Donnerstag, 5. Oktober 2023

Warum Deutschland vor dem Wassernotstand steht – Wie leben wir wenn das Wasser knapp wird?

Frankfurter Rundschau hier zum Anhören 26.9.23

Ein Podcast zum Thema Wasser

hier zum nachlesen


Handelsblatt hier  Michael Scheppe  30.09.202

Warum Deutschland vor dem Wassernotstand steht – und welche Folgen drohen 

Deutscher Wirtschaftsbuchpreis: Selbst hierzulande könnte das Wasser infolge der Klimakrise knapp werden. Das Buch von Uwe Ritzer ist ein überfälliger Weckruf an Politik, Behörden und Verbraucher.

„Das Ausmaß der Verknappung nimmt in Deutschland schneller zu,
als selbst kritische Experten es vor wenigen Jahren noch geglaubt hätten“,
schreibt Autor Uwe Ritzer. 


Es ist ein Dilemma: Als Tesla die Baugenehmigung für seine Gigafactory in Brandenburg bekam, teilte der örtliche Wasserverband fast zeitgleich mit, die Versorgung nicht mehr garantieren zu können. Die Region erhofft sich von der Ansiedlung des Autobauers einen wirtschaftlichen Aufschwung, doch der Standort befindet sich in einem trockenen Landstrich.

Schon vor der Ansiedlung Teslas war das Wasser in der Region im Sommer knapp. In 30 Jahren wäre das Versorgungslimit normalerweise erreicht worden, so der Wasserversorger. Doch durch den Bau der Fabrik stieß der Versorger von heute auf morgen an seine Grenzen.

Im Hitzesommer 2022 wurde die Bevölkerung gar zum Wassersparen aufgerufen, damit genug für Tesla bleibe. Für die Fertigung eines Autos benötigt Tesla 3000 Liter Wasser – 23-mal so viel, wie ein Deutscher pro Tag verbraucht.

Solche Beispiele schildert der Wirtschaftsjournalist Uwe Ritzer in seinem Buch „Zwischen Dürre und Flut – Deutschland vor dem Wassernotstand“. Der Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ kündigt nicht weniger als einen „längst überfälligen Weckruf an Politik, Behörden und Verbraucher“ an.

Dieses Versprechen löst Ritzer ein. Der Leser bekommt kein Fachbuch, sondern wird auf eine journalistische Reise an Orte in Deutschland mitgenommen, an denen es schon heute Probleme mit der Wasserversorgung gibt. Mit diesen Beispielen, die mit Fakten und Expertenstimmen angereichert werden, beleuchtet der Autor ein Thema, das öffentlich kaum beachtet wird – aber massive Folgen haben dürfte.

Deutschland hat seit der Jahrtausendwende so viel Wasser verloren, wie im Bodensee ist

„Das Ausmaß der Verknappung nimmt in Deutschland schneller zu, als selbst kritische Experten es vor wenigen Jahren noch geglaubt hätten“, schreibt Ritzer. Staat und Gesellschaft seien darauf nur sehr unzureichend vorbereitet. Nach den Diskussionen über die Energiesicherheit infolge des Ukrainekriegs dürfte die Frage nach „jederzeit verfügbarem Trinkwasser das nächste große Thema in Deutschland werden“.

Industrie und Haushalte entnehmen schon jetzt mehr Wasser als natürlich nachkommt. Deshalb sinkt der Grundwasserspiegel, Felder und Wälder vertrocknen, Flüsse führen weniger Wasser und bringen etwa die Schifffahrt ins Stocken.

Es sind Folgen der Klimakrise: Im bundesweiten Mittel scheint die Sonne heute 30 Prozent mehr als zwischen 1961 und 1990. Und 2022 registrierten die Meteorologen im Sommer 40 Prozent weniger Regen als im vorgenannten Zeitraum. Das hat dazu geführt, dass Deutschland seit der Jahrtausendwende eine Wassermenge verloren hat, die der des Bodensees entspricht, wie Daten der amerikanisch-deutschen Satellitenmission Grace zeigen.

Die Bewohner von Grävenwiesbach im Hochtaunus in Hessen leiden schon merklich unter den Folgen. Regelmäßig wird in der 5600-Einwohner-Gemeinde der Trinkwassernotstand ausgerufen. Wer dann seine Blumen gießt, das Planschbecken befüllt oder sein Auto wäscht, muss mit Geldbußen rechnen.

350 der 2000 Hektar Wald wurden gefällt, weil Borkenkäfer über die ausgetrockneten Fichten hergefallen waren. Diese Wälder spendeten den Quellen, aus denen der Ort sein Trinkwasser schöpft, einst Schatten, nun lässt die direkte Sonneneinstrahlung sie zunehmend versiegen. Zudem fällt weniger Niederschlag.

Wassermangel führt zu Verteilungskämpfen

Die Bürger müssen steigende Trinkwassergebühren fürchten, weil der Ort versucht, neue Quellen zu erschließen und Wasser über Fernwasserleitungen zu bekommen – was die Lage in anderen Kommunen verschärft. Wie Grävenwiesbach ergeht es immer mehr Orten, 57 Prozent der Wasserzweckverbände klagen über Wasserknappheit.

Diese Notlagen dürften zu mehr Unruhen führen, mahnt der Autor. „Gestritten wird quer durch die Gesellschaft“ über die Frage, wer wie viel Wasser aus dem Boden pumpen darf. Mal sind es Bürger gegen Unternehmen, mal Landwirte gegen Kommunen. Es liegt hierzulande im Ermessen der Behörden, wer wie viel Wasser bekommt. 

„Der Verteilungskampf um das Grundwasser – womöglich hat er gerade erst richtig begonnen“,
 schreibt Ritzer.

Im letzten Kapitel seines rund 300 Seiten starken Buchs versucht er Lösungen aufzuzeigen. Öffentliche Versorgung müsse Vorrang vor privatwirtschaftlichen Interessen haben, Privilegien für Großverbraucher sollten abgeschafft werden. Ritzer appelliert, die Wasserversorgung aktiv zu managen. Das sei möglich, „aber nur, wenn wir sofort mit der Arbeit beginnen“.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen