Dienstag, 8. Juni 2021

Methan: Der übersehene Klimakiller

 hier Süddeutsche Zeitung

Wenn die Methan-Emissionen zurückgehen, könnte das die globale Erwärmung fast sofort bremsen

So ähnlich ist es mit den Treibhausgasen Kohlendioxid (CO₂) und Methan (CH₄). Während CO₂ Hunderte Jahre in der Atmosphäre verbleiben kann und entsprechend lange den Klimawandel anheizt, zersetzt sich Methan innerhalb weniger Jahre. Dafür heizt Methan die Atmosphäre auf 20 Jahre betrachtet 87-mal so stark auf wie die gleiche Menge CO₂. Methan ist sozusagen das offene Fenster des Planeten, das man schnell schließen muss, um die Erderwärmung noch zu bremsen.

Wobei es sich eher um ein offenes Scheunentor handelt, wie ein neuer Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) deutlich macht, an dem 22 Wissenschaftler von elf Institutionen mitgearbeitet haben. Die Konzentration von Methan in der Atmosphäre steige derzeit rasant, der Gesamtausstoß liege bei 380 Millionen Tonnen pro Jahr, ein Rekordwert. ...."Wir brauchen eine dramatische Kehrtwende, von stark steigend hin zu stark fallend", sagt der Klimatologe Drew Shindell von der Duke University, einer der Autoren des UNEP-Berichts.

Diese Herausforderung anzunehmen, kann sich auszahlen, denn es gibt wohl kaum einen anderen Bereich im Klimaschutz, in dem Maßnahmen so schnell Wirkung zeigen wie beim Methanausstoß. Weil das Klimagas nur kurz, aber dafür stark wirkt, dämpft es den globalen Temperaturanstieg rasch, sobald sein Ausstoß sinkt. "Die Klima-Effekte sind zwar nicht sofort, aber sehr viel schneller sichtbar als bei CO₂", sagt Shindell. So rechnen die Autoren vor, dass rasche Maßnahmen allein in den nächsten 20 Jahren einen Temperaturanstieg um 0,3 Grad verhindern könnten - und damit womöglich manche Hitzewelle oder Dürre in naher Zukunft.

Akute Maßnahmen müssten zudem gar nicht teuer sein oder würden unter dem Strich sogar Geld einsparen, vor allem im Bereich der Öl- und Gasindustrie, wo ein Drittel der Methan-Emissionen anfallen. Häufig entweicht das Methan schon bei der Förderung der Bodenschätze.....

Diese "Flaring" genannte Praxis setzt jedes Jahr allein 350 Millionen Tonnen CO₂ frei, so viel wie 75 Millionen Autos. ...

Die Internationale Energieagentur IEA schätzt, dass die Öl- und Gasindustrie mit existierender Technik wie modernen Sensoren und elektrischen statt mechanischen Bauteilen mehr als zwei Drittel ihrer Emissionen innerhalb kurzer Zeit einsparen könnte....

Eine besondere Verantwortung kommt der EU zu, die anders als etwa Kanada, die USA oder Mexiko bislang keine umfassende Methan-Gesetzgebung hat. Vor allem ist Europa der größte Abnehmer von Erdgas weltweit. "..

Ohne Einschränkungen beim Fleischkonsum lässt sich das Problem wohl nicht lösen

Allerdings geht es nicht nur um Methan aus fossilen Quellen, wie der UNEP-Bericht deutlich macht. Immerhin 40 Prozent der anthropogenen Emissionen stammen aus der Landwirtschaft, 20 Prozent von Müllkippen oder Kläranlagen. In Indien und großen Teilen Asiens, aber auch innerhalb Europas gibt es bei der Müllverwertung das größte Potenzial, um den Ausstoß zu verringern. "Wir sollten da vor der eigenen Haustür kehren", mahnt Jutta Paulus, Europaabgeordnete der Grünen. Verstreut über Europa gasen etliche alte Mülldeponien Methan aus, auch aus stillgelegten Kohlebergwerken strömt das Treibhausgas noch. Paulus schlägt einen Sonderfonds vor, um diese Altlasten zu beseitigen.

Weitaus schwieriger dürfte es werden, das Methan aus der Landwirtschaft loszuwerden. Es stammt größtenteils aus den Mägen von Kühen, hängt also mit dem hohen Fleischkonsum in vielen Staaten zusammen. "Die industrielle Landwirtschaft ist der Elefant im Raum", sagt Paulus. 

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