Alexander schrieb: Ich möchte euch gerne eine Mail zur Verfügung stellen, in welcher unser ehemaliger Förster die Beurteilung von Herrn Regionaldirektor Franke aufgreift.
Herr Franke betonte des Öfteren "der Wald bei Grund ist ein reiner Industriewald, nur Fichten und nicht besonders wertvoll."
Mal wieder typisch: Wenn man dem Wald an den Kragen will, - egal, ob für Kiesgruben, Straßen, Gewerbegebiete....., - dann versucht man zunächst mal, ihn madig zu machen: "Ist doch ohnehin nur ein Fichten-Acker, eine Monokultur, eine Plantage, nichts Wertvolles", oder jetzt: "Ein Industrie-Wald". Das ist immerhin eine neue Wortschöpfung. Manchmal dreht es sich auch zufällig gerade um eine Kahlfläche, durch Sturm o.a. Dann heißt es: "Ist doch gar kein Wald".
Dabei ist "Wald" die der Natur am nächsten stehende Form der Landnutzung überhaupt.
Alter und Baumarten-Zusammensetzung sind dabei für uns Förster immer nur eine "Momentaufnahme", oft reiner Zufall, entstanden in einer Zeit, die lange zurückliegt und oft ganz andere Probleme hatte, als wir sie heute haben. Und selbst wenn da "nur" Fichten stehen, dann ist das im Vergleich zu einem Maisacker ein Eldorado der Artenvielfalt mit einer Strauch- und Krautschicht, mit Moosen und Gräsern und Flechten und Pilzen...
Bei Mais ist halt nur Mais und sonst nix! Zumindest bei einem "richtigen" Bauern.
Und in einem Wald wird nicht gedüngt, werden keine Pestizide ausgebracht, wird die Bodenkrume nicht bearbeitet und nicht umgebrochen. Deshalb konnte und kann sich die belebte Waldbodenschicht seit Jahrtausenden weitgehend ungestört natürlich entwickeln, und jede Handvoll Waldboden enthält deshalb mehr Lebewesen als es Menschen auf der Welt gibt! Die Biomasse, die wir im Wald oberirdisch sehen, ist nur die eine Hälfte. Die andere steckt im Waldboden, einschließlich Wurzeln und Pilzen! Und normalerweise kommen die Förster und Waldarbeiter nur einmal im Jahrzehnt auf die Fläche, dazwischen herrscht Ruhe, und bis vor kurzem kamen sie auch mit Arbeitsgeräten, die man pfleglich nennen konnte. Das hat sich heute allerdings - leider - zum Nachteil des Waldes verändert, - aber das ist eine andere Geschichte mit den modernen Harvestern und Forwardern.
Der Altdorfer Wald ist mit seinen rund 10.000 ha Fläche einer der ganz wenigen großflächigen und noch weitgehend unzerschnittenen Lebensräume unseres Landes. Er ist in Baumarten-Zusammensetzung, Bodenarten, Feuchtegrad, Altersstruktur, Mischungsform ....von einer ungewöhnlich großen Vielfalt und Abwechslung. Entsprechend groß ist auch die Artenvielfalt in Flora und Fauna. Richtig ist, dass die Fichte von Natur aus keine größeren zusammenhängenden Flächen einnehmen würde. Dafür, dass sie es heute (noch) tut, hat der Mensch gesorgt, der diese schnell wachsende und vielfältig verwendbare Baumart, die vom Wild wenig verbissen wird, gezielt gefördert hat. Von Natur aus ist die Fichte nur in den Randgebieten unserer Moore heimisch ("Moorrand-Wälder"). Der Mensch hat sie aber so ausgiebig auch auf vielen Standorten gefördert, die von Natur aus Buchenwälder tragen würden, dass die Natur ihn inzwischen gelehrt hat, dass er dabei weit über das Ziel hinaus geschossen ist. Stürme, Borkenkäfer, Nonnen-Kahlfraß (Nonne ist eine Schmetterlings-Art mit gefräßigen Raupen) und andere Katastrophen haben dazu geführt und tun es noch immer, dass kluge Förster und Waldbesitzer schon seit über 100 Jahren dazu übergegangen sind, die Wälder nach und nach in Richtung mehr Laub- und Mischwald und wesentlich naturnäher umzubauen.
So gab es in "meinem" ehemaligen Forstamt Bad Waldsee um 1890 herum mehr als 90% Fichte. Hundert Jahre später war der Fichten-Abteil auf unter 50% zurückgegangen! Das geht nicht so schnell wie in der Landwirtschaft. Wenn da der Weizen zwei Jahre hintereinander nichts wird, sät der Bauer im Folgejahr halt Raps oder was anderes. Der Förster muss bei Nadelbäumen 100 bis 140 Jahre lang warten, bis er sie ernten und etwas anderes bringen kann, bei Laubwald 160 bis 200 Jahre, bei Eiche bis 250 Jahre! So besteht der Wald bei Grund überwiegend, wenn auch nicht nur, aus 80- bis 100-jährigen Fichten, die also kurz nach dem ersten Weltkrieg gepflanzt und aus Naturverjüngung entstanden sind. Da hat´s unseren Herrn Franke und "seinen" Regionalverband noch lange nicht gegeben. Und viele unserer heimischen Vögel, Insekten, Moose, Flechten, Nagetiere... haben sich auch speziell an Fichten-dominierte Wälder angepasst und nutzen diese entsprechend.
Und selbst in einem Fichtenwald ist alles andere, was er produziert, noch viel wichtiger und wertvoller als Holz: Er schützt den Boden, das Grundwasser, das Klima, reinigt die Luft von Belastungen aller Art und reichert sie mit Sauerstoff an, bietet vielen Pflanzen und Tieren Lebensraum und Rückzugsgebiet und uns Menschen eine Oase der Ruhe und Erholung.
Und was bietet dagegen eine Kiesgrube, bitte schön???
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