Es gibt auch zahlreiche nachvollziehbare Argumente dafür, das sieht man in mehreren Artikeln unten. Es herrscht die Meinung vor: die Bundesregierung hat einen klugen Kompromiss gefunden, warum wird jetzt noch gestreikt?
Im Endeffekt bleibt doch ein maues Gefühl zurück: was hat das Landwirtschaftsministerium versäumt?
Es heißt: "Bisher war das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir nicht richtig klar in dem, wie man die Landwirte wirklich mitnimmt bei einer Transformation. Wenn ich Ziele in der Landwirtschaftspolitik verfolge, da muss ich das anders kommunizieren. Da würde ich sehr dringend raten: Wenn man die Akzeptanz erhöhen will, dann sollte man wirklich für die zweite Hälfte der Legislatur noch mal einen Plan vorlegen. Was wollen wir wirklich machen? Was sind die Zukunftsprojekte? Und wie finanzieren wir diese? Das wäre die Aufgabe der Bundesregierung, das besser zu kommunizieren und die Landwirtinnen und Landwirte mitzunehmen auf diesem Weg."
RND hier 06.01.2024
Umweltökonom: „Begründung nicht mehr da“
Martin Quaas ist Professor für Bioökonomie an der Universität Leipzig und Leiter einer Forschungsgruppe am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).
Nach ersten Protesten der Landwirte will die Bundesregierung die Subventionierung von Agrardiesel nur schrittweise abschaffen. Der Leipziger Professor Martin Quaas hält eine komplette Streichung für geboten. Wie lautet seine Argumentation?
Am kommenden Montag wollen Landwirte und Landwirtinnen erneut bundesweit gegen die geplante Kürzung von Subventionen für Agrardiesel und gegen eine Kfz‑Steuer in der Landwirtschaft demonstrieren. Die Universität Leipzig veröffentlichte am Freitag eine Stellungnahme von Prof. Martin Quaas vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) dazu. Quaas hält dagegen: Die Abschaffung der Subventionen sei richtig, weil sie umweltschädliches Verhalten förderten.
Durch den Druck, im Bundeshaushalt sparen zu müssen, ist aus seiner Sicht endlich Bewegung in die Streichung umweltschädlicher staatlicher Beihilfen gekommen. „Insbesondere die Abschaffung der Agrardieselsubvention ist überfällig“, so Quaas, der als Umweltökonom an der Wirtschaftsfakultät der Universität Leipzig auch zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen forscht.
„Wenn der Staat eine Subvention zahlt, muss er das überzeugend begründen. Für die Subvention des Dieselverbrauchs in der Landwirtschaft ist eine solche Begründung nicht mehr da“, so der Leipziger Wissenschaftler. Die Subvention fördere umweltschädliches Verhalten. „Deshalb ist es auch wirtschaftspolitisch geboten, sie zu streichen“, ist er überzeugt.
Quaas: Bundesregierung hat klugen Kompromiss gefunden
Mittlerweile hat die Bundesregierung auf die Proteste reagiert und die Streichung der Agrardieselsubvention entschärft. Bis 2026 soll eine schrittweise Kürzung erfolgen, um den betroffenen Betrieben mehr Zeit zur Anpassung zu geben. Auf die Streichung der Kfz‑Steuer-Begünstigung für Fahrzeuge in der Forst- und Landwirtschaft wird komplett verzichtet.
Ampel macht Teilrückzieher bei Kürzungen für Landwirte – Bauernverband will Protest nicht stoppen
Dass viele Landwirte dennoch protestieren, wundere ihn nicht. Schließlich hätten sie ein unmittelbares Interesse daran, ihren Sonderstatus bei Diesel und Co zu erhalten. Die Entscheidung der Bundesregierung, einzulenken, hält er trotzdem auch für richtig: „Mit ihrem Einlenken hat die Bundesregierung bei den Subventionen für Agrardiesel einen klugen Kompromiss gefunden. Denn sie bietet eine Übergangsfrist an und hält zugleich an dem gesamtwirtschaftlich sinnvollen Ziel fest, die Subventionen zu streichen.“
Denn es sei wichtig, die Subventionen abzubauen: „Für klimaschädliches Verhalten sollten die Verursacher bezahlen und eben nicht dafür belohnt werden“, ist Quaas überzeugt. Landwirtinnen und Landwirte könnte man auch auf andere Weise entlasten. Für den Leipziger Umweltökonomen ist es zudem vorstellbar, dass Landwirte und Landwirtinnen, die durch eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung ein intaktes Ökosystem fördern, auch dafür von der Bundesregierung bezahlt werden.
