Mittwoch, 11. Oktober 2023

In acht Wochen beginnt die Uno-Klimakonferenz: Die erste »Globale Bestandsaufnahme« wird zum klimapolitischen Desaster

DER SPIEGEL - Klimabericht <themennewsletter@angebote.spiegel.de> von Susanne Götze

Acht Jahre nach der Einigung von fast 200 Ländern auf das Weltklimaabkommen fällt die Bilanz mager aus. Nun will die Uno einen neuen Anlauf starten. Sogar der Papst wird langsam ungeduldig.

Bild links: In acht Wochen beginnt die Uno-Klimakonferenz

Sascha Schuermann / Getty Images

In acht Wochen ist es schon wieder so weit – same procedure as every year – die Uno-Klimakonferenz naht! Doch dieses Mal ist die Stimmung besonders schlecht. Erstmals seit sich die Länder 2015 auf ein Weltklimaabkommen einigten, ziehen sie nun Bilanz über ihre Fortschritte. Die sogenannte »Globale Bestandsaufnahme«, die alle fünf Jahre als Kontrollmechanismus in das Abkommen eingebaut wurde, findet zum ersten Mal statt – und ist ein klimapolitisches Desaster.

Bereits Anfang September wurde bekannt (S+) , dass die weltweite Einsparlücke an Treibhausgasen im Jahr 2030 rund 20 bis 24 Gigatonnen Treibhausgase beträgt – das ist weit über die Hälfte des derzeit jährlichen Ausstoßes aller Länder (rund 40 Gigatonnen). Die Rechnung bezieht sich auf das ehrgeizigere 1,5-Grad Ziel im Vertrag. Das dürfte damit hinfällig sein – es sei denn, in den nächsten sieben Jahren geschieht noch ein Wunder.

 Doch anders als die unzähligen Uno-Klimaberichte, die über den Rückstand der Länder informieren, können Regierungen die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme – auch abgekürzt GST genannt – nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Sicher, das Abkommen basiert auf Freiwilligkeit. Jeder Staat kann selbst darüber entscheiden, wie ehrgeizig sein Klimaplan ist, den er beim Uno-Klimasekretariat einreicht. Trotzdem haben die meisten Regierungen das Abkommen in ihren Ländern offiziell ratifiziert und damit auch folgendes Ziel: Die Erderwärmung unter 2 Grad – und im besten Fall unter 1,5 Grad Erwärmung – gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu halten. Die Länder müssen ihre Emissionen also drastisch reduzieren. Wer wie viel Verantwortung trägt und wie schnell es gehen soll, ist hingegen umstritten. Man wolle »so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen erreichen«., heißt es in dem Abkommen von vor acht Jahren recht vage.

Das »Bald« rückt immer mehr in die Zukunft, die CO₂-Kurve steigt weiter an, nach einer Kehrtwende sieht es bisher nicht aus. Deshalb hat das Uno-Klimasekretariat in den vergangenen Wochen Rückmeldungen der Vertragsmitglieder eingeholt, genauer gesagt von 24 Ländergruppen (das sind Zusammenschlüsse von Staaten in den Verhandlungen) sowie von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die Ideen, wie das Abkommen noch zu retten ist, füllen fast 800 Seiten, das Uno-Klimasekretariat hat alles auf 62 Seiten zusammengefasst. Es soll eine Blaupause für den finalen Abschlussbericht sein, der Mitte Dezember auf der Konferenz in Dubai verabschiedet wird. Mit diesen Schritten wollen die Staaten die Klimaschutz-Wende schaffen:

  • Der Höhepunkt der weltweiten Treibhausgasemissionen soll bis 2025 erreicht werden – spätestens dann muss die jährlich ausgestoßene Menge deutlich zurückgehen. Hier ist der Knackpunkt vor allem China, das den Peak seiner Emissionen bisher noch auf das Jahr 2030 datiert.

  • Bis 2030 sollen sich die Emissionen fast halbieren, bis Mitte des Jahrhunderts netto keine menschengemachten Klimagase mehr in die Atmosphäre steigen – das heißt, noch vorhandene Emissionen sollen durch CO₂-Speicher oder das »Einfangen« von CO₂ aus der Luft ausgeglichen werden. Da der Welt nur noch weniger als sieben Jahre bleiben und der jährliche Ausstoß bisher ansteigt, statt zu sinken, wird eine Halbierung bis 2030 und damit das 1,5-Grad-Ziel immer unwahrscheinlicher.

