Montag, 7. Juni 2021

Protest im Forst

Schwäbische Zeitung  hier von Anna Katharina Schmid und Philipp Richter

....Doch was nach Aufgeben aussieht, ist nur ein kurzes Luftholen. Denn unter der Oberfläche brodelt es in der Bewegung. Kohleabbau, Autobahnen, Stahlwerke - und, wie in Oberschwaben und München, der Kiesabbau: Drohende Rodungen bringen Menschen in ganz Deutschland auf die Straßen und in die Wälder. Waldbesetzungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Teilweise haben sie Erfolg - und verursachen massive Kosten für Steuerzahler. Vor allem junge Erwachsene engagieren sich und investieren ihre Zeit und Energie, um die Natur zu schützen.

....Nadja Lüttich ist Mitglied des Instituts für Bewegungs- und Protestforschung in Berlin und untersucht verschiedene soziale Gruppierungen, unter anderem Fridays for Future und Waldbesetzungen. „Der Höhepunkt der Klimabewegung ist noch nicht erreicht“, sagt die Wissenschaftlerin. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für das Engagement nehme zu, ebenso die Unterstützung. Immer mehr Menschen schließen sich an. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht, doch Lüttich kann sich den Zulauf erklären.

„Wir haben multiple Krisenlagen, die sich verändern und verstärken“, sagt sie. Bürgerinnen und Bürger nähmen nicht mehr alle verordneten Maßnahmen einfach hin, sondern hinterfragten diese und stellten sich ihnen auch in den Weg. Institutionen werde nicht mehr zugetraut, dass sie alles regeln. „Die Menschen nehmen das lieber selbst in die Hand.“

...Die hohe Polizeipräsenz irritierte Blechschmidt, aber der wahre Skandal sei die drohende Abholzung des intakten Waldes. Die Aktion habe nichts mit jugendlichen Krawallmachern zu tun, die jungen Menschen handelten aus tiefster Überzeugung und nähmen Risiken in Kauf, für ihre berufliche Weiterentwicklung oder sogar ihre Freiheit. „Unsere Aktionen werden immer größer - und schaden der Politik und klimazerstörenden Konzernen.“ Demonstrationen zeigten kaum Wirkung, neue, kreative Formen des Protests seien gefragt. Doch sie strebten ihre Ziele auf eine friedliche Weise an, niemals durch Gewalt oder Sachbeschädigung, wie Blechschmidt betont.

...Eine flächendeckende Radikalisierung sei in der Klimabewegung nicht zu beobachten, sagt auch die Protestexpertin Nadja Lüttich. Radikale und gefährliche Aktionen, wie etwa bei den früheren Anti-Atomkraft-Gruppen, seien insgesamt zurückgegangen. Bei den Taten heute handele es sich höchstens um Ordnungswidrigkeiten, nicht um Kriminalität.

.. Auch Bürgerinitiativen vor Ort sprechen ihre Unterstützung aus. „Sie sind froh, dass wir da sind“, sagt Blechschmidt. Die Aktivistinnen und Aktivisten sind Studierende, Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Menschen mit Wut im Bauch. Rodungen sind für sie profitorientierte Zerstörung. Die Verzweiflung darüber treibt sie an, die Angst vor noch schlimmeren Auswirkungen des Klimawandels. „Wir sind keine Berufsdemonstranten“, sagt Blechschmidt. ... Die wenigen Aktiven im Wald täuschen, sagt Blechschmidt. Hinter ihnen stehe eine große Gemeinschaft, deutschlandweit und über Landesgrenzen hinweg. „Wir sind vielleicht wenige vor Ort, aber, Politiker, erinnert euch an die Klimakrise! Wir sind bereit, sofort wiederzukommen.

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