Dienstag, 11. Juli 2023

Klaus Schulz vertritt als Anwalt Klimaaktivisten vor Gericht – ohne einen Cent zu verlangen

 hier  Sabine Wienrich

Bild links: er protestierte schon selbst auf einem Baum in Ravensburg

In Prozessen rund um Klimaaktivisten taucht immer wieder der Name eines Ravensburger Strafverteidigers auf: Klaus Schulz. Der 61-Jährige vertritt junge Menschen aus ganz Deutschland unentgeltlich. Warum macht er das?

Umweltschutz ist Klaus Schulz schon seit seiner Jugend eine Herzensangelegenheit. Der 61-jährige Strafverteidiger aus Ravensburg vertritt junge Klimaaktivisten vor Gericht, ohne dafür Geld zu verlangen. „Unsere Generation hat den Karren in den Dreck gefahren“, sagt er. 

„Das ist alles aus besten Ravensburger Bio-Strohballen gebaut, total nachhaltig“, sagt Klaus Schulz und klopft an die Wand seines Hauses in der Weststadt. Hier, unweit der Innenstadt, hat sich Schulz eine kleine, grüne Oase aus Stroh, Lehm und Holz geschaffen. Ein Kontrast zu den nüchternen Gerichtssälen, in denen der 61-Jährige sonst viel Zeit als Fachanwalt für Familienrecht und Strafrecht verbringt.

„Jugendarrest für Klimaschützer ist total überzogen“

Seit einiger Zeit vertritt Klaus Schulz auch Klimaaktivisten vor Gericht. Zuletzt hatte der Prozess der Klimaschützer Samuel Bosch und Charlie Kiehne vor dem Augsburger Landgericht viel Aufsehen erregt. Die beiden waren aufgrund einer Aktion im Gebäude der Regierung von Schwaben wegen Hausfriedensbruch und Beleidigung angeklagt. Für Bosch gab es drei Wochen Jugendarrest, für Kiehne eine. „Ich hab in all den Jahren als Verteidiger vielleicht zwei, drei Mal erlebt, dass junge Menschen in Jugendarrest mussten. Das waren aber alles Jungkriminelle. Hier ist das total überzogen“, sagt Schulz. Bosch hat sofort Widerspruch gegen das Urteil aus Bayern eingelegt.

Für Schulz ist völlig klar, auf welcher Seite er steht. Grün und nachhaltig – so habe er sein Leben lang gelebt, sagt er. Zehn Jahre lang war er Vorstand beim BUND Ravensburg und immer zivilgesellschaftlich aktiv. Schulz ist Jahrgang 1962, Babyboomer. „Unsere Generation und die unserer Eltern haben den Karren in den Graben gefahren“, meint er, „und diese jungen Menschen versuchen mit ihren Aktionen so viele Menschen wie möglich zu erreichen, damit wir alle die Kurve noch kratzen.“ Das wolle er als Anwalt unterstützen. Unentgeltlich, versteht sich.

Reflexartige Diskreditierung der Aktivisten

Dass Klimaschützer bei ihren Aktionen die Grenzen der Gesetze manchmal verletzen, liegt laut Schulz in der Natur der Sache. „Fridays for Future (FFF) sind monatelang auf die Straße gegangen. Der Effekt war gering“, meint er. Bereits bei FFF habe das konservative Lager geschimpft, dass diese Rotzlöffel freitags Schule schwänzen. Eine reflexartige Diskreditierung gebe es jetzt auch bei den Klimaklebern und Aktivisten. „Wer sich selbst einen Dreck um den Klimaschutz schert, den nerven die Vorwürfe der jungen Klimaaktivisten“, ist sich der Anwalt sicher.

Schließlich müsse man eigentlich sein eigenes Handeln hinterfragen. Ist es okay, dreimal im Jahr in den Urlaub zu fliegen? Die kürzesten Wege mit dem SUV zurückzulegen statt mit dem ÖPNV? „Wenn man sich inhaltlich ernsthaft mit den Forderungen der Aktivisten auseinandersetzt, wie zum Beispiel Klimaneutralität bis 2030, könnte man ja ein schlechtes Gewissen bekommen“, sagt Schulz, „da ist es natürlich einfacher, die Menschen persönlich zu diskreditieren, die den Finger in die Wunde legen.“

Eine solche Haltung sei auch manchmal vor Gericht beobachtbar, wenn zum Beispiel Staatsanwälte immer härtere Strafen für Klimaschützer fordern. Für Klaus Schulz stellt sich dabei die Frage: „Will der Staat die berechtigte Angst vor dem Klimawandel erzieherisch durch Strafen wie Jugendarrest sanktionieren?“ „Häufig gehören die Klimaschützer zur hochintelligenten, sehr gut ausgebildeten Nachwuchselite unseres Landes“, so Schulz, „die sollte die Gesellschaft nicht im Gefängnis sehen wollen, auch, weil das einen ernsthaften Generationenkonflikt zur Folge haben könnte.“

Für Klimaschutz in den Knast?

Nicht nur als Anwalt steht Schulz Klimaschützern zur Seite, sondern auch als Vater. Sein ältester Sohn hat sich der „Letzen Generation„ angeschlossen, organisiert Aktionen in großen Städten, klebt sich selbst auf Straßen, war schon in Polizeigewahrsam. Auch ihn hat Schulz bereits verteidigt. Immer wieder gibt er seinem 26-jährigen Sohn rechtliche Tipps für die Aktionen, auch wenn die Letzte Generation ein eigenes Legal-Team hat.

Je besser die Aktionen geplant seien, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, freigesprochen zu werden, so Schulz. „Die Logik unseres Strafgesetzbuches ist eindeutig. Wegen einer popligen Nötigung gibt es erstmal Geldstrafen, Arbeitseinsätze, später dann aber Haft auf Bewährung und irgendwann ohne Bewährung. Und da rate ich jedem jungen Menschen für sein eigenes Wohl, es nicht so weit kommen zu lassen, am Ende im Gefängnis zu landen.“ Das will er sich auch für seine Kinder nicht vorstellen. „Im Knast kann auch die Seele Schaden nehmen“, warnt Schulz.

Wie steht es um Gefahr der Radikalisierung?

Bislang ist das Strafverteidiger Schulz, der in Ravensburg eine eigene Kanzlei hat, gut gelungen. „Ich habe nirgendwo eine so hohe Freispruchquote wie in diesem Bereich“, sagt er. Dennoch kenne er Aktivistinnen und Aktivisten, die ausgestiegen sind, weil sie die Situation zu sehr belastet habe, sagt er. „Die müssen schon wirklich viel aushalten, werden bespuckt, manchmal geschlagen und so viel beschimpft. Das hält man nur aus, wenn man sich gegenseitig stützt, resilient ist und sich gut auf Ziele fokussieren kann.“

Sieht Klaus Schulz nicht die Gefahr, dass eine der Klimaaktionen mal eskaliert? Oder sich die Bewegung zunehmend radikalisiert? Konservative Medien berichten bereits von der „Klima-RAF“. Schulz lächelt und zeigt auf ein Rotkehlchen, das auf einem Stuhl in seinem wilden Garten Platz genommen hat. „Nein, innerhalb dieser Bewegung gibt es die feste Überzeugung, keine Gewalt gegen Menschen anzuwenden“, antwortet er. Das Motto der Klimaschützer laute: Wir bomben nicht, wir schlagen nicht. „Das sind schlaue junge Menschen, die ganz genau wissen, dass sie niemanden mehr erreichen, wenn Bomben fliegen“, sagt Schulz.

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