Jeder Protest hat seine eigene Dynamik, das sollten wir inzwischen gelernt haben. Und manchmal geht es dann in eine Richtung, die nie so beabsichtigt war. Plötzlich stehen die Bauern mit ihrem Verdienst im Fokus. Und man kommt sehr schnell zur Erkenntnis: Bauer ist nicht Bauer, es gibt da Riesenunterschiede, auch wenn man gemeinschaftlich mit dem Trecker vorfährt.
Es gibt einerseits unsere Bäuerliche Landwirtschaft in reich strukturierten Lagen, die viel für die Gemeinschaft leisten und es gibt als anderen Pol die Agrarindustrie, die richtig Reibach macht auf Kosten der Natur und Umwelt.
Und dann ist sehr schnell die Frage: wenn oder was will ich denn überhaupt unterstützen? Und was nicht? Einfach ist das für Niemanden, es gibt so viele Grauzonen, und deshalb sind auch verkürzte Antworten im Stil der AFD-Propaganda Gift für eine inhaltliche Annäherung.
ZDF hier von Oliver Klein und Michaela Waldow 08.01.2024 mit eingebetteten Videos
FAQ: Fakten zur Protestwoche: Wie schlecht geht es den Bauern wirklich?Bauern protestieren gegen Subventionsabbau, obwohl viele Höfe zuletzt Rekordgewinne einfuhren. Inwieweit fallen Gelder für Diesel ins Gewicht? Die Zahlen zur Protestwoche. Auch wenn die Bundesregierung die Subventionskürzungen aufgeweicht hat, ist die Wut vieler Bauern groß. Doch: Kritiker stellen die Verhältnismäßigkeit der Proteste infrage.
In ganz Deutschland blockieren Bauern Straßen und Städte. Ihre Forderung: Die Bundesregierung soll die schrittweise Streichung der Subventionen für Agrar-Diesel komplett zurücknehmen. Es gehe um "die Zukunft unserer Bauernfamilien", erklärte Bauernpräsident Joachim Rukwied.
Doch wären Bauernhöfe durch die wegfallende Subvention tatsächlich in ihrer Existenz bedroht? Inwieweit fallen die Gelder für Agrardiesel überhaupt ins Gewicht - und wen würde es am härtesten treffen? ZDFheute beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie viele Bauern gibt es in Deutschland?
Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland nimmt seit Jahrzehnten ab. Aktuelle gibt es noch rund eine Viertel Million Höfe - während es noch im Jahr 2010 etwa 300.000 waren. Zwar gibt es insgesamt immer weniger Bauernhöfe - dafür gibt es heute aber mehr Großbetriebe.
Wie ist die wirtschaftliche Lage der Bauern aktuell?
Grafik links: Anzahl der Landwirtschaftbetriebe und BauernhöfeIn den vergangenen zwei Jahren konnten deutsche Landwirte insgesamt Gewinne auf Rekordniveau erzielen. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf 115.400 Euro - so viel wie nie zuvor und ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Der Bauernprotest habe eine Grundstimmung der Zukunftsangst in der Bevölkerung getroffen, so der Soziologe Rolf Heinze im "Kulturzeit"-Gespräch. (siehe dazu das sehenswerte Video hier)
Einer der Gründe: Der Krieg in der Ukraine und die dadurch verursachten "erheblichen Preisturbulenzen", wie es in der Regionalstatistik des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen heißt. Dass es mit den Rekordgewinnen so weitergeht, ist natürlich keineswegs sicher - angesichts der widrigen Situation auf dem Weltmarkt mit volatilen Preisen oder der Gefahr von Missernten.
Welche Subventionen erhalten Bauern?
Zuschüsse, Prämien, Vergünstigungen, Ausgleichszahlungen - die Liste der Gelder für die Landwirtschaft ist lang. Allein von der EU gibt es rund 6 Milliarden Euro für deutsche Landwirte, vom Bund kommen noch mal 2,4 Milliarden Euro im Jahr dazu. "Die öffentlichen Subventionen machen insgesamt etwa 40 Prozent der Gewinne in der Branche aus", erklärt Rolf Heinze, Seniorprofessor für Soziologie an der Ruhr-Universität in Bochum.Wie fallen die Dieselsubventionen ins Gewicht?
