WiWo hier von Bert Losse
Die wirtschaftspolitische Bilanz der GroKo
Überregulierung,
marode Infrastruktur, ineffiziente Verwaltung, explodierende
Energiepreise: Die wirtschaftspolitische Bilanz der Ära Merkel ist
dürftig.
Spitzenökonomen fordern eine Auflösung des Reformstaus nach der
Wahl.
Nun, am Ende der Regentschaft von Angela Merkel, haben uns die Briten wieder eine Sonderausgabe gewidmet (Titel: „After Angela“) – und nach 22 Jahren geht der Daumen wieder runter. Das Magazin weist auf die ungelösten demografischen Probleme und die Krise des Rentensystems hin und ist geradezu fassungslos über den Zustand der Infrastruktur in Deutschland, wo „Straßen, Schulen und Telekommunikationsnetze verfallen sind“. An dieser Außensicht ist so gut wie alles richtig.
Deutsche Top-Ökonomen wie Clemens Fuest lassen es daher an klaren
Worten nicht fehlen.
„In den vergangenen zehn Jahren hat die Politik
wenig für Reformen getan, die Wachstum und Produktivität steigern und
Investitionen anziehen“, rügt der Präsident des Münchner Ifo-Instituts im Podcast „WirtschaftsWoche-Chefgespräch“ mit WiWo-Chefredakteur Beat Balzli.
In ihren ersten Amtsjahren habe Merkel Einiges angeschoben – und
ökonomisch nicht zuletzt von der Agenda 2010 ihres Amtsvorgängers
Gerhard Schröder profitiert. Später aber, so Fuest,
sei in der Bundesregierung „der Reformeifer leider erlahmt, da ist
nicht mehr viel passiert“. Lieber hätten die Parteien „Geschenke an ihre
Wählerklientel verteilt – die SPD
bekam die Rente mit 63, die Union die Mütterrente“. Laut Fuest machte
sich angesichts des langen Wirtschaftsaufschwungs mehr und mehr „das Gefühl breit, es läuft doch, wir müssen nicht viel tun und können in aller Ruhe umverteilen.“
Konkrete Kritikpunkte hat Fuest viele: Da wäre etwa die „planwirtschaftlich organisierte und sehr teure Energiewende“ und eine Steuerpolitik, in der „seit 2008 kaum noch etwas passiert ist“. Im Bildungssystem sei Deutschland nach wie vor „schwach darin, Menschen aus benachteiligten Milieus auszubilden“. Beim zentralen Thema Digitalisierung gebe es viele Lippenbekenntnisse, aber wenn es darum gehe, neue digitale Geschäftsmodelle zuzulassen, werde es sofort schwierig. Fuest: „Sobald Uber kommt, setzt sich die Taxilobby durch und blockiert diese Geschäftsmodelle.“ Lob findet der Ökonom im „Chefgespräch“-Podcast lediglich für „Fortschritte bei der Stabilität der Staatsfinanzen.“
Eine ähnlich kritische Bilanz zieht Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). „Technologisch und logistisch sind unsere Unternehmen in vielen Bereichen nach wie vor Spitze – der Standort Deutschland insgesamt ist hingegen in keinem sonderlich guten Zustand“, warnt der Ökonom. Hier warte „auf die kommende Bundesregierung viel Arbeit“.
Was Felbermayr vor allem umtreibt, sind die immer höheren Energiepreise im Land – der dadurch entstehende Wettbewerbsnachteil der deutschen Unternehmen werde „sträflich unterschätzt“. Felbermayr: „Steuert die Politik nicht gegen, dürfte es in den nächsten Jahren viele Unternehmen zum Beispiel nach Osteuropa treiben, wo die Stromrechnung deutlich geringer ausfällt. Die hohen Strompreise werden künftig zu einem zentralen Standortrisiko in Deutschland.“
Unstrittig hat Angela Merkel als Kanzlerin das Land mit Geschick und erstaunlicher Unaufgeregtheit durch viele Krisen gesteuert, ihre außenpolitische Reputation ist weltweit hoch. Doch das ist nur die eine Seite. Auf der anderen Seite steht ein nachhaltiges Desinteresse an volkswirtschaftlichen Fragen (das Merkel mit CDU-Altkanzler Helmut Kohl verbindet). Im Ranking der globalen Wettbewerbsfähigkeit, das die Schweizer Managementschmiede IMD alljährlich erstellt, liegt Deutschland infolge von Reformstau und Strukturmängeln aktuell nur auf Rang 15 – hinter Staaten wie etwa der Schweiz, Schweden, Dänemark, den Niederlanden und Singapur. Das ist zwar zwei Ränge besser als 2020, für eine der größten Volkswirtschaften der Welt aber trotzdem kein akzeptables Ergebnis.
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