Standard hier Reportage von Bernadette Redl 14. Oktober 2023
Einfamilienhaussieldungen sind ein Konzept von vorgestern. Viele stehen halb leer und überfordern ihre alternden Bewohner. Ein Besuch in Mistelbach
Es gab eine Zeit, da war das Haus von Irmgard Opitz voller Leben. Zehn Kinder aus der Nachbarschaft planschten gleichzeitig in ihrem Schwimmbecken, sie veranstaltete Kräuterworkshops und Adventfeiern, oder es kamen einfach ein paar Freundinnen vorbei, um gemeinsam in die Sauna zu gehen. "Das waren schöne Momente. Wie schön, das wird einem erst klar, wenn sie vorbei sind", sagt die 83-Jährige heute. Sie sitzt am Esstisch in ihrem Haus in Mistelbach. Auf einer Fensterbank stehen getrocknete Blütenköpfe, nach Farben einsortiert in Rex-Gläsern. Der Garten, die Blumen und Kräuter – das war Irmgard Opitz’ große Freude. Und die vielen Menschen, die dadurch in ihr Haus kamen.
Heute ist das anders. Ihre Familie besucht sie nicht mehr so oft. Ihre Kinder hätten sich ihr eigenes Leben aufgebaut, erzählt sie. "Und meine Freundinnen hatten alle irgendwann ihre eigene Sauna."
Es ist eine Geschichte, die bezeichnender nicht sein könnte für das Leben im Einfamilienhaus. Jeder hat sein eigenes Reich. Auf den Spielplatz oder ins Freibad geht kaum noch jemand, weil jeder im Garten eine Rutsche, ein Trampolin oder einen Pool hat. Auch das Haus von Irmgard Opitz steht in einer klassischen Einfamilienhaussiedlung, wie es unzählige in Österreich gibt. Die Häuser "Am Stadtwald", wie die Siedlung heißt, stammen aus den 1970er- bis 1990er-Jahren, die meisten werden von einer oder zwei Personen bewohnt, ein Großteil der Zimmer steht leer, denn die Kinder sind längst ausgezogen.
Das Konzept stammt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Lagen Wohnungen davor direkt neben Geschäften und Dienstleistern, zentral im Ortskern, wurden ab dann Siedlungen immer weiter außerhalb erschlossen – das Auto als Nonplusultra machte den Traum vom Wohnen im Grünen möglich. Damals begann die Zersiedelung. Die Folge: Noch heute sind viele vom Auto abhängig, und Ortskerne sterben aus.
Auch die Häuser in den Siedlungen stehen zunehmend leer. In Österreichs schon bestehenden, aber unterbelegten Einfamilienhäusern wäre, Schätzungen zufolge, Platz für rund drei Millionen Menschen. Gleichzeitig finden viele junge Familien heute keinen Wohnraum, der für sie leistbar ist. Schon gar nicht mit Garten. Auch aufgrund des steigenden Bodenverbrauchs werden zunehmend Rufe laut, den Neubau von Einfamilienhäusern zu unterbinden. Die Konsequenz ist klar: Nicht der Neubau ist die Zukunft, sondern das Umnutzen des Bestands, weil so auch Infrastruktur und Ressourcen gespart werden können.
Wie dieses Potenzial genutzt werden könnte, wurde auch "Am Stadtwald" untersucht. Ein Forschungsteam des Österreichischen Ökologie-Instituts und weiteren Partnerorganisationen, geleitet von Julia Lindenthal, hat gezeigt, wie nachhaltige Siedlungssanierung gelingen könnte. Dabei wurden nicht nur für einzelne Häuser Pläne ausgearbeitet, auch für den öffentlichen Raum wurden Vorschläge gemacht. Denn heute gibt es in der Siedlung keinen zentralen Platz, um sich zu treffen, keine Parkbänke; auch das Potenzial für neue Bäume, Energiegemeinschaften oder nachhaltige Mobilität wäre groß.
So viel zur Theorie, denn in der Praxis war die Begeisterung der Siedlungsbewohner begrenzt. Zu einem Seminartag mit Vorträgen kamen nur drei Besucherinnen, sechs Bewohner erklärten sich letztlich damit einverstanden, mit ihrem Haus am Projekt teilzunehmen. Neben Irmgard Opitz war auch Jutta Danzinger eine von ihnen.
