Sonntag, 20. Juni 2021

SPIEGEL Klimabericht - Freitag, 18. Juni 2021

 ganz schön warm, was?

Die erste Hitzewelle des Jahres rollt über Deutschland und wir schwitzen  kollektiv. Für diesen Freitag hat der Deutsche Wetterdienst eine praktisch flächendeckende Hitzewarnung ausgesprochen. Die Temperaturen könnten auf bis zu 37 Grad Celsius klettern – und auch nachts nicht unter 20 Grad sinken. Tropennächte, sagen Meteorolog:innen dazu. Am Wochenende sollen vielerorts Hitzegewitter folgen.


Wetter und Klima sind nicht dasselbe, klar. Aber der Klimawandel beeinflusst die aktuelle Wetterlage maßgeblich. Ein Sommertag im Juni darf zwar heiß sein. Aber es wird eben immer heißer.

Es heißt nicht umsonst »Klimaerwärmung«

Die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren hat dazu in der vergangenen Woche eine Übersicht mit wissenschaftlich unstrittigen Fakten zur Klimakrise veröffentlicht.

Darin heißt es zum Beispiel:

  • Verglichen mit dem vorindustriellen Niveau hat sich die Luft an der Erdoberfläche im weltweiten Durchschnitt um mehr als 1 Grad erwärmt. Das gab es sehr wahrscheinlich in den letzten 12.000 Jahren nicht.
  • In Deutschland ist es sogar schon rund 2 Grad wärmer geworden.
  • Seit den 1980er-Jahren war jedes neue Jahrzehnt wärmer als das zuvor.
  • Extremwetterereignisse nehmen zu – das zeigt sich auch daran, dass Hitzewellen häufiger und stärker werden und länger dauern.
  • In den 1950er-Jahren gab es in Deutschland jedes Jahr ungefähr 3,5 sogenannte Heiße Tage, also Tage, an denen die Temperatur auf über 30 Grad Celsius steigt. Mittlerweile sind es 8,9 Tage pro Jahr.
  • Und auch die Meere sind betroffen: Die Nordsee – genaugenommen die mittlere Oberflächentemperatur in der Deutschen Bucht – hat sich um etwa 1,3 Grad erwärmt. Und vor der deutschen Ostseeküste hat man einen Temperaturanstieg von rund 1,6 Grad gemessen.

Es ist also nicht nur heiß, es ist zu heiß. Und diese Hitze, die wir – nicht nur in Deutschland – wahrnehmen, hat ganz konkrete Konsequenzen für den Alltag.

Im kleineren Ausmaß: Am Dienstagnachmittag musste die Stadt Karlsruhe den Trambahnverkehr vollständig stoppen. Weil in der Hitze ein teerartiges »Vergussmaterial« geschmolzen und auf die Schienen geflossen ist. Der Teer klebte überall und der öffentliche Nahverkehr war lahmgelegt – und ist es über das Wochenende noch.

Und im größeren: Für rund 40 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger, vor allem im Westen des Landes, gilt derzeit eine Warnung wegen »unmäßiger« Hitze. Im Durchschnitt ist es in den USA zehn Grad wärmer als normalerweise zu dieser Jahreszeit. Die Behörden rechnen mit Waldbränden und hitzebedingten Stromausfällen. Menschen sind dazu aufgerufen, sich nicht länger draußen aufzuhalten.

Was hilft also gegen die Hitze? Kurzfristig, und wo es möglich ist: Vorhänge in der Wohnung schließen, lauwarm duschen – und Wassermelone aus dem Kühlschrank.
Und längerfristig? Ein besserer Klimaschutz vielleicht.

Die Hitze wird zum Politikum

Die aktuell extrem hohen Temperaturen sind eine Ausprägung der Klimakrise. Und könnten, sollte die Hitze anhalten, einen Effekt auf die näherrückende Bundestagswahl haben. Möglich ist, dass Parteien, die mit mehr Konstanz als andere Klimaschutz einfordern, davon profitieren, dass wir die manchmal so abstrakten Auswirkungen der Klimaerwärmung am eigenen, schwitzigen Leib spüren.

Bis wir an die Urnen schreiten, sind es zwar noch mehr als drei Monate. Wenn aber in diesen drei Monaten Felder vertrocknen, wenn mancherorts das Trinkwasser knapp wird, wenn der Schiffsverkehr auf Rhein und Elbe in Mitleidenschaft gezogen wird, weil die Pegel zu niedrig sind und die Rauchschwaden der Waldbrände in Brandenburg bis nach Berlin ziehen, dann wird das einen Effekt haben.