Die Gelder aus dem Topf für Agrardieselsubventionen fallen nur vergleichsweise gering ins Gewicht: Laut Agrarbericht des Landwirtschaftsministeriums erhielt jeder Betrieb im Wirtschaftsjahr 2020/2021 im Schnitt rund 3.000 Euro pro Jahr an Agrardieselsubventionen. Im selben Zeitraum lag der Gewinn pro Hof im Schnitt bei etwa 56.000 Euro. In den darauffolgenden Jahren kamen die massiven Gewinnsteigerungen.
Grafik: Direktzahlungen und Zuschüsse an landwirtschaftliche BetriebeWen würden die Subventionsstreichungen am härtesten treffen?
Kleineren Öko-Höfen, die vergleichsweise weniger Gewinne abwerfen, könnten die gestrichenen Dieselsubventionen vielleicht auch sehr weh tun, gibt Heinze zu bedenken. "Aber auf den Demos sieht man vor allem viele Landwirte von Großbetrieben, mit ihren riesigen Schleppern. Gerade bei den Großbetrieben, die konventionellen Ackerbau betreiben oder bei den Milchbetrieben, sind die Gewinne stark angestiegen. Denen droht definitiv kein Konkurs, wie sie das behaupten. Das wird stark überdramatisiert!"
Dass Bauern Sicherheit fordern, sei zwar menschlich verständlich, so Heinze. "Aber wenn ich mit Beschäftigten aus anderen Bereichen spreche, beispielsweise aus der Automobilbranche - Sicherheit wird auch woanders gesucht." Der Strukturwandel treffe auch viele andere Berufsgruppen. "Die Forderung der Bauern ist eher eine traditionelle Forderung nach Beibehaltung der Subventionen. Damit wird man aber den neuen Herausforderungen an die Landwirtschaft - etwa hinsichtlich des Klimaschutzes - nicht gerecht."
Wo liegen Ungerechtigkeiten im System?
"Die deutsche Agrarpolitik wurde immer maßgeblich von Großbetrieben bestimmt - die auch maßgeblich vom System der Subventionen profitieren", erklärt Heinze. "Es ist zum Beispiel ungerecht und auch nicht zukunftsfähig, dass Subventionen an die landwirtschaftliche Fläche gekoppelt sind. Stattdessen müssten sie eher an tatsächliche Leistungen gebunden sein - etwa an die ökologischen Leistungen."
Eine Forderung, der sich auch Landwirte anschließen. "Die Bundesregierung muss endlich die Ursache des Frusts an der Wurzel packen", heißt es beispielsweise von der Bauernvereinigung Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Auch sie tritt zwar dafür ein, die geplante Kürzung der Dieselrückvergütung zu streichen oder diese mindestens nach sozialen und agrarstrukturellen Kriterien zu staffeln. Die Ursache der aktuellen Proteste liege aber in einer verfehlten Agrarpolitik, heißt es von der AbL. Sie fordert unter anderem, kleinere und mittlere Betriebe zu stärken und Höfe für Umweltschutz zu entlohnen.
hier Berliner Morgenpost 09.01.2024,Dominik Bath
Wie viel verdienen Bauern? So hoch ist Verdienst wirklich
Deutsche Landwirte protestieren gegen Sparpläne der Bundesregierung. Aber geht es den Bauern wirklich schlecht? Das sagen die Zahlen.
Viele Bauern gehen diese Woche aus Frust über die Pläne der Ampel-Regierung auf die Straßen. Deutschlands Landwirten sollen einige Vergünstigungen gestrichen werden. Doch wie viel verdienen Bauern eigentlich?
Die Wut von Deutschlands Bauern ist ungebrochen. Pläne der Bundesregierung, Vergünstigungen bei Agrardiesel und Kfz-Steuern zu streichen, sorgen seit Wochen bei Tausenden Landwirten für Frust. Am Donnerstag verkündete Nachbesserungen seitens des Bundes hält Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied für unzureichend.
