WiWo hier von Anabel Schröter 03. April 2024
Auf Demonstrationen wird von Teilnehmern bereits am Tempolimit 100 gefordert.Ein Dauerthema, aber keine Lösung: So beurteilt Verkehrsminister Volker Wissing die Debatte ums Tempolimit. Wegen mangelnder Akzeptanz in der Bevölkerung sei es nicht wirksam. Nun widerspricht ihm ein Wissenschaftler.
Seit Jahren diskutieren Politiker und Experten über ein Tempolimit auf den deutschen Autobahnen. Nach den jüngsten Aussagen von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sei es zwar ein Dauerthema, aber keine Lösung für den Klimaschutz. Im Interview mit der „Funke Mediengruppe“ kommentierte er: „Wichtig ist doch, dass nur Maßnahmen, die akzeptiert werden, auch Erfolg haben können.“
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes aus dem vergangenen Jahr kann allerdings ein Limit von 120 Kilometern pro Stunde die Treibhausgasemissionen um rund 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente senken. Dabei sieht Markus Friedrich, Studienautor und Professor am Institut für Straßen und Verkehrswesen an der Universität Stuttgart, im Tempolimit sogar eine Chance, die sogenannten Sektor-Klimaziele – also etwa, wie viele Emissionen verschiedene Bereiche wie Verkehr oder Landwirtschaft pro Jahr ausstoßen dürfen – zu erreichen. Derzeit schafft Deutschland das nicht: „Wir haben aktuell eine Lücke von zwölf Millionen Tonnen CO2 im Bereich Verkehr.“
Im vergangenen Jahr wurden 146 Millionen Tonnen CO2 im Verkehrssektor ausgestoßen. Laut Klimagesetz waren nur 134 Millionen Tonnen vorgesehen. Durch eine Limitierung des Tempos auf 120 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen würde die Lücke nach Friedrichs Berechnungen halbiert werden. Und: „Durch ein Tempolimit 100 könnten wir die Klimaziele in diesem Jahr erreichen“, erläutert der Experte – unter der Annahme, dass zusätzlich auf Landstraßen die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h reduziert wird.
Ein flächendeckendes Tempolimit von 120 Stundenkilometer auf Autobahnen, auf Landstraßen von 80 und innerorts von 30 habe in Deutschland keine Akzeptanz, meint Verkehrsminister Wissing. „Das wollen die Leute nicht.“
Eine Umfrage des ADAC aus dem Jahr 2023 unter seinen Mitgliedern ergab jedoch: 54 Prozent der ADAC-Mitglieder sind für ein generelles Tempolimit. Bei einer Umfrage von Civey im Auftrag von „T-Online“ aus dem vergangenen Jahr gaben gar zwei Drittel der Befragten an, dass sie ein Tempolimit befürworten. Am besten schnitt eine Begrenzung von 130 km/h ab. 32 Prozent der Befragten sprachen sich hingegen für das unbegrenzte Tempo aus.
Und auch ein Blick in die Niederlande zeigt: So unbeliebt ist das Tempolimit bei der Bevölkerung nicht. Im Nachbarland gilt seit März 2020 zwischen 6 und 19 Uhr Tempo 100. In der Nacht darf weiterhin 120 beziehungsweise 130 km/h gefahren werden. Die niederländische Regierung hat Tempo 100 allerdings nicht eingeführt, um den Verkehr sicherer zu machen – sondern aufgrund der Landwirtschaft. Denn die Massentierhaltung belastet die Natur so stark mit Stickstoffoxiden, dass ihr keine weiteren Emissionen zugemutet werden können, urteilte ein Gericht.
Der Widerstand gegen das Tempolimit in den Niederlanden ist nie wissenschaftlich untersucht worden. Denn auf vielen Teilstrecken galt bereits eine Begrenzung von 100 km/h, der Verkehrsfluss ist durch die vielen Ballungsgebiete oft unterbrochen. Die Maßnahmen fielen also nicht so stark ins Gewicht.
Verlagerung von Verkehr vermeiden
Laut Wissing müssten die Maßnahmen hierzulande sinnvoll und wirksam sein. „Wenn sich zum Beispiel wegen eines Tempolimits auf der Autobahn der direkte Weg durch die Dörfer zeitlich wieder lohnt, werden die Anwohner mit Lärm belastet. Wir haben Infrastruktur gebaut, damit Menschen von Verkehr entlastet werden“, erläuterte der Verkehrsminister. Laut Wissenschaftler Friedrich sei eine solche Umverteilung jedoch nicht zu erwarten: „Bei einem zusätzlichen Tempolimit von 80 auf Landstraßen wird die Verlagerung in das nachgeordnete Straßennetz nach unseren Erwartungen gering sein.“
Dennoch weist er in seiner Studie darauf hin, dass die Hierarchien im Straßennetz aufrechterhalten werden müssten, um eine Verlagerung zu vermeiden. Zudem reduziere ein Tempolimit die Staugefahr. Denn die Kapazität der Autobahnen würde natürlich nicht erhöht. Allerdings gebe es dann weniger Spurwechsel, die zu einem Stau führen könnten. Das könnte den Zeitverlust wieder wettmachen.
Die FDP und das Tempolimit: Wissing gehen die Argumente aus hier
leider hinter der Bezahlschranke
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