Hier zunächst die Kurzfassung der Verbände
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Naturschutzverbände danken für die Zusendung der Unterlagen zum oben genannten Verfahren und die damit verbundene Möglichkeit, sich hierzu zu äußern. Diese Stellungnahme erfolgt im Namen aller nach § 67 NatSchG anerkannten Naturschutzverbände: AG „Die NaturFreunde“ (NF), Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesfischereiverband (LFV), Landesjagdverband (LJV), Landesnaturschutzverband (LNV), Naturschutzbund Deutschland (NABU), Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), Schwäbischer Albverein (SAV) und Schwarzwaldverein (SWV).
1. Zusammenfassung
Um nachhaltig zu leben, müssen wir unsere Verbräuche mindestens halbieren – das gilt sowohl für den Flächenverbrauch, Energieverbrauch und den Verbrauch an Rohstoffen. Derzeit verbraucht Deutschland drei Erden – wir haben aber nur eine!
Rechnet man das 30 ha-Ziel der Bundesregierung zur Flächeninanspruchnahme auf die Region Bodensee-Oberschwaben herunter, so ergibt sich folgendes Bild:
Im Regionalplanentwurf dürfte also der Flächenverbrauch über alles (d.h. Siedlungsflächen, Gewerbeflächen und Flächen für Straßenbauvorhaben und andere Verkehrsinfrastrukturen) in der Summe 1.253 ha nicht übersteigen, um eine nachhaltige und den Klimaschutzzielen angemessene Entwicklung festzulegen.
Insgesamt (Regionalplan + kommunale Planungen) wird der Wohnbauflächenbedarf für die Region Bodensee-Oberschwaben mit ca. 1.000 ha definiert, für Industrie und Gewerbe wird ein Bedarf von ca. 1.200 ha angenommen. Zu diesen 2.200 ha kommen zusätzlich 12 geplante Straßenbau-Projekte1, die mit zusammen mindestens 300 ha ebenfalls in die Flächenbilanz eingerechnet werden müssen.
1 Fortschreibung des Regionalplans Bodensee-Oberschwaben Regionale Infrastruktur – Verkehr (Kap. 4.1), Beschluss der Verbandsversammlung am 23. Oktober 2020, S. 3.
Mit diesen Plänen und Vorgaben positioniert sich die Region Bodensee-Oberschwaben weit über dem Doppelten des 30 ha- Zieles der Bundesregierung.
Für die Planungen in der Region – und damit auch für den Regionalplan - bedeutet dies, daß die geplanten Bauflächen deutlich verringert werden müssen. Die Naturschutzverbände sehen große Flächenpotentiale im Bestand, die es vorrangig zu nutzen gilt.
(Quellen: Scientists for Future Gutachten Januar 2021, S.15 und Aktueller Mikrozensus in „Statistisches Monatsheft Baden Württemberg “, Heft 7/2017, S.40)
Wohnbauflächen
Folgende geplante Flächenausweisungen sollten verkleinert bzw. gestrichen werden:
Ravensburg- Sickenried geplant 30 ha, verkleinern auf 15 ha
Weingarten-Riedhof geplant 45 ha, verkleinern auf 20 bis 25 ha
Aulendorf-Nord geplant 15 ha, verkleinern auf 9 ha
Friedrichshafen-Jettenhausen geplant 16 ha, verkleinern auf 10 ha
Überlingen-Flinkern geplant 16 ha, streichen Hälfte/Teilfläche
Sigmaringen-Schönenberg geplant 26 ha, streichen bzw. deutlich verkleinern
Pfullendorf-Galgenbühl geplant 21 ha, deutlich verkleinern
Pfullendorf-Ostracher Straße geplant: 15 ha, deutlich verkleinern
Bad Saulgau-Kessel geplant: 28 ha, deutlich verkleinern auf 14 ha
Meßkirch-Hauptbühl geplant 12 ha, streichen bzw. deutlich verkleinern
Industrie- und Gewerbegebiete
Folgende geplante Flächenausweisungen sollten verkleinert werden
Meßkirch-Industriepark geplant 27 ha, verkleinern im Süden (Puffer)
Herbertingen geplant 23 ha, verkleinern (Naturschutz)
Hohentengen geplant 40 ha, verkleinern (Naturschutz!)
Sigmaringen-Kaserne IKG geplant 62 ha, erheblich verkleinern
Gammertingen geplant 13 ha; verkleinern
Ostrach geplant 22 ha, verkleinern auf 11 ha
Bad Saulgau geplant 44 ha, verkleinern auf 22 ha
Baindt-Baienfurt geplant 70 ha, verkleinern (Streuobst, Biotope)
Aulendorf-GIO geplant 32 ha, verkleinern auf 15 ha
Folgende geplante Flächenausweisungen lehnen wir ab:
Friedrichshafen-Hirschlatt 30 ha, Widerspruch LEP
Pfullendorf-Wattenreute 39 ha, Widerspruch LEP
Leutkirch-Rielings 17 ha, Widerspruch LEP
Kißlegg-Waltershofen (IKOWA) 33 ha, Widerspruch LEP
Ravensburg-Erlen 26 ha, FFH-Nähe, keine Anbindung
Salem-Neufrach 27 ha, Landwirtschaftliche Vorrangflächen
Tettnang-Bürgermoos 19 ha, Artenschutz
Regionale Grünstruktur
Im Grundsatz stimmen wir der künftigen Struktur zu. Wir begrüßen die Einbeziehung des landesweiten Biotopverbunds in die regionalen Grünzüge und die Vorrangflächen für den Naturschutz.
