Standard Lisa Breit 29. April 2024
Das Geld soll Ländern im Globalen Süden zugutekommen, die am stärksten mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen haben
Die ärmsten Länder der Welt trifft der Klimawandel doppelt. Nicht nur spüren sie am stärksten die Folgen – immer heftigere Unwetter, Überschwemmungen oder tödliche Dürren –, sie haben auch nicht die Mittel, sich dagegen zu wappnen oder die Schäden zu bewältigen.
Dass sie dabei stärker unterstützt werden müssen, dafür appellieren Fachleute und Aktivistinnen und Aktivisten schon länger. Nun haben einige Non-Profit-Organisationen einen neuen Vorschlag formuliert, mit dem sie am Montag an die Öffentlichkeit gegangen sind. Sie fordern: Die wohlhabenden Länder der Welt sollen eine sogenannte Climate Damages Tax einführen, eine Klimaschadensteuer. Die Steuer soll auf jede Tonne CO2 bei der Gewinnung von Kohle, Öl und Gas anfallen. Anfangs solle sie fünf Dollar betragen – und dann jährlich um weitere fünf Dollar erhöht werden. Würden sie alle OECD-Länder noch heuer einführen, könnten bis zum Jahr 2030 insgesamt 900 Milliarden Dollar zusammenkommen, so die Rechnung. Das sind umgerechnet rund 840 Milliarden Euro.
In den Loss and Damage Fund
"Die Konzerne, die fossile Energie herstellen, müssten melden, wie viel Kohle, Öl und Gas sie extrahieren. Eine Finanzbehörde würde entsprechend die Besteuerung berechnen", erklärt Jasmin Duregger von Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation findet sich auf der Liste jener Organisationen, die die Forderung nach einer Klimaschadensteuer unterstützen. Die Liste umfasst mehr als 100 Sozial- und Umweltschutzorganisationen aus unterschiedlichen Ländern weltweit. Ihre Idee ist, dass der Großteil des Geldes aus der Steuer direkt in den sogenannten Loss and Damage Fund fließt.
Dieser Fonds wurde bei der COP 27 beschlossen, der 27. Weltklimakonferenz im Jahr 2022 in Ägypten. Er ist genau dafür da, ärmere Länder bei der Bewältigung klimabedingter Schäden und Verluste zu unterstützen. Bei der Folgekonferenz im Vorjahr in Dubai erklärten sich noch mehr Länder bereit, in ihn einzuzahlen. Für Jasmin Duregger ist das jedoch nicht genug: "Es sind freiwillige Zusagen, die signalisieren, dass man hier offen ist. Wir brauchen allerdings ein handfestes Instrument, um größere Mengen an Geld für Schäden und Verluste mobilisieren zu können." Die 700 Millionen Dollar, die bisher versprochen wurden, seien nicht ausreichend, heißt es in dem Bericht der Organisationen. Sie würden nicht mehr als 0,2 Prozent der irreversiblen Schäden abdecken, zu denen es aufgrund der Erderwärmung jedes Jahr in Entwicklungsländern komme.
Was die Autoren und Autorinnen ärgert: Ein großer Teil der Emissionen sei auf eine kleine Anzahl von Produzenten zurückzuführen, die bisher kaum zur Verantwortung gezogen würden. "Mit der Steuer sollen die fossilen Konzerne zur Kasse gebeten werden – von denen wir ja wissen, dass sie auch in den letzten Jahren wieder Milliardengewinne geschrieben haben", sagt Duregger.
Wohin die Einnahmen fließen sollen
Der Vorschlag sieht vor, dass 80 Prozent der Einnahmen aus der Steuer in den Loss and Damage Fund fließen. Das entspräche bei 900 Milliarden Dollar rund 720 Milliarden Dollar. Die übrigen 20 Prozent, also rund 180 Milliarden Dollar, könnten für Anpassungen in den Geberländern verwendet werden. "Über die Verwendung müsste dann der Staat entscheiden. Aber das Geld könnte zum Beispiel dazu dienen, Energiekosten für einkommensschwache Haushalte abzufedern oder um Branchen zu unterstützen, die beim Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft besondere Unterstützung brauchen", meint Duregger.
Die Steuer solle nicht nur ärmeren Ländern helfen – sie könne auch den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschleunigen, argumentieren ihre Unterstützerinnen und Unterstützer. Denn die Produktion würde durch die jährliche Anhebung der Steuer immer teurer werden. Außerdem würden Entwicklungsländer beim Umstieg auf erneuerbare Energien unterstützt.
"Wir sehen jetzt schon extreme Auswirkungen der Klimakrise, etwa die Trockenheit in Südafrika oder die tödlichen Überflutungen in Pakistan. Viele dieser Länder werden sehr hart von der Klimakrise getroffen, haben aber gleichzeitig wenig beigetragen", betont Duregger die Notwendigkeit der Steuer. Ihr zufolge gibt es eine "historische Verantwortung" der Länder im Globalen Norden gegenüber jenen im Globalen Süden. Der Loss and Damage Fund sei ein großer Durchbruch, aber er müsse "mit System befüllt werden, damit der Globale Süden nicht in einer Bittstellerrolle verbleibt". Unmittelbar nach einer Naturkatastrophe sei die Solidarität anderer Staaten meist groß, und alle wollen helfen, aber der Effekt nehme schnell wieder ab. Deshalb brauche es eine sichere Finanzierung, und da seien Steuern ein geeignetes Instrument.
Gut, aber nicht gut genug
Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur, hält eine solche Steuer grundsätzlich für sinnvoll. "Man muss nur aufpassen, dass sie nicht zu niedrig, also nicht rein symbolisch ausfällt", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Jene fünf Dollar pro Tonne CO2, die die Organisationen für den Anfang fordern, hält der Experte für zu wenig. Außerdem merkt er an, dass nicht bloß Fossilenergiekonzerne, sondern alle großen Konzerne in die Pflicht genommen werden müssten, "egal was sie produzieren, denn zu viele CO2-Emissionen verursachen sie alle".
Dass der Vorschlag aus der Zivilgesellschaft kommt, hält er für "bezeichnend". Denn würden Regierungen die Klimakrise ernst nehmen, hätten solche und ähnliche Maßnahmen längst auf den Weltklimakonferenzen verhandelt werden müssen. Dort allerdings gebe es lediglich "symbolische Bekenntnisse", die kaum etwas verändern würden. Die Hilfen für Klimaschäden auf freiwilliger Basis, der Lost and Damage Fund, seien "nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein", meint Steurer. "Es müsste längst verhandelt werden, wie man auch Firmen, wie man Verschmutzer stärker in die Pflicht nimmt, und zwar weltweit." (Lisa Breit, 29.4.2024)
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