Sie ist eine der jüngeren Bewohnerinnen und im März 2020 mit ihrer Familie in die Siedlung gezogen, in ein Haus aus dem Jahr 1975, das sie zuvor saniert hatten. "Viele, die hier leben, wollen keine Veränderung", sagt Danzinger. Sie sei von Anfang an mit Begeisterung dabei gewesen und könne nicht nachvollziehen, warum sich so viele gegen das Projekt gewehrt hätten. Vor allem der Entwurf des öffentlichen Raums, wie er in ihrer Siedlung aussehen könnte, gehe ihr bis heute nicht aus dem Kopf. "Jeden Tag, wenn ich hier rauffahre, denke ich an die Pläne und wie schön es hier sein könnte", sagt sie. Früher habe sie keine Vorstellung gehabt, dass die Straße in der Siedlung auch ein grüner Lebensraum für alle sein könnte. Man könne klein anfangen, sagt Projektleiterin Lindenthal, etwa mit einem Bankerl auf der Straße und einem Baum. Doch mit ihrer Begeisterung ist Danzinger so gut wie allein. "Bäume sind böse, weil sie Mist machen, das ist leider die Ansicht vieler hier."
Danzinger sitzt in ihrer modernen Küche und erzählt vom Lebensalltag in der Siedlung: Man helfe einander aus, tratsche auf der Straße. Darüber hinaus gehe das Miteinander aber nicht. Für ein Straßenfest, das im Zuge des Projekts veranstaltet wurde, habe sich im Folgejahr niemand mehr gefunden, der es organisieren wollte. "Ich hätte das alleine machen müssen", sagt Danzinger wehmütig, "der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und bei uns gilt leider auch: Jedes Haus ein Staat, und jeder kocht sein eigenes Süppchen." Sie und ihre Familie seien auch fast die Einzigen, die den Garten tatsächlich nutzen: "Die anderen pflegen ihn nur, mähen den Rasen."
Die Pflege des großen Gartens ist auch bei Irmgard Opitz ein Thema: "Langsam wird mir das alles zu viel Arbeit, auch das Haus", sagt sie, während sie auf ihrem Dachboden steht, umringt von tausenden Blumen und Kräutern, die zusammengebunden in kleinen Sträußen von den Dachbalken hängen. Der Duft hier oben ist zitronig und frisch.
Früher hat sie Seminare gegeben, Potpourris, Kräuterkissen und Gewürzmischungen gefertigt. Zehn Sommer lang hat sie ihren Garten für Besucherinnen und Besucher geöffnet. "Ich habe immer gerne das, was ich hatte, mit anderen geteilt." Dass alles heute nicht mehr so geht wie früher, belastet sie. Dafür bräuchte sie Hilfe, sagt sie. Doch so sehr sie es liebt, Opitz weiß auch: "Mein Haus ist eine Belastung für die Zukunft, ich sitze auf zu viel Grund und Boden."
Das Projektteam der TU hat deshalb Pläne ausgearbeitet, das Haus zu teilen. Im ersten Stock könnte eine zweite Wohnung mit separatem Eingang entstehen. Lindenthal spricht von einer Win-win-Situation für alle: Eine junge Familie könnte hier ein Zuhause mit Garten finden und Opitz jemanden, der ihr im Alltag oder im Garten helfen kann. "Ich würde mir das wünschen, damit ich nicht alleine wohne", sagt Opitz. Doch der finanzielle Aspekt des Umbaus sei ein Thema, und für größere Projekte wie die Organisation eines Gemeinschaftsgartens, der im Projekt ebenfalls vorgeschlagen wurde, fühlt sie sich zu alt. "Ich wäre aber offen dafür, wenn jemand die Sache in die Hand nimmt."
