FAZ hier Oliver Georgi
Ein Tempolimit stünde endlich auch Deutschland gut an. Langsame Autos
brauchen weniger Sprit. Das hilft kurzfristig, sich vom russischen Öl
unabhängig zu machen – und langfristig dem Klima.
Europa
muss unabhängig vom russischen Öl und Gas werden, und das so schnell
wie möglich. Luxemburgs Energieminister Claude Turmes fordert deshalb
neben zwei EU-weiten Homeoffice-Tagen auch ein koordiniertes Tempolimit.
Denn langsamere Autos verbrauchen weniger Sprit. Zusammen mit
autofreien Wochenenden in großen Städten, rechnet Turmes vor, könne man
so 2,5 Millionen Fass Öl einsparen.
Der Vorschlag
ist sinnvoll – angesichts des drohenden Ölembargos und der zu
erwartenden Engpässe sollte jede Einsparungsmöglichkeit genutzt werden.
Doch auch über den Krieg hinaus ist ein generelles Tempolimit
hierzulande überfällig. Deutschland ist das einzige Land in Europa, in
dem freie Bürger noch frei über die Autobahn rasen dürfen – wenn sie
nicht gerade in den nächsten Stau fahren oder auf 80 runterbremsen
müssen, weil eine Baustelle kommt. Trotzdem ist bislang noch jede
Regierung vor einem Tempolimit zurückgeschreckt; selbst die Ampel, aus
Rücksicht auf die FDP.
Weniger Menschen würden sterben
Langsamere Autos verbrennen aber auch in
Friedenszeiten weniger Treibstoff – mit entsprechenden Folgen: Nach
einer Studie des Umweltbundesamts könnte Tempo 130 die jährlichen CO2-Emissionen
um 1,5 Millionen Tonnen senken, bei Tempo 120 wären es sogar zwei
Millionen Tonnen. Hört doch auf, entgegnen die Gegner des Tempolimits:
Das ist marginal; was man damit im Monat an Sprit spart, verfährt der
Rest der Welt in zehn Minuten! Aber zum einen zählt angesichts der
Dramatik der Klimakrise jede Tonne eingespartes CO2. Zum
anderen kann es in einem Land, das sich gern seiner Vorreiterrolle auch
beim Klimaschutz rühmt, kein Argument sein, dass der Rest der Welt sich
auch nicht um den CO2-Ausstoß schere.
Und was ein
anderes beliebtes Argument der Gegner betrifft, die Zahl der Unfälle:
Mag sogar sein, dass ihre Zahl nicht eklatant sänke. Aber selbst wenn
nur ein paar Menschen weniger stürben: Wären sie nicht Grund genug?
Die Mehrheit der Deutschen ist für ein Tempolimit
Nach einer Studie des Instituts der
deutschen Wirtschaft fahren 77 Prozent der Autofahrer auf freien
Strecken schon jetzt langsamer als Tempo 130. Auch das könnte
vordergründig ein Argument für die Gegner sein – warum noch gesetzlich
regeln, was ohnehin längst die Regel ist, und dabei ein Viertel der
Autofahrer gängeln? Dabei stimmt auch der Umkehrschluss: Wieso nicht für
alle verbindlich machen, was eine Mehrheit der Deutschen schon als
sinnvoll erachtet? Nach einer jüngsten Umfrage plädiert die Mehrheit der
Deutschen für ein Tempolimit; selbst in einer Erhebung unter
ADAC-Mitgliedern waren kürzlich 50 Prozent dafür.
Ohnehin wird sich das Mobilitätsverhalten der Deutschen stark verändern.
Viele aus der jüngeren Generation haben schon kein Auto mehr und fahren
lieber Bahn. Und wenn unsere E-Autos erst von Computern gesteuert
werden, die auf der Autobahn autonom beschleunigen, Abstand halten und
affektlos und effizient Stau vermeiden, dann dürfte dies den Stellenwert
des Autos weiter profanieren: weg vom emotionalisierten
Distinktionsmerkmal hin zu einem Fortbewegungsmittel unter vielen. Man
kann das schade finden, doch das Ende des deutschen Sonderwegs kommt so
oder so. Vielleicht ist Putins Krieg aber ein Katalysator für die
Erkenntnis, dass sich Freiheit nicht am Winkel des Gaspedals bemisst.