Seit diesem Montag wurde Protest nun wieder verstärkt. Die Landwirte wollen mit einer Aktionswoche auf ihre Lage aufmerksam machen. Sie soll am 15. Januar in einer Großdemonstration in Berlin gipfeln. Was genau an den einzelnen Tage passieren wird, ist bisher im Detail offen. Wie lange die Bauern streiken wollen und weitere Fragen klären wir in diesem Artikel.
Mehr zum Haushalt 2024: Bauernproteste entfachen neuen Streit – Ampel wankt wieder
Den ursprünglichen Plänen der Ampel-Koalition zufolge wären durch die Streichung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel gut 440 Millionen Euro eingespart werden, weitere 485 Millionen Euro wären frei geworden, ließe man die Befreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer entfallen. Doch nun heißt es: Die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft wird es nicht geben. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel werde zudem nicht in einem Schritt vollzogen.
Bei der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll eine schrittweise Reduzierung erfolgen, um den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Anpassung zu geben. Im Jahr 2024 erfolgt laut Bundesregierung eine Reduzierung des Entlastungssatzes um 40 Prozent. In den Jahren 2025 und 2026 werde jeweils eine weitere Reduzierung um 30 Prozent erfolgen, so dass für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen keine Subvention mehr erfolge. Die Rück-Vergütung der im Jahr 2023 verbrauchten Mengen im Jahr 2024 bleibe unverändert.
Bauern-Proteste: Wie viel Geld die Sparpläne einzelne Höfe kosten würde
Zur Frage, welche Lücken das Aus der staatlichen Hilfen in die Kassen einzelner Betriebe gerissen hätte, existierten zuletzt nur Schätzungen: „Die Streichung der Agrardieselerstattung würde für einen durchschnittlichen 100 Hektar großen Betrieb Mehrkosten zwischen 2300 Euro pro Jahr (spezialisierter Ackerbaubetrieb) und 3900 Euro pro Jahr (spezialisierter Milchviehbetrieb) bedeuten“, sagte der Agrar-Professor Thomas Herzfeld vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien in Halle an der Saale dieser Redaktion.
Berechnungen des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums bewegen sich in ähnlicher Größenordnung. Demnach hätte dort ein durchschnittlicher Haupterwerbsbetrieb zuletzt eine Agrardieselrückerstattung von etwa 3.500 Euro bekommen. Warnende Worte kamen diesbezüglich bereits im Dezember von Landwirt Peter Schuchmann, der in der Altmark in Sachsen-Anhalt einen Milchviehbetrieb mit 230 Kühen führt. Er hatte geschätzt, dass sich die jährliche Erstattung für seinen Hof auf gut 11.000 Euro belaufe.
Bauern in Deutschland verdienten zuletzt wieder deutlich mehr Geld
Trotz der teils bereits zurückgenommenen Maßnahmen sind die Bauern unzufrieden – das bekam vor allem Minister Robert Habeck zu spüren. Dabei geht es den Landwirten so gut wie seit Jahren nicht mehr. Erst Anfang Dezember hatte der Bauernverband neue Zahlen veröffentlicht, wonach sich die Ergebnisse im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 deutlich verbessert haben. „Im Durchschnitt lag das Unternehmensergebnis der Haupterwerbsbetriebe bei 115.400 Euro je Betrieb“, so die Interessenvertreter. Ein Jahr zuvor hatte der durchschnittliche Ertrag noch bei 79.432 Euro gelegen. Somit ist es den Bauern trotz externer Krisen wie Inflation, höheren Energiekosten und Lieferkettenproblematiken gelungen, den eigenen Gewinn innerhalb eines Jahres um 45 Prozent zu steigern.
Spitzenverdiener unter den Bauern waren die Milchviehbetriebe, die einen Überschuss von durchschnittlich 143.320 Euro erwirtschafteten. Ackerbaubetriebe kamen auf ein Betriebsergebnis von 119.550 Euro im Durchschnitt, bei Öko-Betrieben blieben durchschnittlich noch 100.569 Euro hängen. Im Nebenerwerb lag der durchschnittliche Gewinn im Wirtschaftsjahr 2022/23 bei 18.300 Euro. Das waren rund 2.000 Euro oder 12 Prozent mehr als im Vorjahr.
