Donnerstag, 12. Oktober 2023

Heizungsindustrie warnt vor Scheitern der Wärmewende

Dass das neue Gesetz kein besonderer Wurf ist, das haben inzwischen alle im Hinterkopf. Lässt sich das noch retten?


Handelsblatt  hier

Die deutsche Heizungsindustrie fordert erleichterte Förderungen für den Heizungstausch auf Wärmepumpe.

Heizungsbauer und Handwerker verdienten lange prächtig, auch dank hoher Fördergelder für den Heizungstausch. Jetzt sinken die Auftragsbestände – und die Branche schlägt Alarm.

Die Heizungsindustrie warnt vor einem Scheitern der Wärmewende.

Hauptgrund sind nach Überzeugung von Jan Brockmann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie (BDH), komplizierte und unzureichende Förderbedingungen: „Für viele Endkunden sind die Bedingungen eines Heizungstauschs nach wie vorher schwer durchschaubar. Das gilt mit Blick auf die Wärmeplanung der Kommunen, es gilt aber auch mit Blick auf die Förderkulisse“, sagte Brockmann dem Handelsblatt. Im Ergebnis führe das zu starkem Attentismus: „Die Menschen warten erst mal ab.“

Der BDH-Präsident, im Hauptberuf Vorsitzender der Geschäftsführung der Bosch Home Comfort Group, blickt skeptisch in die Zukunft: „So kann der von der Politik angestrebte schnelle Hochlauf klimafreundlicher Heizungstechnologien nicht gelingen.“

Der Topmanager spricht vor dem Hintergrund globaler Branchenerfahrung. Die Bosch Home Comfort Group, in der alle Aktivitäten rund um die Heiz- und Kühltechnik gebündelt sind, erzielt mit 14.400 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 4,5 Milliarden Euro, davon 65 Prozent außerhalb Deutschlands.

Die Ampelkoalition hatte in diesem Frühjahr und Sommer intensiv um die Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gerungen. Die Gesetzesnovelle, die schließlich Anfang September beschlossen wurde, soll einen raschen Umstieg auf klimafreundliche Heizungssysteme bewirken und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor leisten.

Große Bedeutung misst die Ampelkoalition im GEG elektrischen Wärmepumpen bei. Außerdem hat die Ampelkoalition die GEG-Novelle eng mit der kommunalen Wärmeplanung verknüpft: Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern sollen bis Mitte 2026 ihre Wärmepläne vorlegen, alle anderen Kommunen haben bis Mitte 2028 Zeit. Geregelt wird dies in einem separaten Gesetz. Solange keine Wärmeplanung vorliegt, gelten die Bestimmungen des neuen GEG für Bestandsgebäude nicht.

Brockmann kritisiert geplante Absenkung förderfähiger Investitionskosten

Dass die Politik sich entschieden habe, GEG und Wärmeplanung miteinander zu verzahnen, ergebe zwar Sinn, sagt Brockmann. „Die Folge wird aber sein, dass zunächst einmal wenig passiert.“ Hinzu komme die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs und die Krise der Bauwirtschaft. „Unterm Strich ergibt sich daraus für uns eine schwierige Situation“, sagt Brockmann.

Am Dienstag hat der BDH-Präsident Gelegenheit, seine Kritik direkt an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu richten. Habeck ist am späten Nachmittag Redner auf der Deutschen Wärmekonferenz, dem vom BDH und Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) ausgerichteten Branchentreff in Berlin.

Brockmann dürfte dann insbesondere einen Punkt ansprechen, der seiner Branche zu schaffen macht: Die Bundesregierung plant, im Zusammenhang mit der GEG-Novelle auch die Förderung für den Heizungstausch neu aufzulegen. Geregelt ist sie im Programm „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG).

Nach Überzeugung Brockmanns ist das BEG „der entscheidende Hebel, um trotz der schwierigen Gesamtsituation doch noch kurzfristige Anreize zu setzen und den Markt in Bewegung zu bringen“.

