Freitag, 11. Juni 2021

Klimafreitag vom 11.6.2

 Aktivisten protestieren am ersten Tag des G7-Gipfels am Strand von St Ives in Cornwall. 


wenn ich von meinem Schreibtisch im Büro aufblicke, dann schaue ich auf eine Wand blauer Aktenordner. Tatsächlich habe ich viele Jahre lang alle möglichen Dinge abgeheftet, in dem Versuch, irgendwie Ordnung zu halten. Die meisten dieser Ordner habe ich schon lange nicht mehr aufgeschlagen.

Heute habe ich aber einen herausgezogen, auf seinem Rücken steht "G7/G8 - Klima". Es ist erstaunlich, was man in alten Gipfeldokumenten so zutage fördert - etwa die Entwicklung der Klimapolitik zwischen den sieben alten Industrienationen (oder, als Russland noch dabei war, den G8). Im schottischen Gleneagles etwa, 2005, galten fossile Energien noch als unverzichtbar, bei allen Bemühungen um mehr Klimaschutz.
Als Großbritannien 2013 wieder Gastgeber war, da wollte der Club immerhin schon "seinen Teil beitragen", um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Schließlich sei die eine "der größten Herausforderungen für unser künftiges Wirtschaftswachstum und Wohlbefinden".

An diesem Wochenende ist Großbritannien abermals Gastgeber eines G-7-Gipfels, aber die Lage ist eine ganz andere. Alle Sieben haben sich mittlerweile verpflichtet, bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden, Deutschland neuerdings sogar bis 2045.
Mit großen, aber erstmal folgenlosen Bekenntnissen muss sich dieser Club, der ja im Grunde ein Verein der Verursacher ist, also diesmal nicht weiter aufhalten. Spannender wird die Frage, was sie sofort tun.

Die meisten von uns denken da gleich an irgendwelche Sofortpläne, die rasch Emissionen senken sollen. Aus Sicht vieler Entwicklungsländer sieht die Sache anders aus. Für sie ist nicht wichtig, wie viele neue Windräder in Deutschland gebaut werden, und wie die USA oder Japan eine Wasserstoffwirtschaft aufziehen. Denn sie sollen auf all jene Technologien verzichten, mit denen die Sieben erst groß wurden. Sie sollen Milliarden in grüne Infrastrukturen investieren. Sie sollen auf Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Ressourcen, von Kohle, Öl und Gas, verzichten. Dabei erwarten sie, völlig zu Recht, finanzielle Hilfe. Oder, einfacher: Solidarität.

Solidarität ist der Kitt des internationalen Klimaschutzes. Sie lässt sich, anders als Klimaversprechen für eine ferne Zukunft, unmittelbar zählen, in Euro, Dollar und Cent. Deshalb ist auch schon jetzt klar, dass die bisherigen Zusagen verfehlt worden sind: Bis 2020 hatten die reichen Staaten versprochen, jährlich 100 Milliarden Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen aufzubringen. 80 Prozent davon müssten von den G7 kommen. Selbst bei großzügiger Zählung sind diese Milliarden nie zusammengekommen. In Sachen Solidarität sind die Sieben bisher nicht besonders stark.

Beim Klima ist das in doppelter Hinsicht fatal: Einmal, weil in ärmeren Ländern ohne solche Hilfen fossile Energie die treibende Kraft bleiben wird. Und zum anderen, weil damit Vertrauen erodiert: Was ist schon von all den Zusagen für Klimaschutz in ferner Zukunft zu halten, wenn selbst die Versprechen für die Gegenwart nichts wert sind? Auf dieses Vertrauen aber baut die globale Klimapolitik, bauen die gemeinsamen Anstrengungen in Nord und Süd.

Wir werden den Gipfel im britischen Cornwall sehr genau für Sie verfolgen, und auch, was aus den Zusagen am Ende wird. Der blaue Ordner bleibt erst einmal aufgeschlagen auf meinem Schreibtisch liegen - als mahnende Erinnerung an all die wortreichen Erklärungen, aus denen am Ende nichts wurde.


Michael Bauchmüller

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