Auch für ihre Siedlung wünscht sich Opitz mehr: "Wir haben keinen gemeinsamen Platz und nur sehr wenig Kontakt. Das ist kein Dorf, es kennt nicht jeder jeden. Aber jeder wohnt in seinem Bereich, möglichst allein und mit klaren Grenzen. Es ist kein sehr kommunikationsfreundliches Siedlungskonstrukt." Viele hätten sich bereits daran gewöhnt, mit dem Auto zu ihren Bekannten zu fahren und nicht in der Nachbarschaft soziale Kontakte zu knüpfen. "Im Nachhinein etwas zu verändern ist immer schwer – das muss wohl die nächste Generation übernehmen."
Das sagen auch die anderen Projektteilnehmer, erzählt Lindenthal. Einige hätten die Umbaupläne fürs Haus aufbewahrt, um sie irgendwann den Kindern zu übergeben.
Aufstocken und anbauen
Ortswechsel nach Götzis in Vorarlberg, in die Einfamilienhaussiedlung "Unter der Bahn". Auch für sie wurde vor ein paar Jahren von Forschenden ein Zukunftskonzept erstellt. Dass nur ein Haushalt in einem so großen Haus lebt, passe überhaupt nicht zusammen mit unserer demografischen Entwicklung, sagt dazu die Architektin Nicole Rodlsberger. Es brauche auch Platz für Wohngemeinschaften oder Patchworkfamilien. Deshalb hat Rodlsberger mit ihrem Kollegen Sebastian Vilanek für die Siedlung Konzepte zur Nachverdichtung erstellt. Konkret: Wo könnte aufgestockt oder angebaut werden, damit mehr Menschen auf den vorhandenen Grundstücken unterkommen. Eine Variante sieht separate Gebäude auf den Grundstücken vor, eine andere erweitert die bestehenden Häuser zu Winkelhöfen, wieder eine andere macht fünf große Höfe daraus und bringt damit statt anfangs 24 sogar 130 Bewohnerinnen und Bewohner unter.
Wie könnte eine Einfamilienhaussiedlung verdichtet werden, um mehr Menschen unterzubringen? Am Beispiel "Unter der Bahn" in Götzis haben Forschende verschiedene Typologien entworfen. Statt 24 Bewohnern könnten mehr als hundert in der Siedlung leben – und von Gärten, Infrastruktur und Gemeinschaft profitieren.
Für Letztere habe es in der Siedlung die meisten Sympathien gegeben, weil es so gelingen könnte, die gemeinsam genutzten Gartenflächen am ehesten zu erhalten. Trotzdem sind laut Rodlsberger die Bewohnerinnen bei der Präsentation der Pläne anfangs entsetzt gewesen. Auch hier habe laut Vilanek die Elterngeneration am Ist-Zustand nichts verändern wollen, die Kinder hätten allerdings großes Interesse gezeigt. Mit ihrer Arbeit wollen die Forschenden eine Struktur entwickeln, die auf andere Siedlungen umgelegt werden könnte, etwa indem Gemeinden festlegen, wo erweitert werden kann.
"Natürlich kann nicht mitten in einer Siedlung mehrgeschoßiger Wohnbau errichtet werden. Aber es braucht etwas dazwischen, was beide Welten vereint – eine höhere Anzahl von Bewohnern, die dennoch die Vorteile des Einfamilienhauses nutzen können, etwa den Garten drumherum", sagt Rodlsberger.
Sie und ihr Kollege wünschen sich vor allem mehr Vorzeigebeispiele, die den Menschen ihre Ängste nehmen. Eines davon steht ebenfalls in Götzis: Es ist ein Grundstück, auf dem die Kinder im Garten der Eltern ein Haus gebaut haben. Anfangs, erzählt Rodlsberger, hätten die Projektteilnehmer das Grundstück als "total zugebaut" empfunden. Erst als sie mit den Bewohnern ins Gespräch kamen, die darin eine gestiegene Lebensqualität sehen, habe sich ihre Sicht geändert und sie hätten erkannt, dass mehr Menschen auf gleichem Raum wieder Leben in die Nachbarschaft bringen können.
Das erhofft sich auch Irmgard Opitz für ihre Siedlung in Mistelbach. Ein erster Schritt ist ein Bankerl. Ein solches hat sie gleich nach dem Projekt vor ihrem Haus aufgestellt – in der Hoffnung, mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen.