Dieser Text erschien erstmals in der „Leipziger Volkszeitung“
NDR hier 06.01.2024
Agrarökonom Lakner: Die geplanten Kürzungen sind hauptsächlich finanzpolitisch begründet.
"Subventionierung des Agrardiesels hat keine Zukunft"
Landwirtinnen und Landwirte wollen vom 8. Januar an gegen geplante Kürzungen demonstrieren - auch mit Blockaden. Im Interview: Agrarökonom Sebastian Lakner zu der Frage, wie hart die Kürzungen die Landwirtschaft treffen und wie Subventionen in Zukunft eingesetzt werden sollten.
Beim Bemühen, sich auf einen gemeinsamen Haushalt zu einigen, hat die Ampel-Regierung die Streichung von Subventionen in der Forst- und Landwirtschaft teilweise wieder zurückgenommen. Dem Deutschen Bauernverband reicht das nicht. Die Landwirte fordern, die geplanten Kürzungen ganz zurückzunehmen. Und sie halten an ihrem Plan fest, die ganze nächste Woche deutschlandweit zu demonstrieren. Wie berechtigt sind diese Proteste? Wie schwer treffen die geplanten Subventionskürzungen die Landwirte überhaupt? Fragen dazu hat Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock, im Interview auf NDR Info beantwortet.
Nach der Blockade von Wirtschaftsminister Habecks Fähre in Schleswig-Holstein ist die Sorge gewachsen, dass die Proteste mancherorts auch aus dem Ruder laufen können. Wenn wir jetzt auf die kommende Woche schauen, halten Sie die Proteste für angemessen?
Sebastian Lakner: Ob diese Proteste angemessen sind oder nicht, das ist ja eine politische Frage. Und das kann ich ja erst mal als Wissenschaftler so nicht beurteilen. Man muss vielleicht erst mal versuchen zu verstehen, woher kommt der Ärger? Sie haben die Kürzungen schon angesprochen: Die Ampel musste im Dezember sehr, sehr kurzfristig 17 Milliarden Euro im Haushalt kürzen und hat dann wahrscheinlich einfach geguckt - dabei waren der Agrardiesel und der Verzicht auf die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge natürlich Posten in einer Kürzungsrunde. Es geht um etwa 450 beziehungsweise 480 Millionen Euro, also in der Summe schon mal eine Milliarde Euro. Der Punkt war: Das Ganze war hauptsächlich finanzpolitisch begründet. Es gab dahinter kein agrarpolitisches Konzept. Und das hat bei vielen Landwirten für Verärgerung gesorgt, weil sie so das Gefühl hatten "Bei uns wird jetzt hier ganz viel gekürzt. Aber an andere Bereiche will man dann trotzdem nicht ran."
Nun sind ja einige Kürzungen wieder zurückgenommen worden. Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger sagt, er habe Verständnis für die Wut der Landwirte. Er argumentiert, dass die Politik der Ampelkoalition existenzgefährdend sei für die Landwirte und dass die angekündigten Einschnitte sie mit Tausenden Euro mehr belastet würden. Stimmt das? Ist das in der Größenordnung existenzgefährdend?
Lakner: Den Punkt "Existenzgefährdung" können wir ja mal versuchen einzuordnen. Im Agrarbericht des Landwirtschaftsministeriums gibt es dazu Zahlen: Ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher Betrieb bekommt im Jahr etwa 2.900 Euro mithilfe dieser Agrardiesel-Erstattung zurück. Das sind im Durchschnitt etwa vier bis fünf Prozent der Betriebsgewinne - und das ist nur ein kleiner Teil der Subventionen. Die viel wichtigeren Subventionen sind die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, die etwa 25.000 Euro im Jahr bedeuten. Also insofern sehe ich da keine Existenzgefährdung.
