Sonntag, 11. Juli 2021

"Die Politik war lange zu zögerlich"

Die Klimaziele werden zwar immer ambitionierter, aber es gibt eine große Diskrepanz zwischen Zielen und Maßnahmen, sagt die Physikerin Brigitte Knopf. Die Politik sei lange nicht mutig genug gewesen, "den Wählerinnen und Wählern zu sagen, dass diese Transformation bevorsteht und man eben nicht mehr dauerhaft auf die fossilen Energieträger setzen kann".

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Wir waren immer viel zu langsam. Das Problem des Klimawandels ist schon lange verstanden - spätestens seit der Konferenz in Rio im Jahr 1992 war es auf der politischen Tagesordnung. Seither hätte man wirklich etwas tun können. Aber selbst Jahre später wurden noch neue Kohlekraftwerke gebaut, auch in Deutschland war das der Fall und selbst letztes Jahr ist noch ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gegangen. Der zweite Punkt: Die Klimaziele wurden zwar immer ambitionierter. Aber es gibt eine große Diskrepanz zwischen Zielen und Maßnahmen. Das Klimaabkommen von Paris war ein großer Durchbruch. Danach machte es den Eindruck, als ob sich die Politik zurückgelehnt und gesagt hat: Wir haben jetzt die Ziele - die werden sich schon von selbst erfüllen.

Langfristige Ziele zu beschließen, ist der Politik immer leichtgefallen. Deshalb fange ich jetzt auch wegen des Ziels der Klimaneutralität 2045 nicht an zu jubeln. Bei den konkreten Maßnahmen für die Umsetzung war die Politik immer zu zögerlich - sei es beim Kohleausstieg, beim CO2-Preis, beim Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektromobilität oder bei der Frage, wie es mit dem Verbrennungsmotor weitergeht. Meist wurde nicht das beschlossen und durchgesetzt, was notwendig gewesen wäre.

Bei steigendenden Benzinpreisen bringen manche Politiker immer gern das Beispiel der Krankenschwester oder des Polizisten, die auf das Auto angewiesen sind, weil sie sich eine Wohnung in München nicht leisten können. Das machen zwar auch Politiker, die den CO2-Preis selbst beschlossen haben, aber das Problem gibt es ja tatsächlich.

Das Schöne am CO2-Preis ist, dass der Staat damit Einnahmen generiert. Diese Einnahmen können auf verschiedene Weise zurückverteilt und ausgegeben werden. Bei vielen anderen Instrumenten gibt es diese Möglichkeit nicht. Wenn der Staat etwa ein Verbot von Ölheizungen ausspricht, dann entstehen zwar Belastungen, aber keine Einnahmen, mit denen diese kompensiert werden können. Das ist beim CO2-Preis anders.

Zudem ist es so, dass die Politik immer gerne mit Einzelfallbeispielen kommt. Wir haben uns das mal statistisch angeguckt. Das Ergebnis: Es kommt sehr darauf an, wie die Einnahmen verteilt werden. Wenn Sie - wie in der Schweiz - alle Einnahmen aus dem CO2-Preis nehmen und am Ende des Jahres pro Kopf zurückgeben, dann werden ärmere Haushalte im Durchschnitt unter dem Strich sogar bessergestellt. 

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