Freitag, 18. Juni 2021

„Noch fünf Jahre warten geht nicht“

Interview im  Südkurier hier

Volker Quaschning  ist seit 2004 Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin.

Herr Quaschning, Sie gelten als glühender Verfechter der Energiewende. Was muss Deutschland tun, um 2045 klimaneutral zu sein?

Klimaneutralität heißt gegenüber dem Stand von 1990 100 Prozent CO2 einzusparen. Aktuell haben wir 40 Prozent erreicht. Was sich gut anhört, ist es aber nicht, denn zwei Sondereffekte haben uns in die Karten gespielt. Allein die Wiedervereinigung und der Niedergang der ostdeutschen Industrie hat uns gut zehn Prozent Einsparung gebracht. In etwa derselbe Betrag ist uns durch die Corona-Krise quasi in den Schoß gefallen. Rechnet man beide Sondereffekte heraus, kommt man auf gut 20 Prozent reale CO2-Einsparung in 30 Jahren.

Ziemlich ernüchternd…

Ja, vor allem, wenn man bedenkt, dass die verbleibende Zeitspanne bis 2045 relativ kurz ist.
Ich sage das nur, um die Dimension zu verdeutlichen, über die wir reden. Und ich wundere mich über die Pillepalle-Maßnahmen, die derzeit in der Politik diskutiert werden, um die Klimaziele zu erreichen.

Was müsste also geschehen?

Alle fossilen Energieträger müssen raus. ..

..Es wird manchmal keinen anderen Weg als klare Regeln geben, und es muss kein schmerzhafter Weg sein. Ein Einfahrstopp in Städte müsste durch einen deutlich besseren öffentlichen Nahverkehr flankiert werden. ...Ein weiteres Beispiel, wo ein Einbaustopp überfällig ist, sind Öl- und Gasheizungen. Die Politik würde den Bürgern einen Gefallen tun, solch klare Regeln endlich einzuführen.

Deutschland kann sich auf der eigenen Fläche mit ausreichend erneuerbaren Energien versorgen, um den zukünftigen Bedarf zu decken. Dazu brauchen wir allerdings zwei Prozent der Landesfläche als Windradstandorte, und auf alle geeigneten Dächer müssen Solarmodule. Zusätzlich müssen auf ein Prozent der Ackerflächen Fotovoltaikanlagen installiert werden. 

Die Politik schafft mit Milliardensubventionen Akzeptanz für die Energiewende. Wie lange ist das durchzuhalten?

Der Staat subventioniert seit Jahrzehnten klimaschädliche Technologien in viel höherem Maß. Das Umweltbundesamt rechnet mit fast 60 Milliarden Euro pro Jahr, die an klimaschädlichen Subventionen fließen. Dieselbe Behörde geht davon aus, dass unser CO2 Ausstoß jedes Jahr Klimaschäden von etwa 140 Milliarden Euro verursacht. Dagegen sind die Investitionen des Staates in Erneuerbare Energien lächerlich gering.

Im öffentlichen Diskurs entwickelt sich die Energiewende von einem technologischen Prestigeprojekt zu einer echten Überlebensfrage. Ist das übertrieben?

Definitiv nein. Die Folgen der Klimaerwärmung werden verheerend sein, wenn wir die Ursachen jetzt nicht entschieden bekämpfen. Wir laufen Gefahr, dass es in einigen Weltregionen so heiß wird, dass dort keine Menschen mehr leben können, dass Küstenstädte versinken werden und die Nahrungsmittelversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann. Aktuell sind wir bei einem Anstieg der Temperaturen von gut einem Grad Celsius. Bei 1,5 Grad wird es kritisch und bei zwei Grad werden viele der genannten Entwicklungen irreversibel werden. Und dann geht es wirklich ums nackte Überleben von Millionen von Menschen.

Wollen Sie uns mit diesem fatalistischen Szenario jetzt alleine lassen?

... Der Klimawandel ist kein Meteoriteneinschlag, dem man machtlos gegenübersteht. Wir haben jetzt noch wenige Jahre, das Ruder herumzureißen. Das sollten wir aber nun auch entschlossen tun. Noch fünf Jahre warten geht nicht.

Fragen: Walther Rosenberger


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