Süddeutsche Zeitung: Klimafreitag vom 18.6.21
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"Wieder zusammen fürs Klima!" lautet das Motto, unter dem
Demonstrierende der Fridays-for-Future-Bewegung heute zum Beispiel in der
Hamburger Innenstadt auf die Straße gegangen sind. Foto: dpa
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zwei Wochen noch,
dann feiert Greta Thunberg ein rundes Jubiläum. In zwei Wochen wird sie zum
150. Mal das "Skolstrejk för Klimatet"-Schild in die Kameras
halten. Freitags nicht zur Schule gehen, um auf die Dringlichkeit der
Klimakatastrophe hinzuweisen - vor drei Jahren brachte diese Entscheidung
weltweite Aufmerksamkeit und bescherte Deutschland zahlreiche Nachahmer,
sowie eine im Rückblick merkwürdig anmutende Diskussion über die
Schulpflicht.
Denn seit zwei
Wochen erst findet zum Beispiel in Bayern wieder eine Form von Unterricht
in der Schule statt, die man im Sommer 2018 für normal hielt. Der Umgang
mit der Naturkatastrophe Corona beförderte bis auf oberste Kultusminister-
und Lehrervertreter-Ebene die Erkenntnis: Es kann durchaus sinnvoll und
notwendig sein, mit Gewohnheiten zu brechen, neue Lösungen zu suchen und
deshalb etwa mal nicht in die Schule zu gehen.
Mit dem Wissen um
derlei Notwendigkeiten verhält es sich wie mit dem Kochen von Eiern: Man
kann es nicht rückgängig machen. So wie man ein hartgekochtes Ei nicht in
seinen Ursprungs-Zustand zurückversetzen kann, wird man auch die Erfahrung
nicht löschen können, dass es im Umgang mit den Risiken einer
Naturkatastrophe notwendig sein kann, Gewohnheiten zu brechen. Die
Generation der Schülerinnen und Schüler, die im vergangenen Jahr nicht nur
freitags staatlich verordnet auf den Schulbesuch verzichtet hat, hat dies
prägend selbst erlebt. Diese Generation wird genau solche Veränderungen von
Gewohnheiten bei folgenden Katastrophen auch von anderen verlangen. Das hat
sie schon vor 150 Wochen getan und sie wird es in Zukunft noch lauter und
deutlicher tun - mit der eigenen Erfahrung als Beleg für die Machbarkeit
von Veränderung.
Denn genau hier
verläuft die Grenze des Generationenkonflikts, der nach Corona sehr
deutlich sichtbar werden wird: zwischen jenen, die Gewohnheiten für eine
bessere, nachhaltige Welt brechen wollen und jenen, die sich über derlei
Gewohnheiten definieren und sie deshalb als verteidigungswürdig ansehen.
Mit dem Flugzeug in den Urlaub reisen, Fleisch auf den Grill legen oder
sehr schnell mit dem eigenen Auto in die Stadt fahren - das galt lange als
Gewohnheit in Deutschland. Heute könnte man allein an diesen drei
Tätigkeiten eine eher hitzige Diskussion starten, was zumindest dies zeigt:
Es ist keineswegs mehr für alle eine Gewohnheit - wie eine Studie der Uni Münster gerade gezeigt hat.
Dass die
Diskussion über Gewohnheiten vermutlich unumgänglich ist, wurde am Beginn
dieser Woche deutlich, als die Bundesregierung die so genannte KWRA
vorstellte. Das steht für Klimawirkungs- und Risikoanalyse, und diese ist
ähnlich deprimierend wie die Lektüre von Inzidenzzahlen mitten in der
dritten Welle: denn sie zeigt, dass die andere Naturkatastrophe die Gesellschaft
ähnlich fordern wird wie Corona. "Es wird sie nicht geben: die Region,
die nichts vom Klimawandel spürt", fasst mein Kollege Michael Bauchmüller die KWRA in der
SZ zusammen. "Deutschland von
Extremwetter bedroht", schreibt die Tagesschau. Man
muss schon sehr desinteressiert an der Zukunft sein, um die Bedrohung nicht
zu sehen.
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Manche Menschen
empfinden deshalb sogenannte "Klimaangst". Meine Kollegin Vera
Schroeder hat dazu zahlreiche Interviews mit Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern für die Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung geführt, die ich Ihnen empfehle. Denn auch diese
Gespräche bestärken bei mir ein Gefühl der Hoffnung.
Und zwar vor allem
wegen der Generation, die jetzt endlich wieder zur Schule gehen kann - und heute auch wieder für besseren Klimaschutz
demonstriert hat. Statt über die Lernrückstände zu sprechen, die durch Corona entstanden
sein könnten, könnte man ja auch
darüber sprechen, was die Schülerinnen und Schüler gelernt haben.
Vielleicht passt dafür am besten der Begriff Möglichkeitssinn. Also das
Gespür dafür, dass eine andere Welt möglich ist, dass das eigene Handeln
Einfluss auf die Zukunft hat und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen.
Daran werde ich
denken, wenn in zwei Wochen Jubiläums-Texte über Greta Thunberg erscheinen.
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Ich wünsche
Ihnen mehr Möglichkeitssinn.
Dirk von Gehlen
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