Freitag, 12. April 2024

Klimaschutz ist Menschenrecht: Das Urteil muss Staaten die Augen öffnen

Ich denke dass hier alles was für Österreich gesagt wurde, ebenso für Deutschland gilt. Interessant: nicht nur für Deutschland, auch für Österreich ist ein weiteres Verfahren anhängig.

Standard aus Österreich  hier  Kommentar von NORA LAUFER  9. April 2024

Die Entscheidung des Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Schweiz könnte dem jahrzehntelangen Schlendrian in der Klimapolitik auch bei uns ein Ende setzen

Die Realität hat nicht ausgereicht. Überschwemmungen, Waldbrände, Dürren und Hitzerekorde waren nicht genug, um die Politik zum Handel zu bewegen. Die unmittelbaren Folgen der Klimakrise sind längst nicht mehr zu übersehen, und dennoch dominieren Floskeln statt Taten das klimapolitische Parkett. Wo Regierungen bisher nicht gewillt waren, auf die klaren Rufe der Wissenschaft zu hören und zu handeln, könnten sie nun dazu gezwungen werden: In einem bahnbrechenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass zu laxe Klimapolitik die Menschenrechte verletzt.

Mehrere Schweizer Seniorinnen hatten beklagt, dass ihr Heimatland nicht ausreichend Klimaschutz betreibe und somit die Gesundheit der Frauen gefährde. Der Gerichtshof gab ihnen nicht nur recht – er könnte mit dem Urteil für einen Wendepunkt im Klimaschutz sorgen. Die erfolgreiche Klage könnte Klimaschützerinnen und Klimaschützern erstmals ein Werkzeug dafür geben, ihre Regierungen vor dem Höchstgericht in Straßburg zum Handeln zu zwingen. Diese können haftbar gemacht werden, wenn sie ihre Schutzpflichten gegenüber Bürgerinnen und Bürgern verletzen.

Gerade in Österreich, wo die Menschenrechtskonvention im Verfassungsrang steht, könnte unter den jahrzehntelangen klimapolitischen Schlendrian nun ein Schlussstrich gezogen werden. So bemängelte der Gerichtshof im Fall der Seniorinnen unter anderem, dass die Schweiz es versäumt habe, rechtzeitig ausreichende gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, um Emissionen zu reduzieren.

Österreich im Verzug

Ein Vorwurf, der auch Österreichs Regierung treffen würde: Die Republik verfehlt ihre Klimaziele mit den bisher geplanten Maßnahmen bei weitem. Ganz abgesehen von dem seit Jahren ausständigen Klimaschutzgesetz, das die notwendige Emissionsreduktion vorgeben würde. Die Bedeutung des Gesetzes wird von der Regierung heruntergespielt – zu Unrecht. Es wäre ein wichtiger Rahmen dafür, wie viele Emissionen in welchem Sektor reduziert werden müssen. Und, viel wichtiger noch: Es könnte Spielregeln dafür aufstellen, was passiert, wenn einzelne Bundesländer ihren Klimaverpflichtungen nicht nachkommen.

Ähnliche Klagen aus Österreich – eine davon ist bereits am Menschenrechtsgerichtshof anhängig – könnten genau dort Hebel in Bewegung setzen, wo seit Jahren blockiert wird. Gerade angesichts des prognostizierten Wahlsiegs der Freiheitlichen, die auf Klimaschutz pfeifen, wäre es wichtiger denn je, wenn entsprechende Maßnahmen vor Gericht durchgesetzt werden könnten. Dazu wäre es auch notwendig, Menschen die Werkzeuge in die Hand zu geben, vor den nationalen Gerichten ihr Recht auf Klimaschutz durchzusetzen. Derzeit ist das nicht der Fall: Österreichs Höchstgericht wies Klagen in den vergangenen Jahren stets schon aus formellen Gründen zurück.

So oder so – die Mühlen der Justiz mahlen langsam, Maßnahmen sind hingegen längst überfällig. Bleibt zu hoffen, dass der Straßburger Gerichtsspruch zumindest manchen Regierungen die Augen öffnet und sie dazu bringt, schon jetzt die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Nach einem bahnbrechenden Urteil für das Klima braucht es jetzt bahnbrechende Politik, die vor der Realität nicht die Augen verschließt. 

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