Das ist hart, das ist merkbar, wenn mir am Ende des Jahres 3.000 Euro fehlen. Aber Wut ist an der Stelle, glaube ich, auch nicht der richtige Berater. Wir müssten da noch mal anders drüber nachdenken und überlegen, was ist zukunftsweisend an den landwirtschaftlichen Subventionen?
Ihr Kollege, der Agrarwissenschaftler Stephan von Cramon-Taubadel an der Uni Göttingen, sagt, Subventionen für Agrardiesel seien einfach nicht mehr zeitgemäß. Wenn man den landwirtschaftlichen Betrieben helfen wolle, dann müsse man andere, gezieltere Wege finden. Was meinen Sie?
Lakner: Ja, dem kann ich mich nur anschließen. Das ist genau die richtige Grundfrage, die hier gestellt wird. Welche Ziele wollen wir bei der Subventionierung der Landwirtschaft aus gesellschaftlicher Sicht erreichen? Was ist der gesellschaftliche Mehrwert, wenn wir Steuermittel für Subventionen verwenden? Und wie machen wir auch die Betriebe fit für die Zukunft? Wir haben den Klimawandel, die Biodiversität geht zurück, die Gesellschaft will mehr Tierwohl und Moorvernässung. Aber die Betriebe müssen auch in Zukunft am Weltmarkt bestehen. All das muss man unter einen Hut kriegen. Und die Frage ist jetzt: Was sind die wichtigen Projekte? Wohin soll das Geld fließen? Ist es der zum Beispiel der Umbau der Tierhaltung? Der Schutz der Biodiversität? Oder wollen wir weiterhin Agrardiesel fördern? Und da glaube ich, hat letzteres wenig Zukunft.
Bisher war das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir nicht richtig klar in dem, wie man die Landwirte wirklich mitnimmt bei einer Transformation. Wenn ich Ziele in der Landwirtschaftspolitik verfolge, da muss ich das anders kommunizieren. Da würde ich sehr dringend raten: Wenn man die Akzeptanz erhöhen will, dann sollte man wirklich für die zweite Hälfte der Legislatur noch mal einen Plan vorlegen. Was wollen wir wirklich machen? Was sind die Zukunftsprojekte? Und wie finanzieren wir diese? Das wäre die Aufgabe der Bundesregierung, das besser zu kommunizieren und die Landwirtinnen und Landwirte mitzunehmen auf diesem Weg.
Umgekehrt muss der Bauernverband wirklich gucken bei den - in einer Demokratie legitimen und wichtigen - Protesten nächste Woche, wie ich diese Sorgen, diesen Zorn vortrage. Wie halte ich Extremisten raus? Darauf müssen Bauernverband und die Organisatorinnen und Organisatoren der Demos sehr genau gucken. Und wie kriegt man die eigenen Forderungen so vorgetragen, dass eben die Bevölkerung auch zuhört und Verständnis empfindet? Das ist keine leichte Aufgabe.
Das Interview führte Ulrike Heckmann, NDR Info
Zeit hier Ein Kommentar von Ruth Fend 18. Dezember 2023
Agrardiesel: So viel Hupen muss man aushalten
Die Agrarsubventionen sind der schlechteste Grund, den Haushaltskompromiss aufzukündigen. Sie schaden dem Klima und kommen vor allem gut organisierten Großbauern zugute.
Man sollte meinen, inmitten einer schweren Haushaltskrise freue Christian Lindner sich über jedes Opfer, zu dem ein Koalitionspartner bereit ist. Doch ausgerechnet der FDP-Finanzminister rüttelt an dem über Wochen mühselig ausverhandelten Kompromiss. Nicht etwa, weil zu wenig gespart würde, sondern zu viel – nämlich bei den Landwirten. Sie sind für Lindner die Falschen.
