Sonntag, 18. Juli 2021

" Gummistiefel reichen nicht"

 Von Dieter Löffler im Südkurier dieter.loeffler@suedkurier.de, Auszüge in blau

Hochwasser-Katastrophe 

Der Klimawandel schien bisher weit weg. In der Sahelzone, auf den Malediven, in Bangladesch. Jetzt kommen aus dem eigenen Land Bilder wie aus einem Kriegsgebiet. Meterhohe Fluten reißen ganze Häuser mit. Menschen klettern auf Dächer und warten auf Hilfe. Erde rutscht ab, Straßenzüge werden unterhöhlt, im Katastrophengebiet tun sich Abgründe auf. Das Ausmaß des Schadens, vor allem aber die Zahl der Toten übertrifft alles, was man sich bisher in Deutschland vorstellen konnte.

Die Nation wird einige Zeit brauchen, um diesen Schock zu verkraften. Vorerst hat es Vorrang, Hilfe zu organisieren, Trümmer wegzuräumen und den Betroffenen beizustehen. Danach aber wird die Ursachenforschung folgen. Die Mehrheit der Wissenschaftler hält es inzwischen für erwiesen, dass die Häufung solcher Katastrophen auf den CO2-Austoß moderner Industriegesellschaften zurückzuführen ist. Jeder Politiker muss sich künftig fragen lassen, welche Konsequenzen er aus diesen Erkenntnissen zieht. Klimaschutz, das sieht in Gemeinden wie Erftstadt jeder, ist Menschenschutz.....

Trotzdem ist noch nicht ausgemacht, ob die Katastrophenbilder aus der Eifel die Gewichte im Endspurt des Wahlkampfs noch verschieben können. So wie Corona ist Klimaschutz eine Frage von Abwägung und Prioritäten. Worauf es hinausläuft, wenn die Politik Ernst macht, zeigte vor wenigen Tagen das Konzept der Europäischen Kommission: Tanken wird teurer, Heizen wird teurer, Reisen wird teurer. Im nächsten Jahrzehnt sollen Autos mit Diesel- oder Benzinmotor von den Straßen verschwinden – und mit ihnen viele Jobs in der Fahrzeugindustrie. Der Aufschrei aus Wirtschaft und Bevölkerung hätte schriller nicht sein können, auch wenn er plötzlich deplatziert wirkt. Denn die zerstörten Städte und Gemeinden im Westen Deutschlands stellen klar, dass auch Nichtstun Geld und Wohlstand kostet – und, ja, auch Menschenleben.

Nach dieser Katastrophe kann die Klimadebatte daher nicht mehr entlang der alten Schützengräben geführt werden. Der Versuch, das Problem kleinzureden oder als Schwärmerei schulschwänzender Jugendlicher abzutun, hat sich erledigt. Ebenso wenig bringt die Symbolpolitik der vergangenen Jahre. Es mag in den Ohren junger Wähler beeindruckend klingen, wenn eine Stadt wie Konstanz den Klimanotstand ausruft. Beim Energieverbrauch jedoch bleibt alles beim Alten. Für die Zukunft braucht es ehrlichere und realistischere Konzepte, nur dann kann die Energiewende in der Mitte der Gesellschaft ankommen. 

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