Link zum Projekt: ReHABITAT-Siedlung
Ins Gehirn eingebrannt: Der Wunsch nach dem Einfamilienhaus
Einfamilienhäuser fressen viel Fläche und sind wenig nachhaltig – das weiß ich alles. Und dennoch gilt das Haus mit Garten in meinem Kopf als Ideal des Wohnens
Wie unser Ideal vom Wohnen aussieht, hat damit zu tun, wie wir selbst aufgewachsen sind, erzählte mir unlängst die Soziologin Carina Altreiter. Viele, die das Einfamilienhaus von klein auf kennen, vergleichen, wenn auch nur unterbewusst, jede Wohnung mit der Wohnsituation in der eigenen Kindheit – und dem, was damals als Maßstab galt. Und es stimmt, auch bei mir. Zwar habe ich es nie konkret geplant, dennoch war immer in meinem Hinterkopf: Auch meine Kinder würden irgendwann in einem Haus mit Garten leben.
Wer, wie ich, auf dem Land groß wird, für den ist das Einfamilienhaus der Standard. Das zeigt sich etwa darin, dass jene Menschen, die dort doch in Wohnungen leben, möglicherweise sogar zur Miete, automatisch als finanziell schlechtergestellt gelten. Obwohl sie das vielleicht gar nicht sind.
Leere Kinderzimmer
In der Stadt ist das anders: Wer in einer Wohnung aufwächst, hält es auch für vorstellbar, dass es die eigenen Kinder ebenso tun. Oft werden Mietwohnungen sogar in der Familie weitergegeben und dadurch immer wieder neu genutzt – je nach Familienkonstellation. Letztlich ist dies auch der nachhaltigere Weg, der am ehesten unserer Zeit entspricht. Anders als jene unzähligen Einfamilienhäuser, wo es mehrere Kinderzimmer gibt, in denen niemand mehr wohnt – höchstens mal am Wochenende.
Doch selbst ich, die ich mehr als glücklich bin in einer Wohnung in der Stadt, kann nur schwer Abstand nehmen von jener Prägung, die tief in mein Gehirn eingebrannt ist. Dazu kommen Politik und Gesellschaft, die uns vorgaukeln, das Einfamilienhaus sei die erstrebenswerteste Form des Wohnens: Bauen wird mit Förderungen unterstützt, die glückliche Familie lebt in der Fernsehwerbung natürlich im Haus mit Garten. Und schwups, schon glaubt man, das auch haben zu wollen – obwohl man es eigentlich besser weiß.
Analyse hier Bernadette Redl 3. März 2019
Warum Ortskerne aussterben
Neubaugebiete sorgen für Leerstand in Zentren. Die Geschichte einer deutschen Stadt zeigt das eindrucksvoll. Parallelen zu Österreich gibt es viele
Die Einwohner von Villmar mögen ihre historische Altstadt, sie gibt dem Ort seine Identität und ist auch auf Tourismus-Broschüren abgebildet.
Kirche, Rathaus, Bäckerei – das Zentrum von Villmar sieht aus wie der typische Ortskern einer kleinen deutschen Stadt. Vor allem die alten Fachwerkhäuser geben dem mittelhessischen sogenannten Marktflecken sein charakteristisches Aussehen. Erst wer genauer hinschaut, sieht den Leerstand. 43 ungenutzte Häuser gibt es im 7000 Einwohner großen Villmar. "Sowohl die Stärken als auch die Schwächen liegen im Ortskern", sagt Magdalena Leyser-Droste, Architektin am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Aachen. Sie hat sich ausführlich mit der Entwicklung von Villmar beschäftigt und ihre Ergebnisse kürzlich bei einem Vortrag in Wien vorgestellt. Sie sind, wie sich schnell zeigt, auf viele deutsche und österreichische Städte anwendbar.