Das große zusammenhängende Waldgebiet „Altdorfer Wald“ muss deshalb in die regionalen Grünzüge einbezogen werden (Biotopverbund, landesweiter Wildtierkorridor). Eine Sicherung über eine Vorrangfläche „Besondere Waldfunktion“ ist nicht ausreichend und wird den Anforderungen des Biotopverbundes nicht gerecht.
Der Landtag von Baden-Württemberg hat im Biotopstärkungsgesetz nicht nur den Biotopverbund sondern auch einen besseren Schutz der Streuobstwiesen ab 1.500 m2 beschlossen. Sie sind seit dem 1.8.2020 geschützt und müssen nach unserer Auffassung deshalb ebenfalls in die regionalen Grünzüge übernommen werden. Das ist leider nicht konsequent erfolgt.
Im Detail werden auf mehreren Gemarkungen Änderungsvorschläge für die Abgrenzung der regionalen Grünstruktur gemacht.
Mobilität
Großen Nachholbedarf hat die Region bei der Infrastruktur für Bahn (Elektrifizierung, teilweiser zweigleisiger Ausbau von Schienenstrecken und Reaktivierung von Strecken), ÖPNV und sicheren Radwegen. Hier muss erheblich investiert werden, um den Verkehrskollaps zu vermeiden und einen regionalen Klimaschutzbeitrag zu leisten. Bei Bahn und Bus sind Halbstunden-Takt-Verbindungen auf den Hauptstrecken anzustreben. Ansonsten sind Investitionen unwirtschaftlich und haben zu geringe Entlastungswirkungen.
Rohstoffabbau
Fast 630 ha für den Kiesabbau bis 2040 und 472 ha Vorranggebiete für den Kiesabbau für weitere 20 Jahre sind zu viel.
Die Naturschutzverbände lehnen einen weiteren Kiesabbau im Altdorfer Wald ab. Das gilt für bestehende Abbaustellen und natürlich auch für neue Planungen. Kiesabbau im Altdorfer Wald darf nur noch im Rahmen der bereits erteilten Genehmigungen erfolgen.
Eine Erweiterung der Kiesabbaustelle in Amtzell-Grenis bedarf gründlicher Untersuchungen des Wasserhaushaltes und ausreichender Pufferflächen zum NSG/FFH-Gebiet „Felder See“.
Wir fordern eine Reduzierung der Abbauflächen in Krauchenwies. Die kleine Teilgemeinde Krauchenwies-Göggingen hat schon 90 ha Kiesabbau auf ihrer Gemarkung. Der zusätzlich geplante Kiesabbau im Offenland (40 ha) in relativer Nähe zur Ortschaft wird abgelehnt
Ebenso müssen die Abbauflächen in Ostrach und Hoßkirch (Wagenhart, Ochsenbach, Jettkofen) verkleinert werden.
Ein neuer Aufschluss für Kalksteinabbau im oberen Donautal kommt für uns nicht in Frage. Zu groß sind hier die Eingriffe in das dortige FFH- bzw. Vogelschutzgebiet und die Verkehrswege. Die Übernahme der pauschalen Forderung des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau begründet bei weitem nicht die Notwendigkeit des Abbaus an diesem sensiblen Standort. Alternativstandorte sind möglich.
Sowohl im Wald als auch im Offenland ist als Ausgleich die „Folgenutzung Naturschutz“ auf mindestens 1/3 der Abbaufläche auszuweisen.
Der Torfabbau im Reicher Moos ist spätestens 2030 zu stoppen. Moorschutz ist Klimaschutz! Es gab genügend Zeit zur Suche von Alternativen.
Klimaschutz
Es ist bedauerlich, dass von der Landesebene keine Vorgaben für den Klimaschutz in der Regionalplanung gemacht werden. Dabei muss doch auch die Regionalplanung die Klimaziele aus den internationalen Vereinbarungen (Paris, 2015) unterstützen. Wie ein Gutachten der S4F zeigt, werden die THG-Kontingente bei einem „weiter so“ in unserer Region bereits in 5 Jahren aufgebraucht sein.
Die Festlegungen im Regionalplanentwurf sind aus wissenschaftlicher Sicht nicht dazu geeignet, die politischen Ziele im Klimaschutz zu erreichen. Das verbleibende CO2e-Budget der Region, das die Einhaltung des 1,5 °C-Ziels ermöglichen würde, wird vermutlich 2025 aufgebraucht sein. Das angenommene vom Regionalverband entwickelte Wachstumsszenario führt gegenüber dem Status quo sogar noch zu einem zusätzlichen Ausstoß von ca. 3 Mio t CO2e bis 2050.
Der Planentwurf erfüllt weder die selbst gesteckten Klimaschutzziele der Region noch die internationalen Verpflichtungen Deutschlands zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen.
(Quelle: S4F – 2021, S.1)
Der Schutz und die Wiederherstellung naturnaher Moore ist eine für die Region Allgäu-Oberschwaben zentrale Aufgabe im Klimaschutz. Das muss sich auch in der Regionalplanung niederschlagen. Für den Raum Kißlegg wurden ab 2010 von der Hochschule Nürtingen ca. 60 Moore untersucht und für ökologische Aufwertungen und Klimaschutzmaßnahmen vorgeschlagen. Hier müssen endlich mehr Umsetzungen stattfinden
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