Das Argument fehlender e-Trecker überzeugt: es gibt (noch) keine Alternative für die Landwirte. Wird es die aber irgendwann geben , wenn jetzt alles weiter läuft wie bisher?
Noch ein interessanter Artikel kommt aus der Süddeutschen Zeitung und weist auf die langjährige Problematik der Landwirtschafts-Transformation hin, die schon in den Merkel Jahren begann. Auch hier geht es wieder um wirkliche, gute Konzepte, die bisher in den Schubladen verstauben.....
Bioland hier 18-12-23
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Gestrichene Agrar-Vergünstigungen bremsen Trecker und Transformation
Kommentierung der Diskussion um die Haushalts-Einigung der Bundesregierung
Vergangene Woche hatte die Bundesregierung die Abschaffung von Agrar-Vergünstigungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro beschlossen: Das sogenannte Agrardiesel-Privileg soll demnach ebenso gestrichen werden, wie die KFZ-Steuerbefreiung für Fahrzeuge der Landwirtschaft. Nun kommt noch mal Bewegung in die Debatte. Bioland-Präsident Jan Plagge kommentiert:
„Vielleicht dämmert dem einen oder anderen Mitglied der Bundesregierung nun, dass die geplante Abschaffung wichtiger landwirtschaftlicher Subventionen nicht die beste Idee war. Dabei war auch vergangene Woche schon klar: Die Landwirtschaft kann nicht von heute auf morgen auf 1 Milliarde Euro verzichten. Dass alle Landwirt*innen innerhalb kürzester Zeit auf alternative Antriebe oder Treibstoffe umsteigen, ist reine Utopie, denn diese stehen gar nicht zur Verfügung. Der Diesel dürfte sich durch die steigende CO2-Abgabe ohnehin deutlich verteuern – und auch Pflanzenöl als Alternative wird zusätzlich besteuert.
Eine sozial-ökologische, klimafreundliche Transformation der Landwirtschaft ist nötig. Aber sie muss gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern gestaltet werden und ihnen nicht zusätzliche Probleme aufbürden, die sie allein gar nicht lösen können. Warum bei den Haushalts-Kürzungen nun gerade die Landwirtschaft überproportional zur Kasse gebeten werden soll, ist ohnehin nicht nachvollziehbar.
Das Dienstwagenprivileg etwa verschluckt ein Vielfaches der Summe von Agrardiesel und KFZ-Steuerbefreiung zusammen. Eine Kürzung an dieser Stelle hätte einen viel größeren Einspareffekt. Und diese Maßnahme hätte wenigstens auch eine Klimawirkung: Denn Landwirt*innen können nicht einfach ihren Trecker stehen lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, der Landwirtschaft den Stellenwert einzuräumen, den sie besitzt: Sie hat Schlüsselfunktionen für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Das muss bei der Haushaltsplanung unbedingt berücksichtigt werden – sonst werden nicht nur die Trecker ausgebremst, sondern der Umbau der Land- und Ernährungswirtschaft gleich mit.“
Süddeutsche Zeitung hier 7. Januar 2024,Von Tanja Busse
Protest gegen die Ampel: Der tiefere Grund für die Wut der Bauern
Nicht allein der Dieselpreis treibt Landwirte auf die Straße, zumal die Regierung schon eingelenkt hat. Sondern ein agrarpolitischer Schlingerkurs, der in die Merkel-Jahre zurückreicht.
Selten zuvor war die Wut der Bauern im Land auf die Politik so deutlich zu spüren. Doch was steckt wirklich dahinter? Tatsache ist, dass die inzwischen wieder in Teilen zurückgenommenen Subventionskürzungen für die einzelnen Betriebe wohl keinesfalls existenzgefährdend wären, das zeigt der Blick auf die Zahlen: Wäre die Agrardieselvergütung wie ursprünglich angekündigt gestrichen worden, hätten durchschnittliche Betriebe 1000 bis 4000 Euro weniger in der Tasche, so hat es die Fachzeitschrift Agrarheute ausgerechnet. Dazu wäre die Kfz-Steuer gekommen, die für landwirtschaftliche Fahrzeuge bislang nicht gezahlt werden muss - aber diesen Plan hat die Bundesregierung schon wieder zurückgenommen.
Doch darum allein geht es nicht. Die eigentliche Ursache für die Proteste liegt tiefer, es geht vor allem auch um nicht eingehaltene Versprechen und enttäuschte Hoffnungen in der Vergangenheit.
Das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau hat die Vergünstigungen für den Agrardiesel und die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge immer wieder als klimaschädliche Subvention kritisiert und eine Transformation zu einer nachhaltigen Landwirtschaft angemahnt. Dennoch äußert Knut Ehlers, Leiter des UBA-Fachgebiets Landwirtschaft, Verständnis dafür, dass "die Landwirtschaft die Kürzungen nicht schulterzuckend hinnimmt".
Ein Meilenstein, aus dem nichts wurde
Er erinnert sich: "Während ihrer letzten massiven Protestwelle 2019/2020 wurde die Landwirtschaft von der damaligen Bundesregierung aufgefordert, konstruktiv nach Lösungen zu suchen", sagt Ehlers. In der Folge initiierte die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "Agrargipfel"-Gespräche mit 40 Verbänden und Organisationen. Die Zukunftskommission Landwirtschaft und die sogenannte Borchert-Kommission wurden einberufen, um Lösungen auszuarbeiten.
