Süddeutsche Zeitung hier 30. Oktober 2024,Von Tina Baier
Warum Deutschland ein Problem löst, das es gar nicht hatKurz vor Ende der Weltnaturkonferenz in Kolumbien legt Bundesumweltministerin Steffi Lemke überraschend einen Plan gegen das Artensterben im eigenen Land vor. Was gut klingt, hat allerdings einen Haken.
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hier Neuauflage der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
Die Verabschiedung des globalen „Kunming-Montreal-Biodiversitätsrahmens“ (Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework – GBF) im Dezember 2022 auf der Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt (CBD) hat unmittelbare Auswirkungen auf die Naturschutzpolitik in Deutschland.
Noch zum Beginn der Konferenz am vergangenen Montag sah es so aus, als ob Deutschland seine Vorreiterrolle verlieren würde, die es in Montréal gespielt hatte. Verhandlungsgrundlage für die aktuelle Konferenz sollten nämlich Pläne der Mitgliedstaaten sein, aus denen hervorgeht, wie die einzelnen Länder die 23 Naturschutzziele umsetzen wollen, zu denen sie sich 2022 in der Abschlusserklärung, dem „Kunming-Montréal Global Biodiversity Framework“ verpflichtet haben. Überraschend ist es der Bundesregierung jetzt während der laufenden Konferenz doch noch gelungen, eine solche Strategie vorzulegen.
„Ich freue mich sehr, dass ich auf meinem Weg zur Weltnaturschutzkonferenz (COP 16) in Kolumbien nun die Nationale Biodiversitätsstrategie 2030 im Gepäck habe“, sagt Steffi Lemke in einer Presseerklärung. „Sie ist unser Beitrag für das Erreichen der Ziele von Montréal und sie ist unser Fahrplan für eine gesunde Natur in Deutschland.“ Vor allem die FDP hatte die „Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030“ (NBS 2030) blockiert.
Übergeordnetes Ziel der Strategie, die Lemke am Dienstag in Cali vorstellte, ist es, bis zum Jahr 2030 den „Trend des Verlusts der biologischen Vielfalt zu stoppen“. Um das zu erreichen, enthält die Strategie 65 Unterziele sowie Vorschläge, wie sich diese erreichen lassen.
Eines der wichtigsten Ziele der NBS 2030 ist, dass in Deutschland 30 Prozent der Flächen an Land und auf dem Meer bis zum Jahr 2030 unter Schutz gestellt werden sollen. In diesem zentralen Punkt hat Deutschland die Vorlage aus dem Montréal-Protokoll exakt übernommen. Das sogenannte 30-mal-30-Ziel sieht genau das für den ganzen Planeten vor. Außerdem sollen zehn Prozent der Flächen in Deutschland unter strengen Schutz gestellt werden. „Damit geben wir der Natur den Raum, den sie benötigt und sorgen gleichzeitig dafür, dass Deutschland seinen Beitrag zum 30-mal-30-Ziel von Montréal leistet“, heißt es aus dem Umweltministerium.
Viele Schutzgebiete in Deutschland existieren nur auf dem Papier
Worauf die NBS 2030 nicht eingeht: Experten und Umweltschützer kritisieren seit Langem, dass es in Deutschland nicht an der Zahl der Schutzgebiete hapert. Was die Fläche angeht, sind die 30 Prozent schon jetzt fast erreicht. Das Problem sei aber, dass viele deutsche Schutzgebiete ihren Zweck nicht erfüllten. In vielen geschützten Regionen auf dem Meer darf zum Beispiel weiter in industriellem Maßstab gefischt werden und in geschützten Wäldern ist das Fällen von Bäumen weiterhin erlaubt.
Ein zweites wichtiges Ziel der NBS ist es, die Natur in Deutschland nicht nur zu schützen, sondern auch zu renaturieren. Vorgesehen ist etwa eine Renaturierung von Auen – auch deshalb, weil Auen eine wichtige Rolle für den Hochwasserschutz spielen. „Bis 2026 wird das Förderprogramm Auen erweitert, um die Auen entlang der Bundeswasserstraßen zu renaturieren und zu stärken“, heißt es in der NBS.
Außerdem soll die Natur in Deutschland in Zukunft schonender genutzt werden. Das betrifft primär die Landwirte, die laut NBS „Risiko und Einsatz schädlicher Pestizide“ bis zum Jahr 2030 halbieren sollen.
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