Geschwindigkeitsbonus: Gut, aber falsch gestaltet

Doch die Vorstellungen der Bundesregierung zur künftigen Ausgestaltung des BEG, die ab Januar gelten sollen, überzeugen die Unternehmen nicht. „Die bisherigen Pläne weisen leider deutliche Schwächen auf“, sagt Brockmann. Das betrifft aus seiner Sicht in erster Linie die Höhe der förderfähigen Investitionskosten. Sie sollen von 60.000 Euro auf 30.000 Euro sinken. „Das ist das falsche Signal“, ist Brockmann überzeugt.

Anfangs würden gerade solche Eigentümerinnen und Eigentümer den Heizungstausch in Angriff nehmen, die über gewisse finanzielle Mittel verfügten. „Auch sie brauchen einen Anreiz für ihre Investitionen. Das würde den gesamten Markt nach oben ziehen und Skaleneffekte auslösen.“

Die Politik will erreichen, dass es mit der Wärmewende im Heizungskeller schnell vorangeht. Im neuen BEG soll daher ein Geschwindigkeitsbonus verankert werden, der eine erhöhte Förderung für den schnellen Heizungstausch vorsieht.

Das ist nach Überzeugung Brockmanns „grundsätzlich eine gute Sache“. Der Bonus sei aber falsch gestaltet. „Die Politik will einen möglichst schnellen Markthochlauf. Dann sollte sie einen höheren Geschwindigkeitsbonus gewähren und im Gegenzug früher mit der Degression beginnen“, sagt der Bosch-Manager. Dadurch entstehe der Anreiz, sich schnell zu entscheiden. „Und Tempo ist genau das, was wir jetzt brauchen.“

Schlechte Zahlen auch vom Sanitär-Handwerk

Dass eher heute als morgen etwas passieren muss, belegt ein Blick in die Branche: Bei einer kürzlich veröffentlichten BDH-Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen gaben 85 Prozent der Teilnehmer an, dass sie für das erste Quartal 2024 mit einer schlechten oder sogar sehr schlechten Marktentwicklung rechnen.

Zahlen aus dem Sanitär-Handwerk weisen in eine ähnliche Richtung: Einer dem Handelsblatt vorliegenden ZVSHK-Umfrage zufolge ist der Auftragsbestand im Vergleich zum Herbst vergangenen Jahres von durchschnittlich 16,7 auf 14,9 Wochen gefallen.

Die Betriebe arbeiten also Auftragsbestände ab und sind gegenwärtig noch ausgelastet. Das werde sich aber in den kommenden Monaten ändern, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, inklusive der Förderpolitik, nicht wesentlich verändern würden, sagen Branchen-Insider.

Der Geschäftslagenindikator ging der Umfrage zufolge von 72,5 Prozent auf 69,9 Prozent zurück. Nur gut ein Fünftel der 2158 Innungsbetriebe, die an der Umfrage teilgenommen haben, berichten über einen Beschäftigungsaufbau in den vergangenen Wochen. Auch der Blick in die Zukunft lässt nichts Besseres erwarten: Nur 13 Prozent gaben an, dass in den kommenden Monaten Montagekapazitäten aufgebaut werden.

„Wir brauchen eine Initialzündung“

BDH-Präsident Brockmann sieht die Bundesregierung in der Verantwortung. Auf ihr Drängen hin hätten die Unternehmen der Heizungsindustrie „massiv in den Kapazitätsausbau“ für die Wärmepumpen-Herstellung investiert. Zugleich tue sich die Politik aber schwer, für eine angemessene und pragmatische Förderung zu sorgen.

„Das passt noch nicht zusammen. Wir brauchen eine Initialzündung“, sagte der BDH-Präsident. Diese Initialzündung sei nur mit Unterstützung der Politik zu erreichen.

Tatsächlich hatte die Bundesregierung die Hersteller in den vergangenen Monaten zu insgesamt drei „Wärmepumpen-Gipfeln“ eingeladen und dabei die Unternehmen darauf eingeschworen, die Produktionskapazitäten hochzufahren. In der Folge hatten die Hersteller massive Investitionen angeschoben. So hatte etwa allein Vaillant angekündigt, bis 2030 zwei Milliarden Euro in den Ausbau der Wärmepumpen-Fertigung zu investieren.

Mehr: Wie Frankreich bei Wärmepumpen unabhängig werden will.

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