Donnerstag, 23. September 2021

Ingo Blechschmidt zur Klimagerechtigkeit

Das fatale ist ja, dass ärmere Menschen unter der Klimakrise viel stärker leiden werden als reiche (die auch 10 Euro für das Laib Brot zahlen, viel leichter umziehen oder sich Sicherheitspersonal um ihr Anwesen leisten können). Und insbesondere im globalen Süden auch jetzt schon massiv leiden.

Dabei sind es nicht die ärmeren Menschen, die die Klimakrise verursachen: Die reichsten zehn Prozent sind für über die Hälfte des CO2-Ausstoßes verantwortlich.

Die Klimakrise ist also eine gewaltige Gerechtigkeitskrise. Wir benötigen daher:

1️⃣ wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahmen

— kombiniert mit —

2️⃣ substanzielle Entlastung von ärmeren oder anderweitig weniger privilegierten Menschen

Ein Instrument dafür ist eine Klimaprämie: Wenn Unternehmen CO2 emittieren, sollen sie dafür einen angemessenen Preis zahlen (das Umweltbundesamt schlägt mindestens 180 Euro pro Tonne vor). Der Preis muss so hoch sein, dass er eine Lenkungswirkung entfaltet, also dazu führt, dass Firmen versuchen, CO2 einzusparen.

Dadurch haben Konzerne höhere Ausgaben, die sie in Form von höheren Preisen an uns Endkund*innen abgeben. Im Supermarkt wird also zunächst alles teurer.

Die staatlichen Einnahmen aus der CO2-Abgabe sollen nun aber in gleichen Teilen an die Bevölkerung ausgeschüttet werden. Alle Bürger*innen, die über ihren Konsum unterdurchschnittlich viel CO2 verursachen, haben so am Ende eines jeden Monats trotz der höheren Kosten mehr Geld auf dem Konto. Bürger*innen, die überdurchschnittlich viel CO2 verursachen, weniger.

Das Instrument muss durch vielfältige weitere Maßnahmen und Regeln ergänzt werden. Etwa müssen es die Vermieter*innen sein, die die CO2-Abgabe für die Heizkosten zahlen, da ja die Mieter*innen nichts an der Heiztechnik ändern können. Außerdem muss es erhebliche Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr geben (mehr Linien und Haltestellen, günstigere Tickets oder ticketfreier ÖPNV), damit weniger Menschen zu einem Auto genötigt werden. Das waren nur zwei Beispiele von vielen.

Dieses Bündel an Maßnahmen überwindet noch nicht das grundlegende Problem des fossilen Kapitalismus, dass der Konkurrenzdruck Unternehmen nötigt, klimaschädliche Schlupflöcher zu finden und auszunutzen sowie andere Formen des Raubbaus an Mensch und Natur zu betreiben. Es überwindet auch nicht das Problem, dass Parteien dem Zwang ausgesetzt sind, nur verwässerte Varianten ihrer ursprünglichen Visionen zu verfolgen (da sie andernfalls um ihre Wiederwahl fürchten müssen), oder dass Entscheidungen ohne Beteiligung aller Betroffenen getroffen und durchgesetzt werden. Aber es sind gute Maßnahmen, die uns deutlich weiterbringen würden und noch heute auf den Weg gebracht werden könnten, wenn der Wille dazu da wäre.

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