Selbst wenn man nicht Fan dieses ohnehin schon fragilen Kompromisses ist: Ihn wieder infrage zu stellen, nur weil eine gut organisierte Interessengruppe mit schweren Traktoren vors Brandenburger Tor fährt, ist in etwa so konsequent, wie zur ersten Eisdiele zu rennen, sobald das schwierige Kind heult. Und unfair gegenüber dem stilleren Kind ist es allemal.
Im Vorfeld hat die Ampelregierung zu Recht immer wieder betont, dass in dieser Haushaltskrise jeder seinen Beitrag leisten müsse. Jedenfalls wenn man die Schuldenbremse nicht reformieren will, und dazu konnte sich die FDP nicht durchringen. Wie will man aber Kürzungen beim Bürgergeld oder bei der Förderung von Gebäudeeffizienz rechtfertigen, wenn man sich von der ersten Traktorenkolonne überrollen lässt? Zumal man sonst nicht davor zurückschreckt, Stauverursacher als vaterlandslose Gesellen zu beschimpfen, jedenfalls solange dabei kein Trecker, sondern Sekundenkleber im Einsatz ist.
Es bleiben viele Milliarden an Subventionen
Natürlich tun die Landwirte nun alles, um sich als die Schwächsten der Gesellschaft zu inszenieren, auf deren Rücken der Staat sich nun sanieren will. Das ist ihr gutes Recht, nur sollte man nicht darauf hereinfallen. Die Landwirte gehören schon jetzt zu den am stärksten subventionierten Berufsgruppen überhaupt. Ein Drittel des gesamten EU-Haushalts, mehr als 55 Milliarden Euro, fließt in die Landwirtschaft.
Das bayerische Agrarministerium hat berechnet, dass sich die Kürzungen für die Landwirtinnen auf rund 900 Millionen Euro im Jahr summieren würden. Das seien mehr als zehn Prozent der 8,4 Milliarden Euro, mit denen der Staat die Branche im Jahr vergangenen Jahr gefördert habe. Anders gesagt: Es bleiben eben noch immer 7,5 Milliarden Euro an Subvention übrig.
Wie passt das zu dem Höfesterben, das auch Agrarminister Cem Özdemir nun heraufbeschwört, sollten Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung fallen? Tatsächlich haben viele kleine und mittlere Höfe in den vergangenen Jahren aufgegeben, und weitere dürften folgen. Das liegt aber weniger an zu teurem Diesel als an einer verfehlten europäischen Agrarpolitik: Noch immer gilt dort die Logik: Die meisten Fördermittel fließen in die größten Flächen, in Deutschland sind das allen voran Großbetriebe in Niedersachsen und Bayern.
Ein Herz für Gutverdienende
In der Traktorenkolonne sitzen also eher nicht kleine, arme Bauern am Steuer. Landwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe in Niedersachsen etwa hatten zuletzt im Schnitt einen Jahresgewinn von mehr als 105.000 Euro. Man will es kaum sagen, weil es so klischeehaft klingt – aber damit fallen sie natürlich auch schon wieder eher ins Beuteschema der FDP. Was das plötzliche große Herz für die Landwirte erklären könnte.
Es ist im Übrigen auch nicht die komplette Landwirtschaft von einem Aus des Agrardiesels betroffen: Von den rund 256.000 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland haben bisher nur 155.000 einen Antrag auf die Beihilfe gestellt: Die belief sich im Schnitt auf 2.780 Euro im Jahr – kein Betrag, der die Landwirte reihenweise in die Insolvenz treiben wird. Zweifellos wird die Landwirtschaft auch in Zukunft viel Steuergeld benötigen.
Die Klimakrise, zu der gerade die Massentierhaltung stark beiträgt, trifft sie schon heute hart. Die Bäuerinnen und Bauern brauchen Hilfen, um sich an veränderte Anbaubedingungen anzupassen und den CO₂-Ausstoß ihrer Höfe zu reduzieren. Sie werden auch in der nächsten Dürreperiode nach dem Staat rufen, um Ernteausfälle auszugleichen.