  • Der Anteil erneuerbarer Energien soll sich bis 2030 verdreifachen, die Energieeffizienz verdoppeln. Hier sind viele Staaten auf einem guten Weg. Allerdings müssen selbst Länder wie Deutschland ihr Tempo extrem beschleunigen. Allein der Ausbau von Windenergie an Land müsste sich hierzulande verdreifachen, um die Klimaziele 2030 zu halten.

  • Ein »schrittweiser Ausstieg« aus fossilen Brennstoffen bis 2040 sowie das Ende von »ineffizienten« Subventionen für Öl, Gas und Kohle bereits bis 2025. Über 2030 hinaus sollten keine neuen Förderprojekte mehr geplant werden. Extrem schwierig einzuhalten. Viele Länder wie Deutschland halten weiterhin an klimaschädlichen Subventionen fest, darunter Vergünstigungen für Diesel, Kerosin, Dienstwagen oder neue Flüssiggasterminals. Und die weltweit führenden Öl- und Gaskonzerne (S+) wollen ihre Geschäfte massiv ausweiten: Allein in den nächsten sieben Jahren sollen Förderprojekte starten, die rund 192 Milliarden Barrel der klimaschädlichen Rohstoffe aus dem Boden holen sollen.

  • Ein Ausstieg aus der Kohleverbrennung bis 2040. In Deutschland soll der Ausstieg bis 2030 im Westen und 2035 in den Lausitzer Kohlerevieren passieren. Andere Länder sind noch viel stärker von dem Rohstoff abhängig. Immer noch werden neue Kohlekraftwerke gebaut, vor allem in China und Indien.

  • Bis 2035 sollen in den Industrieländern keine Verbrenner-Autos mehr zugelassen werden, im Rest der Welt fünf Jahre später. Die EU hatte sich bereits vor einigen Monaten auf das »Verbrenner-Aus« ab 2035 geeinigt. Einige Staaten wie Norwegen möchten schon 2025 aussteigen, andere nordische Länder bereits 2030. Einzelne US-Bundesstaaten wie Kalifornien wollen ebenfalls 2035 Schluss machen. Länder wie China und Indien haben keine Verbote, allerdings ist China führend bei der Herstellung von Elektroautos.

  • Die Entwaldung soll bis 2030 komplett gestoppt werden. Ob das Ziel gehalten werden kann, hängt davon ab, ob die Weltgemeinschaft die waldreichen Länder auszahlt. Die argumentieren mit Einnahmeausfällen, darunter Staaten in Südamerika wie Brasilien.

Hinzu kommt ein ganzer Strauß von Absichtserklärungen für ärmere Länder, darunter deutlich mehr Hilfen, um Klimaschäden abzumildern oder sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Die Absichten in dem Papier sind konsistent – doch unklar ist, ob es auch verabschiedet wird und noch unsicherer, ob es jemals umgesetzt wird.
Das Klimasekretariat unterstreicht: »Die Antwort auf die Globale Bestandsaufnahme ist kein Selbstzweck«. Man erwarte, dass entsprechende Folgemaßnahmen ergriffen werden. Allerdings gingen die Meinungen darüber, was zu tun ist, weit auseinander. 

Zu hoffen bleibt, dass dieses Papier ein ernster Versuch ist, das Abkommen noch zu retten.
Jedes Jahr, das zwischen den Uno-Konferenzen tatenlos verstreicht, verringert die Chancen die Klimakrise abzumildern. Die Konferenz in Dubai könnte so etwas wie die letzte Abfahrt nach Paris sein. Ansonsten befinden wir uns – um mit den Worten des Uno-Generalsekretärs António Guterres zu sprechen – weiter auf dem »Highway zur Klimahölle mit dem Fuß noch auf dem Gaspedal«.

Mittlerweile wird selbst das Oberhaupt der katholischen Kirche unruhig: In seinem »Laudate Deum«, der zweiten Umweltenzyklika nach »Laudato Si« von 2015, forderte der Papst diese Woche von den Teilnehmern (S+) der COP28, »eine deutliche Beschleunigung der Energiewende mit wirksamen Verpflichtungen«. Nur auf diese »konkrete Weise« werde es möglich sein, »das Kohlendioxid nennenswert zu reduzieren und rechtzeitig die schlimmsten Übel zu vermeiden«.

Doch wie mein Kollege Claus Hecking in seinem Bericht über den Papst-Brief treffend schreibt: »Franziskus kann nur mahnen. Entscheiden werden die Mächtigen, die Reichen. Und die sind selten tiefgläubige Katholiken.«



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