Dienstag, 31. Oktober 2023

„Klima-Blockade“ durch FDP: Fridays for Future wertet 101 Antworten aus

Tja, und schon haben wir den Salat:  wer sagt nun der FDP-Spitze, dass auch sie ein Teil der Lösung sein könnten, wenn sie es denn wollten? Irgendwie scheint es ziemlich verfahren zu sein, solange man sich ausschließlich als Opposition in der Koalition definiert.

Frankfurter Rundschau hier  30.10.2023, Von: Maximilian Arnhold

Die deutschen Fridays for Future analysieren die „gelbe“ Klimapolitik der Ampel – und kommen zum Ergebnis: viele große warme Worte und ziemlich wenig Substanz.

Die Klimabewegung Fridays for Future wirft der FDP eine Verhinderungsstrategie beim Klimaschutz vor. Mit dem Klimaforscher Niklas Höhne hat sie 101 Antworten der Partei zu deren Klimaprogramm auf Wirksamkeit untersucht. Ergebnis: 

Der Klimaschutz scheitere nicht etwa an einem Mangel an innovativen Konzepten, sondern „an der ideologischen Verweigerungshaltung, mit der die FDP sie blockiert“.

Die Partei plane, selbst bereits umgesetzte Klimaschutz-Regelungen rückgängig zu machen, warnen die Aktivist:innen und Höhne in einem gemeinsamen Analysepapier, das der Frankfurter Rundschau exklusiv vorliegt. Diese „Klima-Blockade“ habe schwere Folgen für die Demokratie und Gesellschaft.

Hintergrund ist der – ebenfalls 101 Fragen umfassende – Katalog der FDP zum Heizungsgesetz, den die Partei im Mai an Wirtschaftsminister Robert Habeck geschickt hatte. Als Reaktion darauf hatten die Fridays Anfang Juni ihre Fragen an die FDP übermittelt. Die Fragen wurden dann Ende Juli von den Freidemokraten auch beantwortet.

Die FDP habe das „ambitionierteste“ Klimaschutzprogramm aller Parteien, heißt es im Antwortschreiben aus Berlin. Die Begründung: Sie fordere die schnellstmögliche Ausweitung des Emissionshandels auf alle Sektoren. Die Aktivist:innen lassen diese Selbsteinschätzung jedoch nicht gelten: „Die Liberalen sind Profis im sich Rauswinden, aber keine Profis im Klimaschutz“, retournieren sie. Niklas Höhne vom New Climate Institute bestärkt sie in ihrer Kritik, die sich zusammenfassen lässt mit: unwirksam, unsozial und sogar rückwärtsgewandt.

Vernichtende Vorwürfe: „Klimaschutz steht zur Disposition“

Kein Ministerium verzeichne eine schlechtere Klimaschutz-Bilanz als das Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing. Bis heute sei es für ein Fünftel der deutschen Emissionen zuständig – und schulde dem Land ein Sofortprogramm, um die im Klimaschutzgesetz festgelegten Sektorziele im Verkehr einzuhalten. „Stattdessen: 144 neue Autobahnprojekte und eine – aus wissenschaftlicher Perspektive unverständliche – Weigerung, ein Tempolimit einzuführen“, heißt es dazu von Höhne und Fridays for Future.

Emissionshandel allein – der in den 101 FDP-Antworten 36-mal erwähnt wird – führe zu einem rasant steigenden CO2-Preis, den die FDP bislang aber nicht sozial abfedern wolle. „Klimaschutz kann aber nur sozial gerecht funktionieren“, mahnt Pit Terjung von Fridays for Future. Er und seine Mitstreiter:innen erinnern die FDP in ihrem Schreiben auch an die Einführung eines Klimageldes, das eigentlich im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

Darüber hinaus warnen Höhne und Terjung davor, dass die FDP mit ihrer Forderung, das gesamte Ordnungsrecht zu hinterfragen, den kompletten staatlichen Klimaschutz zur Disposition stelle – und in der Sache auch schon aktiv werde: „In den letzten Monaten hat sich die Partei erschreckend erfolgreich für die Entkernungen des Klimaschutzgesetzes starkgemacht. In Zukunft sollen demnach die Klimaziele für die einzelnen Ministerien zur unverbindlichen Handlungsempfehlung degradiert werden – ein fataler Rückschritt.“

Für besonderen Ärger bei den Fridays sorgt auch die Feststellung der FDP, dass Deutschland kein begrenztes CO2-Budget habe. Selbst das Bundesverfassungsgericht würde dies eindeutig anerkennen. „Damit bedient sich die Partei dem rhetorischen Repertoire von Klimaskeptikern“, meint Terjung.

Die FDP vertritt eine gegenteilige Auffassung: Voraussetzen müsse man ein von der internationalen Staatengemeinschaft vereinbartes CO2-Budget, das zwischen den Staaten aufgeteilt werde. Im Pariser Klima-Abkommen von 2015 sei bewusst ein anderer Weg (der der freiwilligen nationalen Minderungsbeiträge, Anm. d. Red.) vereinbart worden.

FDP nimmt 1,5 Grad-Limit bewusst in Kauf

FDP-Klimapolitiker Olaf in der Beek weist die Blockade-Vorwürfe auf Nachfrage zurück. „Wir wollen Dinge nicht bremsen, sondern besser machen“, teilt er der FR mit. Als FDP treibe man viele Klima-Projekte in der Bundesregierung aktiv voran, wie zum Beispiel die Reform des Brennstoffemissionshandelsgesetzes „hin zu einem marktwirtschaftlichen nationalen Emissionshandel“. Auch das Neun-Euro Ticket und das Deutschlandticket seien liberale Initiativen, die auf Bundesverkehrsminister Wissing zurückgingen.

Fridays for Future und Höhne wiederum betonen, der „Emissionshandel alleine legt aber keine Schienen, plant keine Buslinien, und setzt nicht die Regeln für eine gerechte Wärmewende fest, bei der niemand auf der Strecke bleibt“. Auch werde selbst dieses Instrument noch verwässert, was Markteingriffe wie der Tankrabatt oder die Gaspreisbremse gezeigt hätten.

Der Vorwurf: Mit der Auffassung, eine einzige Regelung erledige alle ihre klimapolitischen Hausaufgaben, nehme die FDP das Verfehlen der 1,5-Grad-Grenze bewusst in Kauf.

Kanzler Scholz soll ein Machtwort sprechen

Die Aktivist:innen und Höhne wünschen sich nun von Olaf Scholz ein Machtwort. Der Kanzler müsse seine Regierung „aus dem Würgegriff des kleinsten Koalitionspartners befreien“ – und den Weg für die schnelle Einführung des Klimageldes freimachen. Sie verweisen auch auf den Handlungsauftrag des Klimaexpert:innenrats, der einen dringenden Richtungswechsel in der Klimapolitik anmahnt: Sonst drohe die Bundesregierung, ihre selbst gesteckten Klimaziele bis 2030 „krachend zu verfehlen“.

Ganz aufgegeben haben die Klimaaktivist:innen die Freidemokraten aber wohl noch nicht: Im demokratischen Einsatz gegen die Klimakrise könne man auch auf die FDP nicht verzichten, schreiben Höhne und Terjung. „Vorausgesetzt, sie macht ehrlich Platz für Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse.“

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