Focus hier Gastautor Michael Sterner 07.03.2023
Im angehängten Video hier sehen Sie, wie wahrscheinlich ein Blackout in Deutschland ist und ob er wirklich durch sogenannte Brownouts verhindert werden kann.
Es ranken sich zahlreiche Mythen um das Thema Energiewende, die teilweise hässliche Blüten treiben und viele gute Projekte im Keim ersticken. Seit der Energiekrise wird täglich mehr über die Energiewende fabuliert. Energieexperte Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner von der OTH Regensburg entlarvt die zwei größten Mythen.
Warum ist das so? Weil viele Menschen Angst vor Veränderung haben oder falschen Informationen aufsitzen und daher viele Wege suchen, diese zu stoppen. Deshalb ist es höchste Zeit, die gängigsten Mythen bezüglich Blackouts und Versorgungssicherheit aufzulösen, den Menschen die Angst zu nehmen und Fake News zu entzaubern.
Mythos 1: Wind und Solar führen zu Blackouts und gefährden die Versorgungssicherheit
Richtig ist: Wind- und Solarstrom sind von Natur aus wetterabhängig und damit eher schwankend. Wir haben aber über die Jahrzehnte gelernt, damit in unseren Stromnetzen sehr gut umzugehen, sodass stets eine hohe technische Versorgungssicherheit gewährleistet wird und es kaum zu Stromausfällen wegen erneuerbaren Energien kommt.
Wenn es in der Vergangenheit doch einmal dazu kam, dann lag es an menschlichem Fehlverhalten. Wie auch 2007, als der Sturm Kyrill über Europa zog. Ein Schiff der Meyer-Werft in Papenburg wurde ausgeliefert und dafür eine über die Weser kreuzende Stromleitung abgeschaltet, ohne die Windprognosen in den Schaltzentren und Leitwarten der Stromnetzbetreiber adäquat zu berücksichtigen. Die Folge: Halb Europa war für wenige Stunden ohne Strom. Einerseits wird das Problem der Wetterabhängigkeit durch einen großen Verbund der Regionen in Europa gelöst, da immer irgendwo etwas Wind weht und über die Zeitzonen hinweg Solarstrom da ist.
Andererseits gibt es auch erneuerbare Energien, wie die Wasserkraft, Biogasanlagen und Geothermiekraftwerke, die konstant und flexibel zugleich sind. Des Weiteren kommen immer mehr flexible Back-up-Kraftwerke zum Einsatz, die heute noch mit Kohle und Erdgas befeuert werden, zukünftig aber mit erneuerbaren Gasen wie Wasserstoff oder synthetischem Gas ersetzt werden können. Und es gibt noch die Speicher vielfältigster Art, die die Versorgungssicherheit garantieren. Es ist ferner ein Mythos, dass Kohle und Atomkraft parallel im Leerlauf betrieben werden. Richtig ist, dass die Back-up-Kraftwerke kurzfristig für kurze Zeiträume einspringen.
In der aktuellen Energiekrise kocht das Thema Blackout dennoch hoch, weil Hunderttausende Heizlüfter angeschafft wurden. Dazu haben der Verband der Elektrotechnik-Elektronik-Informationstechnik (VDE) und der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) klar Stellung bezogen: Heizen mit Heizlüftern ist doppelt so teuer wie mit Gas. Sie können örtlich begrenzte, regionale Stromausfälle verursachen, die lästig sind, weil dann alle Heizungen ausfallen – auch Gasheizungen und Wärmepumpen. Wenn es spannungsseitig kritisch wird, schalten die Verteilnetzbetreiber die Wärmepumpen weg. Ein stärkerer Frequenzabfall und damit großflächiger Ausfall in Form eines Blackouts ist aber nach wie vor unwahrscheinlich.
Mythos 2: Es gibt nicht ausreichend Speichermöglichkeiten
Immer wieder höre ich: Wind- und Solarenergie sind nicht speicherbar, oder wir werden nicht ausreichend Speicherkapazitäten für Wind und Solar haben. Beides ist Quatsch. Wir haben ausgereifte Technologien für diesen Zweck: Für den täglichen Ausgleich Pumpspeicher und Batteriespeicher und für die langfristigen saisonalen Schwankungen die Gasspeicher, die wir mit erneuerbarem Gas füllen und wieder in Strom wandeln.
So können wir bei entsprechender Anzahl an „Ladegeräten“ für das Gasnetz, den vorhandenen Pumpspeichern in der Fläche und Batteriespeichern zu Hause und in den Autos in Kombination mit Stromnetzen auf Übertragungs- und Verteilnetzebene zu jeder Tages- und Nachtzeit ganzjährig die Stromversorgung ohne Blackouts sicherstellen und erneuerbare Energien speichern.
Es ist keine Frage der Technik oder der technischen Möglichkeiten, sondern rein eine von politischen Rahmenbedingungen und damit der Wirtschaftlichkeit. Zudem gibt es Wärmespeicher in Form von Pufferspeichern, die fast jeder von uns in seinem Wohngebäude hat und die wunderbar Wind- und Solarenergie aufnehmen können, direkt als Wärme oder indirekt als Strom über Heizstäbe und Wärmepumpen. Daraus lässt sich zwar kaum mehr Strom gewinnen, aber Wind und Sonne sehr gut speichern und nutzen.
Faktencheck statt Fake News
Viele Mythen verhindern also de facto den notwendigen Klimaschutz. Das erfolgt oft auch interessengetrieben, weil wir mit dem Umbau der Energieversorgung eine Energierevolution betreiben, die bisherigen fossilen und nuklearen Energieversorgern nicht schmeckt. Es liegt in der Verantwortung von Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft – letztlich an allen –, die Behauptungen kritisch zu hinterfragen, Fakten zu prüfen und vor allem keine Fake News zu verbreiten, sondern den Dialog sachlich und offen zu führen.
Über den Experten
Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner ist Dozent an der OTH Regensburg für die Bereiche Energiespeicher und Energiesystemtechnik. Als einer der Erfinder der Speichertechnologie Power-to-Gas erstellt er Energiekonzepte für Unternehmen und Kommunen, berät die Bundesregierung und EU-Kommission und arbeitet ehrenamtlich im VDE, VDI und Weltklimarat.
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