Die Expertengremien hätten wertvolle Vorschläge gemacht, wie ein Interessenausgleich zwischen Landwirtschaft, Umwelt und Tierschutz gelingen kann, sagt Ehlers. Sie seien zu dem Ergebnis gekommen, "dass eine langfristige Agrar- und Umweltpolitik benötigt wird, die sukzessive und planbar umgesetzt wird". Für alle Beteiligten sollte absehbar sein, "wo die Reise hingeht und welche Rahmenbedingungen staatlicherseits für die Landwirtschaft zukünftig gelten". Beinahe alle Beteiligten hätten diese Ergebnisse als Meilenstein bewertet, so Ehlers. Klar gewesen sei auch, dass die Landwirte bei einem solchen Umbau finanziell unterstützt werden müssen.
Wissenschaftliche Gutachten veranschlagten zuletzt mehrere Milliarden Euro an Staatshilfen für die Transformation der Landwirtschaft. "Doch leider gab es bisher keinen ernsthaften Prozess, die Empfehlungen umzusetzen", kritisiert Ehlers. "Stattdessen sehen die Landwirte mit der Entscheidung, die Steuervergünstigung für Agrardiesel zu streichen, eine Ad-hoc-Agrarumweltpolitik, die plötzlich kommt und nahezu genauso plötzlich wieder - zumindest teilweise - zurückgenommen wird."
Überraschungen statt Planbarkeit und Kürzungen statt in Aussicht gestellter Milliardensubventionen: Aus dieser Enttäuschung ist nun extreme Wut geworden.
Knut Ehlers bedauert es, "dass wir wieder in die alten Verhaltensmuster Umwelt versus Landwirtschaft zurückfallen". Er fordert finanzielle Unterstützung des Staates für die Landwirtinnen und Landwirte: "Die Transformation der Landwirtschaft verdient gesellschaftliche Unterstützung - auch in Form von Subventionen." Die Gelder, die für die Steuervergünstigungen von Agrardiesel ausgegeben wurden, könnten an anderer Stelle sinnvoller investiert werden - etwa um die Landwirtschaft dabei zu unterstützen, umwelt- und klimafreundlicher zu produzieren und besser gegen die kommenden Krisen gewappnet zu sein.
Für den Milchbauern Ottmar Ilchmann, den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Niedersachsen, braucht es vor allem andere, gerechtere Marktregeln. Er will sich nicht an den Demonstrationen am Montag beteiligen, obwohl die geplanten Kürzungen auch seinen Betrieb treffen. "Der Milchpreis müsste für meinen Betrieb um einen halben Cent steigen, damit ich den Verlust der Dieselverbilligung ausgleichen könnte. Doch im etablierten System sind wir Bauern nicht in der Lage, Mehrkosten wie diese innerhalb der Wertschöpfungsketten weiterzugeben."
Das liegt laut Ilchmann zum einen daran, dass der Weltmarkt die Preise vieler Agrarprodukte bestimmt, und zum anderen am Machtgefälle zwischen Bauern, den großen Verarbeitern und dem stark konzentrierten Lebensmittelhandel. Das sei einfach zu groß, moniert er. Daran habe auch die Ampelregierung nichts geändert, obwohl der grüne Agrarminister Cem Özdemir bei seinem Amtsantritt ankündigte hatte, er werde sich für gerechte Erzeugerpreise und für eine bessere Marktstellung der Bäuerinnen und Bauern einsetzen. Ein Versprechen, das bis heute nicht eingelöst wurde.
"Das macht Bauern für rechte Narrative so interessant."
Statt für den Erhalt klimaschädlicher Subventionen zu streiken, fordert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft deshalb faire kostendeckende Erzeugerpreise. Die Bäuerinnen und Bauern sollten nicht länger "Restgeldempfänger" sein, sondern "auf Augenhöhe mit ihren Abnehmern verhandeln können". Dazu müsste die Bundesregierung den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) der Europäischen Union anwenden. Er ermögliche es der Bundesregierung, eine Vertragspflicht zwischen den Verarbeitern und den Bäuerinnen und Bauern einzuführen. "In diesen Verträgen wären Mengen, Qualitäten, Laufzeiten und Preise zwingend zu vereinbaren. Die Umsetzung dieses Artikels würde die Wertschöpfung auf den landwirtschaftlichen Betrieben steigern, ohne dass zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt notwendig sind", so Ilchmann.
Außerdem fordert der Milchbauer, dass Subventionen aus der europäischen Agrarpolitik gerechter verteilt werden. "Da sich die Höhe dieser Prämie an der Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes bemisst, profitieren aktuell auch Betriebe von diesen Mitteln, die bereits über üppige Einkommen verfügen." Sinnvoller wäre es, mit den EU-Geldern Leistungen für die Umwelt zu honorieren. Genau das fordern auch viele Agrar- und Umweltwissenschaftler und NGOs, doch der Versuch, die Agrarpolitik zu reformieren, scheitert seit Jahrzehnten aufs Neue.
Diesen Schlingerkurs zwischen Agrarwende und Festhalten am Status quo bei gleichzeitiger wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit scheinen sich nun rechte Gruppen zunutze zu machen. Bauern seien konservativ, aber nicht rechtsextrem, betont Ilchmann. Aber: "Die Bauernproteste wurden auch schon in den vergangenen Jahren von rechten Gruppierungen genutzt, um quasi als Trittbrettfahrer ihre eigene Agenda voranzutreiben", ergänzt er. Landwirte seien demonstrationserprobt und verfügten über eindrucksvolle Unterstützung durch ihre Traktoren. "Und sie sind in weiten Teilen der Gesellschaft Sympathieträger. Das macht sie für rechte Narrative so interessant."
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