Bauern in Deutschland: Wovor der Verbandspräsident warnte
Verbandspräsident Rukwied wies aber auch auf die längere Durststrecke hin, die hinter vielen Landwirten liegen würde. Von den Erträgen müssten sie zudem auch Investitionen finanzieren. Dahingehend mache ihm die Entwicklung Sorge. Betriebe hätten trotz der „erheblich verbesserten wirtschaftlichen Lage deutlich weniger investiert“. Und: Erzeugerpreise seien bereits seit dem Jahreswechsel 2022/23 bei wichtigen pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen „wieder im Sinkflug“. Schon bei der Veröffentlichung der Zahlen mahnte der Bauernpräsident, dass die Haushaltskrise auf keinen Fall zu zusätzlichen Sparmaßnahmen im Agrarsektor führen dürfe.
Denn tatsächlich sind viele Landwirte auf Staatsgelder angewiesen, die aus der Europäischen Union und aus dem Bundeshaushalt fließen. „Zulagen und Zuschüsse können einen Anteil an den betrieblichen Erträgen zwischen 4 und 40 Prozent je nach Betriebsausrichtung umfassen“, erklärte Agrar-Professor Herzfeld. Die jetzt in der Diskussion befindliche Agrardieselerstattung nehme dabei aber nur „einen sehr kleinen Anteil ein“. „Die Direktzahlungen der EU sind vom Umfang viel größer“, sagte Herzfeld. 2022 waren gut 6,382 Milliarden Euro EU-Mittel nach Deutschland geflossen. Die Auszahlung der Agrarsubventionen für 2023 erfolgte in den Bundesländern erst um Weihnachten herum.
Bauern und Subventionen: Würde es auch ohne Staatsunterstützung gehen?
Deutsche Landwirte lägen, was die durchschnittlichen EU-Direktzahlungen pro Hektar angehe, „im oberen Mittelfeld“, so der Wissenschaftler. Für Agrardiesel seien die Steuererleichterungen in anderen Ländern höher (zum Beispiel in Frankreich, Estland, Lettland). „Dagegen wurden die Erstattungen in Österreich, den Niederlanden, Spanien und Griechenland abgeschafft oder stark reduziert“, sagte Herzfeld, der glaubt, dass es Höfe durchaus auch ohne Subventionen schaffen würden. „Viele landwirtschaftliche Betriebe können auch ohne die Direktzahlungen wirtschaften. Einige würden aufgeben müssen. Aber eine grundsätzliche Reform der Agrarpolitik geht nur in der EU als Ganzes“, erklärte er.
Schon zuletzt gab es aber einen Trend zu Großbetrieben. Vor allem kleine Bauernhöfe unter 100 Hektar Fläche gaben auf. Insgesamt gibt es derzeit 258.700 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, etwa 40.000 Höfe weniger als noch 2010. Schon Mitte des Jahres hatten Landwirte allerdings Subventionskürzungen hinnehmen müssen. Im Zuge der Haushaltsverhandlungen wurden Agrarstrukturmittel in Höhe von 293 Millionen Euro für 2024 gestrichen.
Agrardiesel: Welche Prognose ein Wirtschaftsexperte abgibt
Wissenschaftler Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hält nicht nur deswegen die neuerlichen Einsparvorhaben bei den Bauern für unklug. „Die Bundesregierung scheint nicht verstehen zu wollen, dass soziale Akzeptanz und Glaubwürdigkeit ihrer Politik essenziell für dessen Erfolg sind“, sagte Fratzscher dieser Redaktion. Man könne niemandem vermitteln, wieso nur Landwirte ohne Vorwarnung und ohne Kompensation stärker belastet würden. „Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung diese Maßnahme gegenüber den Landwirten zurücknehmen oder stark revidieren wird“, machte Fratzscher bereits im Dezember Hoffnung.
Auch beim Sozialverband Deutschland (SoVD) hatte man die Hoffnung, dass die Ampel-Koalition ihre Pläne doch noch überdenkt. Das wäre auch im Sinne der Verbraucher, sagte dessen Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier dieser Redaktion: „Es steht zu befürchten, dass die Kürzungen bei den Bauern zu steigenden Preisen für Lebensmittel führen, die an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergereicht werden. Und das bei ohnehin extrem gestiegenen Preisen nach zwei Jahren hoher Inflation.“
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