Einstweilen bleiben Sie in den nächsten Tagen da, wo es kühl ist – und hören Sie gern in unseren neuen SPIEGEL-Klimapodcast rein: Ab sofort fragen wir jeden Dienstag, ob die ökologische Wende gelingt, welche politischen Ideen und wirtschaftlichen Innovationen überzeugen und: wie es den Menschen geht, die davon betroffen sind. Mit Gästen und den Expertinnen und Experten aus der SPIEGEL-Redaktion zeigen wir, welchen Einfluss die Klimakrise auf unseren Planeten hat, wer die Bremser und Blockierer von echtem Klimaschutz sind – und warum wir im spannendsten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts leben. Den Podcast gibt es überall kostenlos da, wo es Podcasts gibt, und auf SPIEGEL.de. Hier kommen Sie zur ersten Folge.

Die Themen der Woche

Klimakrise im Wahlkampf: Bundesregierung einigt sich auf Sofortprogramm für Klimaschutz
Die Große Koalition hat ein Finanzpaket für den Klimaschutz geschnürt: 26 Einzelprojekte, mit einem Gesamtvolumen von etwas mehr als acht Milliarden Euro. Angaben zu einem konkreten CO₂-Preis fehlen in dem Sofortprogramm.

Sibirien: Warum ein 650.000 Jahre alter Permafrostboden abschmilzt  
Vor 130.000 Jahren war es in der Arktis wärmer als heute, trotzdem tauten Teile des Permafrosts nicht. Nun jedoch verschwindet der gefrorene Boden. Schuld ist der Mensch.

Antarktis: »Die Sorge ist groß, dass die Region auf einen kritischen Kipppunkt zusteuert«
Seit 1959 gibt es den Antarktisvertrag. Forscherinnen und Forscher kritisieren nun: Die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis habe sich immer noch nicht ausreichend um die Problematik des Klimawandels gekümmert.

E-Mobilität: Warum der Verbrennungsmotor schneller am Ende ist, als viele denken
Deutschland soll bis 2045 treibhausgasneutral werden und seine Emissionen bis 2030 erheblich senken. Dieses Vorhaben dürfte den Abschied vom Verbrennungsmotor beschleunigen – und das ist nicht alles.

Interview mit Jakob Blasel: »Womit ich nicht glücklich bin, ist der CO₂-Preis«
Jakob Blasel ist Klimaaktivist und will für die Grünen in den Bundestag. Auf deren Parteitag scheiterte er mit einem Antrag zum CO₂-Preis. Verabschieden sich die Grünen vom 1,5-Grad-Ziel?

Publiziert

Die Waldbrandrate verdoppelt sich

Die sommerliche Waldbrandsaison hat gerade erst begonnen und doch ist abzusehen, dass es 2021 wieder zu verheerenden Feuern im Westen der USA kommen wird. Es stimmt zwar, dass auch die dortige Brandunterdrückung in den vorangegangenen Jahrzehnten eine wichtige Rolle spielt, die Rolle des Klimawandels jedoch nicht unterschätzt werden sollte. Um die aktuelle Entwicklung historisch besser einordnen zu können, versuchten US-amerikanische Feuerökologen die Häufigkeit von Waldbränden in den Rocky Mountains über die vergangenen 2000 Jahre zu rekonstruieren. Um den Einfluss von Brandbekämpfungsmaßnahmen oder menschengemachte Landschaftsveränderungen möglichst gering zu halten, haben sie sich auf eine bewaldete Gebirgsregion in den Bundesstaaten Colorado und Wyoming konzentriert. Anhand von Spuren in den Jahresringen der Bäume und insbesondere Ascheablagerungen in mehreren Seen konnten sie so feststellen, dass die Waldbrandrate im 21. Jahrhundert doppelt so hoch ist wie in den vorherigen zwei Jahrtausenden. Selbst während der mittelalterlichen Warmzeit wurden keine vergleichbaren Werte erreicht. Der relativ kurze Vergleichszeitraum von zwanzig Jahren muss jedoch beachtet werden, da allein die katastrophalen Feuer des vergangenen Jahres fast die Hälfte der gesamten Flächenverluste in dem Untersuchungsgebiet seit 1984 ausmachen.

»Rocky Mountain subalpine forests now burning more than any time in recent millennia«

Higuera, Shuman & Wolf, 2021 PNAS


Bewahren Sie einen kühlen Kopf!

Herzlich,

Ihre Viola Kiel

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