Der Abbau der klimaschädlichen Agrarsubventionen hilft dem Klima
Noch mehr als auf anderen Gebieten gilt deshalb für die Landwirtschaft, dass die Politik Prioritäten setzen muss. Dass die Koalition sich zunächst dazu entschieden hat, zumindest hier nicht auch noch klimaschädlichen Diesel weiter zu fördern, gehörte zu den wenigen klimapolitischen Stärken der Haushaltseinigung. Es ist enttäuschend, dass ausgerechnet ein grüner Agrarminister sie nur wenige Stunden nach der Einigung infrage stellt.
Experten schlagen schon seit Langem vor, landwirtschaftliche Subventionen an Nachhaltigkeitskriterien zu koppeln statt an die Größe der Betriebe. Dafür sollte sich die Bundesregierung künftig in Brüssel einsetzen. Natürlich wäre es leichter, wenn sie selbst nun als Ausgleich mehr Geld für die ökologische Transformation der Landwirtschaft bereitstellen könnte. Aber wenn die Ampel es noch bis zur nächsten Wahl 2025 schaffen will, dann muss sie sich in die Lage versetzen, auch mal ohne finanzielle Trostpflaster auszukommen. Schafft sie es jetzt im Agrarbereich nicht, sieht es für die kommenden Monate schlimm aus. Dann werden nicht nur Landwirte durch Berlin ziehen, sondern alle anderen Interessengruppen auch. Stabiler wird diese Regierung dadurch nicht werden.
hier Tagesspiegel Artikel von Albert Funk • 7.1.24
Bundesweite Bauernproteste: Macht mal halblang!
Die Landwirte nutzen ihr Demonstrationsrecht. Aber nach der Entscheidung der Ampelkoalition, die Subventionskürzungen großteils zurückzunehmen, wirkt der Protest überspannt
Es gibt reiche Bauern, es gibt arme Bauern. Das war schon immer so. Eine sonderlich homogene Branche ist auch die Landwirtschaft nicht, selbst wenn der Protest, der nun von diesem Montag an über die Republik schwappt, den gegenteiligen Eindruck erwecken soll. Der Deutsche Bauernverband, der jetzt die Trecker rollen lässt, ist zwar die weitaus größte und mächtigste Interessenvertretung in der Landwirtschaft – aber nicht die einzige.
Und vielleicht auch nicht die am klügsten beratene. Denn es wirkt spätestens seit der Entscheidung der Ampelspitzen, die angekündigten Belastungen bei Kfz-Steuer und Agrardiesel zum größeren Teil doch nicht umzusetzen, schon reichlich überspannt, was die Bauernlobby bundesweit inszeniert.
Der Blick richtet sich da nicht zuletzt auf den Bauernpräsidenten Joachim Rukwied. Der hat vor drei Wochen einen „heißen Januar“ angekündigt für den Fall, dass die Regierung ihre Pläne nicht ersatzlos streicht, und hinzugefügt, dass die Bauern von diesem Montag an überall präsent sein würden – „in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat“.
Rukwieds Drohung
Wer den Mund so voll nimmt und eine solche Drohung ausspricht, der setzt sich selbst erheblich unter Erfolgsdruck. Rukwied muss nun schauen, wie er die Situation wieder in den Griff bekommt. Dass am Wochenende selbst die Spitzen von CDU und CSU die protestierenden Landwirte zur Mäßigung aufriefen, galt ja nicht allein der Form des Widerstands. Es ist auch die Maßlosigkeit der ultimativen Forderung, die erschreckt.
Wer so vorgeht, dem steht entweder das Wasser bis zum Kinn – oder er übertreibt. Letzteres anzunehmen, liegt nahe. Und damit riskiert der Bauernverband, was er fürchten sollte: Unverständnis in der breiten Öffentlichkeit. Zumal dann, wenn noch ein Aufruf zur Distanzierung von rechten Umtrieben während der Proteste hinzugefügt werden muss.
