daraus resultierenden Unterstützungsbedarfen in allen Altersgruppen der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und Prävention in allen Lebenswelten und die Stärkung der Resilienz und Nachhaltigkeit des Gesundheits- und Pflegesektors sind in den Fokus zu rücken. Um die Auswirkungen des Klimawandels als zentrale Herausforderung in den Bereichen, in denen Menschen sich alltäglich aufhalten, lernen und arbeiten, adäquat abzumildern, sind belastbare institutionelle Strukturen aufzubauen. Gesundheitsberufe sind bei der Unterstützung von Trägern von Lebenswelten essenziell. Ferner sind durch den Klimawandel zunehmende und neu auftretende Krankheitsbilder und Gesundheitsrisiken sowohl in der Verhaltens- als auch der Verhältnisprävention explizit zu adressieren. Hierzu gehört auch die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheits-, Sozial- und Pflegeberufen, insbesondere im Bereich der klima- und umweltbezogenen Gesundheitskompetenz.

Da der Klimawandel sich divers auf die Gesellschaft auswirkt und direkte und indirekte gesundheitliche Effekte hat,[4]  sind diese auch u.a. in der Landwirtschaft, dem Wassermanagement sowie in der Stadt- und Raumplanung mitzudenken und negative Auswirkungen zu vermeiden. Gesundheit ist deshalb übergreifend in allen Clustern, Indikatoren und Maßnahmen zu beachten. Eine ressortübergreifende Zusammenarbeit ist hier entscheidend für die synergetische Umsetzung von vorsorgender und gesundheitssensibler Klimaanpassung sein.

Änderungsvorschläge  siehe dazu Details auf den Orginalseiten  hier


2. Cluster für den sozialen Sektor zum Schutz vulnerabler Gruppen in Lebenswelten anlegen

Um das in § 1 genannte Ziel – die Zunahme von sozialen Ungleichheiten zu verhindern – zu erreichen, bedarf es eines eigenen Clusters für den sozialen Sektor sowie der Integration sozialer Aspekte in allen Bereichen der Klimaanpassung.

Vulnerabilitäten werden durch verschiedene soziale Ungleichheitsfaktoren wie Armut beeinflusst und verstärken sich gegenseitig, was in dem Begriff der Intersektionalität zusammengefasst wird. Die Aufzählung verschiedener vulnerabler Gruppen im Gesetzentwurf greift dabei zu kurz. Das Verständnis der Dimension von sozialer Ungleichheit und Klimavulnerabilität wird durch eine intersektionale Perspektive gestärkt. Dafür ist es notwendig, die Definition von vulnerablen Bevölkerungsgruppen bzw. Vulnerabilität als solche auszuweiten und als prozesshaft zu betrachten. Kooperationen und transsektoraler bzw. ressortübergreifender Austausch in Forschung und Praxis sind zu stärken.

Der Schutz und die Förderung der Gesundheit vulnerabler Bevölkerungsgruppen hat höchste Priorität und sollte durch das KAnG einen regulierenden und unterstützenden Rahmen bekommen. Es bedarf deshalb auch der Stärkung der Reaktions- und Anpassungsfähigkeit des sozialen Sektors und damit der Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege selbst, auch vor beispielsweise kurzfristig auftretenden Wetterextremen wie Hitze.

Änderungsvorschläge siehe dazu Details auf den Orginalseiten  hier


3. Gesetzlichen Rahmen für gesundheitlichen Hitzeschutz schaffen

Hitze als größtes klimawandelbedingtes Gesundheitsrisiko in Deutschland ist im KAnG entsprechend zu priorisieren. Gesundheitlicher und ökologisch nachhaltiger Hitzeschutz ist ressortübergreifend und in geteilter Verantwortlichkeit des Bundes, der Länder und Kommunen festzulegen und umzusetzen.  Dabei sind institutionelle Maßnahmen in Gesundheits-, Pflege-, Sozial- und Bildungseinrichtungen zu integrieren. Denn ein wirksames KAnG gewährleistet gesundheitlichen Hitzeschutz der Bevölkerung in akuten Hitzewellen als auch mittel- und langfristige Hitzeresilienz. Auch multiple Risiken wie z.B. begleitende Blackouts, Waldbrände, erhöhte Luftverschmutzung und Überschwemmungen sind in den Blick zu nehmen. Die Beteiligung aller relevanten Sektoren in der Planung und Umsetzung ist essenziell. Den Gesundheits-, Pflege- und Sozialsektoren kommt bei der Sicherstellung ihres gesellschaftlichen Auftrages eine zentrale Rolle zu.

Änderungsvorschläge siehe dazu Details auf den Orginalseiten  hier


4. Dringlichkeit der Umsetzung wirksamer Klimaanpassung nachkommen

Die Dringlichkeit Klimaanpassung umzusetzen, ist im vorliegenden Gesetzentwurf nicht ausreichend adressiert. Für einen wirksamen Gesundheits- und Bevölkerungsschutz besteht höchster Handlungsbedarf, der in der Planung, Umsetzung und Evaluierung von Anpassungsmaßnahmen abzubilden ist. Beispielsweise ist eine zeitnahe Frist für bundes- und länderspezifische Klimarisikoanalysen wichtig, die die Klimaanpassungsstrategien und -konzepte informieren. Eine Übersicht existenter Datenressourcen und Datennutzungskonzepte bildet die Grundlage für effiziente Planung, Monitoring und Evaluierung, vermeidet Duplikationen und erhöht die Effektivität. Gesundheitsdaten spielen insbesondere im Zusammenhang mit der aktuellen Digitalisierungsstrategie des BMG in Verbindung mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) eine zentrale Rolle.

Für die Konzeption und Umsetzung nachhaltiger Klimaanpassung sind alle gesellschaftlichen Akteur:innen, auch über die Verwaltungsebene hinaus, in die Pflicht zu nehmen. Die Förderung von intersektoraler, ressortübergreifender Kooperation sowie das aktive Einbeziehen von Zivilgesellschaft und Wissenschaft sind dabei wesentlich.

Änderungsvorschläge siehe dazu Details auf den Orginalseiten  hier


5. Wirksame Klimaanpassung durch nachhaltige Finanzierung ermöglichen

Die wirksame Bewältigung von Klimawandelfolgen erfordert eine ausreichende Allokation finanzieller und personeller Ressourcen. Die Gesundheits-, Pflege und Sozialbereiche haben hier besonderen Bedarf durch die Betreuung vulnerabler Gruppen.  

Daher bedarf es kurzfristig unbürokratischer, niedrigschwelliger Förderangebote sowie eine perspektivische Einbindung der für eine Klimaanpassung relevanten Kosten in die Finanzierungssysteme des Sozial- und Gesundheitswesens. In diesem Sinne ist zur langfristigen Sicherstellung der erforderlichen Ressourcen und Transformationsprozesse z.B. ein Klima-Anpassungsfond notwendig, um die flächendeckende Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen vor Ort zu gewährleisten. 

Diese konzertierte Stellungnahme basiert auf gemeinsamen Gesprächen mit den unten aufgeführten Institutionen. Sie pointiert Forderungen aus diesen Gesprächen sowie den zum Referentenentwurf vorgelegten Stellungnahmen. Diese können für Details und konkrete Vorschläge ebenfalls zu Rate gezogen werden.

Wir bedanken uns für die aktive Mitarbeit bei der Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit und die wissenschaftliche Beratung durch Prof. Annette Peters, Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München und Lehrstuhl für Epidemiologie, IBE an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie durch Dr. Alexandra Schneider und Dr. Franziska Matthies-Wiesler, Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München.

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