Freitag, 25. Juni 2021

"Billiges Fleisch? Eher verzichtbar"

Der Bürgerrat Klimaschutz stellt seine Empfehlungen zur Begrenzung der Erderwärmung vor. Schirmherr Horst Köhler spricht von "erstaunlich klaren Ergebnissen".

Von Thomas Hummel in der Süddeutschen Zeitung

Ein Mini-Deutschland wollten die Organisatoren im Bürgerrat Klimaschutz abbilden. 160 Frauen und Männer kamen zusammen, Jung und Alt, Stadt und Land, mit und ohne Migrationshintergrund, mit Abitur oder Hauptschulabschluss, aus unterschiedlichen sozialen Milieus. Und dieses Mini-Deutschland hat sich mehrheitlich dazu entschlossen, sich von der Wurst zu verabschieden. 76 Prozent waren dafür, im Sinne des Klimaschutzes weitgehend auf Milch- und Fleischprodukte zu verzichten.

Bürgerräte si
nd ein zunehmend populäres Mittel, die Bevölkerung einzubeziehen in politische Prozesse. Sie sollen dem Eindruck entgegenwirken, in der Demokratie entschieden oben Beamte, die keine Ahnung hätten von den Problemen der kleinen Leute. Aus zufällig ausgewählten Bürgern wird eine Gruppe zusammengestellt, die sich im Kleinen ungefähr so zusammensetzt wie die Gesamtbevölkerung. Der Bürgerrat Klimaschutz sollte die Frage klären, wie die nationalen Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen sind, gemäß denen die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzt werden soll. Vorbilder dafür gab es in Frankreich und Großbritannien.

Nach zwölf Sitzungen und mehr als 50 Stunden Arbeitszeit einigten sich die 160 Räte auf zehn Leitsätze. Der wichtigste lautet: "Das 1,5-Grad-Ziel hat oberste Priorität." Dem sei alles unterzuordnen. Dabei soll es gerecht zugehen, sowohl sozial wie auch für künftige Generationen. Zudem gaben die Bürgerräte 76 konkrete Empfehlungen an die Politik - und räumten mit dem ein oder anderen deutschen Mythos auf.

Billiges Fleisch ist demnach eher verzichtbar. Stattdessen soll sich die Landwirtschaft umstellen, weg von der Massentierhaltung, hin zu einer natur- und klimaschonenden Lebensmittelproduktion. Im Bereich Mobilität stimmten 79 Prozent dafür, Neuzulassungen von Vebrennermotoren bis spätestens 2030 zu verbieten. Für teurere Flugtickets sprachen sich noch mehr aus. Selbst das Tempolimit erhielt eine Mehrheit, wenngleich eine dünne. Für 120 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts plädierten 58 Prozent. Nur die Einführung einer City-Maut wurde knapp abgelehnt.

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