Es gibt zweifellos Betriebe in der Landwirtschaft, denen die Einschnitte zu schaffen machen werden. Und man kann auch verstehen, dass in einer schwierigen Branche der Unmut über eine Regierung gewachsen ist, die man als feindliche Organisation empfindet.
Überschaubare Einbußen
Aber so groß ist die Zumutung dann doch nicht. Nach der Rechnung eines Agrarökonomen, den die „FAZ“ am Wochenende zitierte, bedeuten die Ampel-Maßnahmen einen Einschnitt von fünf Prozent bei den Subventionen und von zwei bis drei Prozent beim Gewinn. Betriebe in Schwierigkeiten haben dann ein Problem. Aber für den Großteil der Landwirtschaft gilt das nicht.
Sie ist nach einem jahrzehntelangen, vielerorts zweifellos schmerzhaften Strukturwandel eine durchaus potente Branche, die zudem einiges mehr an Beihilfen, Zuschüssen und Kreditvergünstigungen bekommt als andere Sektoren im Mittelstand. Es rumpeln ab Montag auch keine alten Traktoren zu den Orten des Protests, sondern es rollen geschwinde Hightech-Fahrzeuge, die teuer in der Anschaffung sind. Wer da seiner Bank eine wacklige Bilanz vorlegt, bekommt keinen Kredit.
Was sich allerdings auch zeigt, ist eine Entfremdung zwischen einem Teil der Politik und der Landwirtschaft. Denn robust sind ja nicht nur die Proteste, robust war auch das Vorgehen der Ampelspitzen. Seit Horst Seehofer 2005 das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers übernahm, hat die Union die Agrarpolitik quasi allein übernommen.
Die SPD hat zu diesem Politikfeld erkennbar keinen Zugang mehr, die Wirtschaftspartei FDP hat ihren vergessen – und die Grünen unterscheiden in der ihnen eigenen Art sehr stark zwischen Freund und Feind auf dem Land, je nach Produktionsweise.
Die breite Mitte schaut derweil ein wenig verständnislos auf das konfrontative Treiben, zumal es Rechtsradikalen Gelegenheit gibt, sich einzumischen. Die Regierenden haben die Sache ebenso verstolpert wie der unglücklich agierende Chef des Bauernverbandes. Man möchte ihnen zurufen: Macht mal halblang. Die Ampel, muss man sagen, hat das getan. Jetzt wären die Landwirte an der Reihe.
NDR hier Stand: 26.12.2023
Umweltbundesamt verteidigt Streichung der Agrardiesel-Subventionen
Das Umweltbundesamt hält die geplante Streichung der Diesel-Subventionen für Landwirte für richtig - und widerspricht damit auch der Auffassung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns.
Das Umweltbundesamt hält es für richtig, dass Bauern künftig beim Diesel nicht mehr begünstigt werden sollen. "Wir dürfen nicht länger in eine falsche Richtung anreizen", sagte der Präsident des Amtes, Dirk Messner, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Es ist daher richtig, die Agrardieselsubvention zu streichen." Die Nutzung fossiler Energie dürfe nicht begünstigt werden, sagte Messner. Er empfahl jedoch, den Bauern an anderer Stelle entgegenzukommen. "Zum Beispiel kann man Betriebe bei der Klimatransformation unterstützen, wenn sie in andere Bewirtschaftungsformen der Agrarflächen investieren."
Bundesamt: Acht Milliarden Euro an Einnahmen möglich
Das Umweltbundesamt fordert seit langem, klimaschädliche Subventionen abzubauen, etwa das private Fahren mit dem Dienstwagen nicht mehr steuerlich zu begünstigen. Messner forderte, auf Diesel ebenso hohe Steuern zu erheben wie auf Benzin. "Das allein würde bis zu acht Milliarden Euro einbringen und hätte Lenkungswirkung." Die Bundesregierung will den Landwirten Steuervergünstigungen beim Agrardiesel und der Kraftfahrzeugsteuer streichen, um Löcher im Haushalt zu stopfen. Seit Tagen demonstrieren Landwirte gegen die Pläne, teilweise kam es dabei zu Behinderungen des Verkehrs......
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