Samstag, 14. Oktober 2023

Größte Reform seit der Gründung: Die Weltbank erfindet sich neu

RND hier  Tim Szent-Ivanyi  12.10.2023

Deutschland viertgrößter Anteilseigner

Die Weltbank hat bisher den Auftrag, durch zinsgünstige Kredite die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, um die weltweite Armut zu bekämpfen. Klima- oder Gesundheits­schutz gehörten jedoch nicht zu ihrem Auftrag. Das soll sich nun ändern.

Die Weltbank hat die größte Reform in ihrer fast 80‑jährigen Geschichte beschlossen.
Die Gouverneure der Bank, die die knapp 190 Eigner­staaten vertreten, einigten sich am Donnerstag bei ihrer Sitzung in Marrakesch darauf, dass sich die Entwicklungs­bank künftig nicht nur um die Armuts­bekämpfung kümmern soll, sondern auch um den Klima- u
nd Naturschutz oder die Pandemie­prävention. „Damit kommt die Weltbank auf die Höhe der Zeit“, sagte die deutsche Gouverneurin, Entwicklungs­ministerin Svenja Schulze (SPD), im Anschluss. „Im 21. Jahrhundert kann man nur erfolgreich Armut bekämpfen, wenn man zugleich auch die natürlichen Lebens­grundlagen schützt“, betonte die SPD-Politikerin, die die Reform mit angestoßen hatte. Deutschland ist viertgrößter Anteils­eigner der Entwicklungs­bank.

Schulze sagte, die Bank sei bisher unter ihren Möglichkeiten geblieben. Die jetzt vereinbarte Reform sei dringend nötig, schließlich sei keines der von der internationalen Staaten­gemeinschaft vereinbarten Entwicklungs­ziele in Reichweite. Jetzt müsse es darum gehen, die Reform tatsächlich auch praktisch möglichst rasch in der Geschäftstätigkeit der Bank umzusetzen, so die SPD-Politikerin. 

Weltbank erweitert ihren Auftrag

FR hier 11.10.2023,Von: Tim Szent-Ivanyi

Die Reform der multinationalen Entwicklungsbank soll das Vertrauen zwischen dem globalen Norden und Süden stärken. Dabei geht es auch um mehr Investitionen in Klimaschutz.

Die Änderung sieht unscheinbar aus, hat aber eine große Bedeutung: Seit ihrer Gründung 1945 hat sich die Weltbank in den Entwicklungsländern auf eine Förderung der Wirtschaftskraft konzentriert, um die weltweite Armut zu bekämpfen. Doch dieser Fokus gilt in Zeiten der globalen Klimakrise als zu eng. Wichtige Anteilseigner wie die USA und Deutschland setzen sich deshalb dafür ein, die Aufgabenbeschreibung der Weltbank und damit auch die Fördermöglichkeiten zu erweitern. Auf der Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Marrakesch soll die Reform am Donnerstag beschlossen werden.

Im Leitbild der Bank, die jährlich mehr als 100 Milliarden Euro an zinsgünstigen Krediten ausgibt, soll es künftig heißen: „Armut bekämpfen auf einem lebenswerten Planeten“. Das ist ein Kompromiss, weil einige Anteilseigner das Wort Klimaschutz nicht explizit verankern wollten. Doch die Formulierung lässt ausreichend Spielraum. „Man kann Armut nur noch erfolgreich bekämpfen, wenn man zugleich natürliche Lebensgrundlagen schützt“, argumentiert Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Sie hat die Reform mit angestoßen, setzt sich nun aber auch dafür ein, dass sich die Änderung konkret im Geschäftsmodell der Entwicklungsbank abbildet: „Die Weltbank muss die Kredite besonders günstig anbieten, die nicht nur dem einzelnen Land, sondern der ganzen Welt zugutekommen“, fordert sie. Das betreffe zum Beispiel den Bau von Solarparks oder den Schutz des Regenwaldes.

Um mehr Geld für Kredite zur Verfügung zu haben, ist die Weltbank, inzwischen geführt vom früheren Mastercard-Chef Ajay Banga, schon einen Schritt gegangen: Die Bank hat ihre Risikoregeln so entschärft, dass sie ohne Verlust ihres Spitzenratings an den Kapitalmärkten mehr Geld ausleihen kann. Damit stehen 40 Milliarden Euro mehr für Darlehen zur Verfügung.

Schulze reicht das aber nicht: Deutschland hat bereits angekündigt, 305 Millionen als sogenanntes Hybridkapital bereitzustellen. Das ist eine Art Darlehen, das aber wie Eigenkapital gewertet wird und damit auch für Kredite genutzt werden kann, und zwar in ungefähr achtfacher Höhe, also etwa 2,6 Milliarden Euro. Deutschland sei hier Wegbereiter, so Schulze. Sie fordert die anderen Anteilseigner auf, Deutschland zu folgen. „Ohne mehr Geld werden die globalen Nachhaltigkeitsziele nicht zu erreichen sein“, sagte sie.

Sie zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Gouverneure der Weltbank als Vertreter der Anteilseigner am Donnerstag auf ein Reformpaket einigen werden. „Wenn wir hier zeigen, dass wir gemeinsam solche Weltorganisationen erfolgreich reformieren können, stärkt das auch das Vertrauen zwischen dem globalen Norden und Süden“, betonte sie. „Wir haben den Ruf der Entwicklungsländer nach mehr Investitionen in Klimaschutz und andere wichtige Entwicklungsziele gehört“, so die SPD-Politikerin.