Die historischen Bauwerke im Ortszentrum, so Leyser-Droste, sind die Wahrzeichen der Stadt und haben eine ortsbildprägende, positive Wirkung. "Sie sind identitätsstiftend, werbe- und wettbewerbswirksam", so die Architektin. Das Zentrum mit seinen Fachwerkhäusern ist auf der Homepage und auf Touristenbroschüren abgebildet. Denn am Fuße der Stadt verläuft die Lahn, ein Fluss mit einem stark frequentierten Radwanderweg. Beste Voraussetzungen also für einen idyllischen Ort, der noch dazu nur eine Autostunde von Frankfurt am Main entfernt liegt und gut an das Bahn- und Straßennetz angebunden ist. Und dennoch: Der Ort schrumpft. Das zeigt sich am Leerstand im Zentrum, so Leyser-Droste. Bei den Einfamilienhäusern am Ortsrand gebe es zwar einen Preisverfall, sie finden aber immer wieder Käufer.
Gemeinsame Nutzung
Um den Entwicklungen auf den Grund zu gehen, hat Leyser-Droste Baualterskatasterpläne untersucht und die Gebäude von Villmar jeweils der Zeit zugeordnet, in der sie errichtet wurden. Bis 1945 war die Entwicklung klar: In den Gebäuden aus den verschiedenen Epochen wird gewohnt, nebenan werden Dienstleistungen angeboten oder Waren verkauft. Auch das Straßennetz passt sich an die Bauten an, verläuft bis heute "netzartig", wie die Expertin es nennt. Das Zusammenspiel prägt den typischen Ortskern.
Dann, in den Jahren von 1946 bis 1969, verdoppelt Villmar seine Ortsfläche. Im Norden entsteht ein Neubaugebiet mit gleichförmigen, also parallel verlaufenden Straßen, Baugrundstücke werden großzügiger. "Es kommt, wie in vielen Städten, zu einem Suburbanisierungsprozess", sagt Leyser-Droste und meint: Es entstehen autogerechte Einfamilienhaus-Gebiete am Stadtrand, in denen der Traum vom Wohnen im Grünen umgesetzt werden kann.
Ein Phänomen, das auch in Österreich nur allzu gut bekannt ist. In der Charta von Athen wurde auf einem internationalen Städtebaukongress im Jahr 1933 die Trennung von Industrie und Wohngebieten gefordert. "In Österreich wurde das in den Folgejahren zum Grundprinzip der Raumplanung erhoben", kritisiert Thomas Dillinger vom Institut für Raumplanung der TU Wien. Hinzu kommt die steigende Motorisierung ab den 1960er-Jahren. "Weil man längere Strecken zurücklegen kann, wird auch weiter draußen gebaut", sagt Robert Korab vom Städtebaubüro "Raum & Kommunikation". In Österreich ist die Zersiedelung allerdings noch stärker als in Deutschland. "Das merkt man sofort, wenn man von Tirol über die Grenze nach Bayern fährt", so Korab. Schuld daran seien die Gemeinden, denn sie haben in Österreich die Raumordnungskompetenzen. "Es gibt viel regionalwirtschaftliche Beeinflussung. Es ist der klassische Fall: Ein Bauer kommt mit einem Anliegen zum Bürgermeister, der widmet rasch ein Grundstück um", so Korab. Das passiere oft nicht nach raumplanerischen Prinzipien.
Bedrohte Existenz
Zurück im Örtchen Villmar: Ab 1990 folgen den Wohnsiedlungen auch Dienstleistungen und Versorgung. Schulen, Geschäfte und Sportstädten werden am Ortsrand gebaut, für die Läden im Ort ist das existenzbedrohend. "Damals wurde der langsame Verfall des Ortskerns eingeleitet, seit 30 Jahren ist er ein schleichendes Phänomen", sagt Leyser-Droste. Sie erklärt: Durch die Geschäfte am Stadtrand verändert sich das Kaufverhalten und somit auch die Intensität der Begegnungen von Bewohnern.
Diese Zersiedelung habe sich auch in Österreich in den 1980er-Jahren extrem fortgesetzt, so Korab. Damals sind Fachmarktzentren an den Ortsrändern entstanden – "mit den Klassikern Takko, Jello Schuhe und Kik". Heute, so der Experte, würden viele Gemeinden das gerne rückgängig machen. Und auch im beschaulichen Villmar, so erzählt die deutsche Architektin, werden heute wieder Neubaugebiete näher am Ortskern erschlossen.
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