WiWo hier Kommentar von Stefan Hajek 06. Februar 2023
Hinter dem Ruf nach „Technologieoffenheit“ steckt etwas ganz anderes
Politiker missbrauchen den Begriff Technologieoffenheit. Was eigentlich eine Tugend ist, wird zur Nebelkerze und torpediert so nötige Veränderungen. Ein Kommentar.
Technologieoffenheit, ein sperriger Begriff, den bis vor Kurzem fast nur Ingenieure und Forscher kannten, fällt zurzeit in jeder Talk Show. Am Sonntag zieh Markus Söder (CSU) Kanzler Olaf Scholz der mangelnden Technologieoffenheit und „puren Ideologie“, weil dieser am Atomausstieg festhält. CDU-Chef Friedrich Merz kommt in keiner Rede mehr ohne den Begriff aus. Und was soll auch falsch sein daran, in Zeiten rascher technischer Umbrüche ideologiefrei und offen nach allen Seiten zu blicken?
Politiker nutzen die Forderung meist, um einen aktuellen politischen Beschluss oder technischen Konsens anzugreifen, etwa den Ausbau der erneuerbaren Energien. Sie unterstellen, bald gebe es etwas viel Besseres; das bekomme aber keine echte Chance, weil „Ideologen“ es blockierten. Synthetische Kraftstoffe etwa, die besser seien als E-Autos, und neue Atomkraftwerke, die viel stabiler liefen als der Zappelstrom aus Wind und Solar. In zehn Jahren habe man Kernfusion, meint Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Eine tolle Technologie, mit billigem Strom im Überfluss, ohne Atommüll, GAU-Gefahr und CO2.
Das Problem: Sobald es konkret wird, entpuppt sich diese Darstellung fast immer als unseriös oder naiv.