In Marrakesch treffen im Rahmen der Jahrestagung von IWF und Weltbank traditionell auch die Finanzminister:innen der Industrie- und Schwellenländer (G20) zusammen. Thema wird auch der brutale Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel sein. Offen ist, ob und wie die Minister:innen in ihren gemeinsamen Abschlusserklärungen auf den Terror reagieren. Bei dem Treffen wird es zudem um die angespannte wirtschaftliche Lage weltweit, die anhaltende Inflation und die starke Verschuldung der ärmeren Staaten gehen. Beraten werden soll auch darüber, ob der IWF mehr Geld bekommt und dabei die Stimmrechte zugunsten von Schwellenländern verändert werden.


Watson GUTE NACHRICHT  hier  14.04.2023

Grüne Kredite: Weltbank will sich mehr für Klimaschutz engagieren

Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Im Gegenteil: Billionen von Dollar werden gebraucht, um weltweit Öl, Gas und Kohle durch saubere Energien zu ersetzen. Um Hitzewellen, Überschwemmungen und andere Katastrophen abzufedern, die als Klimafolgen schon jetzt in manchen Ländern wüten – und ärmere Länder besonders hart treffen.

Doch schon in reichen Staaten wie Deutschland wird politisch um jede Million fürs Klima gerungen. Ärmere Länder, die ohnehin wegen hoher Zinsen und Inflation immer tiefer in ihren Schulden versinken, haben das Geld erst recht nicht.

Weltbank soll ärmere Länder unterstützen und Armut reduzieren

Hier soll eine Reform der internationalen Finanzmärkte ansetzen, die in dieser Woche in Washington bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds IWF und der Weltbank diskutiert wird.

Im Fokus: Die Weltbank, deren Hauptaufgabe es bisher ist, armen Ländern Geld zu günstigen Konditionen zu leihen, mit dem Ziel, deren Wirtschaft zu stärken und so die Armut zu reduzieren. Geht es nach einem Vorschlag von Deutschland und anderen großen Anteilseignern, soll die Weltbank nun einen neuen Kernauftrag bekommen: Sie soll eingreifen bei globalen Krisen wie dem Klimawandel und dem Artensterben.

Das Ziel: Die Weltbank soll ärmeren Ländern über ihre Darlehen zu billigem Geld verhelfen und die Finanzströme gleichzeitig dorthin lenken, wo sie zur Bekämpfung der Klimakrise benötigt werden. Experten sprechen von "shifting the trillions", einer Umverteilung von Billionen. Denn nach Schätzungen der UN sind bis 2050 weltweit Klima-Investitionen von 125 Billionen Dollar erforderlich, wenn die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll.

Der Reforminitiative zufolge, die von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ausging, soll die Weltbank Ländern attraktive Zinskonditionen anbieten, die den Klimaschutz vorantreiben. "Diese Investitionen müssen günstiger sein", sagt Schulzes Staatssekretär Jochen Flasbarth. Die Summen, die die Weltbank zur Verfügung stellt, sollen erheblich steigen. Dafür müsse die Bank mutiger werden, ihr Eigenkapital besser nutzen und die bisher sehr konservative Herangehensweise lockern. Mehrere Milliarden Dollar könnten so zusätzlich mobilisiert werden.

Konflikt? Klimaschutz vs. Armutsbekämpfung

Die Befürchtung, dass, wenn die Weltbank mehr Geld für Klimaschutz gebe, weniger für die Armutsbekämpfung übrig bleibe, teilt Flasbarth nicht. "Wir müssen deutlich machen: Das ist keine Abkehr vom Entwicklungsfokus der Bank", betont er.

Gerade unter den ärmsten Ländern litten viele am meisten unter dem Klimawandel, die Investitionen kämen ihnen also zugute. Außerdem solle das Geld der Weltbank nur der Hebel sein, um ein Vielfaches an privatem Kapital zu aktivieren. Dann könne man die staatliche Entwicklungshilfe wieder stärker auf die ärmsten Länder richten.

Doch genau da sehen Entwicklungsorganisationen auch eine Gefahr: Die Reform dürfe den reichen Ländern nicht den Druck nehmen, ihre Entwicklungsetats aufzustocken, warnt etwa Oxfam-Experte Jan Kowalzig. Die Hilfe der Weltbank sehe auf dem Papier zwar nach viel Geld aus, letztlich seien es aber nur Kredite. Und da komme es darauf an, ob etwa der Aufbau erneuerbarer Energien gefördert werde oder die Anpassung eines Landes an Überschwemmungen und Dürre.



Kredite sind keine Entschuldigung für geringere Zuschüsse reicher Länder

Im Fall erneuerbarer Energien könnten die Kredite Wachstum antreiben und ein Land voranbringen. Bei Frühwarnsystemen gegen Unwetter, Häusern auf Pfählen, Dämmen oder Bewässerungssystemen gehe es aber um den Erhalt des Status quo – für so etwas müsse es Zuschüsse statt Kredite geben, fordert Kowalzig.


"Ländern Geld zu leihen, um sich an die Folgen einer Klimakrise anzupassen, die sie selbst am wenigsten verursacht haben, das ist aus dem Blickwinkel der Klimagerechtigkeit sehr problematisch." Es treibe ärmere Länder nur noch tiefer in die Schuldenfalle. Außerdem unterstütze die Weltbank selbst aktuell noch massiv fossile Energien.


Das kritisieren auch Klimaaktivisten. Seit 2015 habe die Weltbank 15 Milliarden Dollar an privatem und öffentlichem Kapital etwa für den Ausbau von Kohle, Öl und Gas mobilisiert, heißt es in einem Bericht der NGO-Koalition The Big Shift Global. Hier verspricht die Weltbank bereits seit Längerem Änderungen.

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