Samstag, 8. Januar 2022

"Wie sieht der Wald der Zukunft aus?"

 Südkurier hier

06.01.2022  |  VON ANETTE BENGELSDORF FRIEDRICHSHAFEN.REDAKTION@SUEDKURIER.DE

Immenstaad – Thomas Birkhofer steht auf einem der keltischen Hügelgräber und schaut auf eine baumlose Fläche in seinem Wald, an dessen Rand sich noch ein paar wenige, sehr hohe Kiefern im Wind wiegen. Früher sei es hier so dicht wie im Schwarzwald gewesen. Weißtannen, wenige Fichten, dazwischen Rot- und Hainbuchen, an den Waldrändern blieben die uralten Eichen des ursprünglichen Waldes als Windschutz stehen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zunehmend Fichten gepflanzt. Die Mischung mit Weißtannen habe sich aber in Immenstaad jahrzehntelang als stabil erwiesen.

....2017 riss der Sturm Burglind die ersten Löcher in den Wald. Viel Bruchholz blieb liegen und riesige Borkenkäferpopulationen machten sich über das reiche Angebot her......

Durch die Lichtungen drang Sonnenlicht in den Wald, heizte den Boden zusätzlich auf, Wasser verdunstete. 500 Liter verdunstet eine große Buche davon. Täglich. Mit ihren Wurzeln reicht sie deshalb bis ins Grundwasser hinab. Der Grundwasserspiegel fiel, die Folgen sind heute in den Kronen der gestressten Bäume zu sehen. Sie verkrüppeln und der Baum stirbt langsam von oben her ab. .....

Zusätzlich beschädigten die Rücke-fahrzeuge die Stämme. Früher wurden Bäume nur im Winter geschlagen, heute geht man im Frühsommer in den Wald, wenn die Bäume voll im Saft stehen.

...Gepflanzt wurde dann dicht an dicht, um den Brombeeren keine Chance zu geben, und mit Pflöcken und Schutzhüllen aus Kunststoff, gegen den Verbiss durchs Wild. Rechnet man den Aufwand, kostet der Hektar aufgeforstete Fläche 15 000 Euro. 

Der Immenstaader, der den elterlichen Hof mit Obst und Holz nebenher betreibt, hat ein kleines Areal seines Waldes eingezäunt. Ohne zu pflanzen, haben sich auf der verödeten Fläche schon 25 verschiedene Bäume und Sträucher angesiedelt. Darunter Lärchen, Birken, Erlen, Eichen, Hainbuchen und Salweiden, früher als Unkraut des Waldes verschrien. Die Brombeeren hält Birkhofer mit der Heckenschere in Schach. Außerhalb der Umzäunung versucht er die Aufforstung nach demselben Modell. Die kleinen Bäumchen sind an ihrer Spitze mit blauer Farbe angestrichen oder einem blauen Hütchen versehen. Das Blau halte die Rehe davon ab, das zarte Grün zu fressen, sagt Birkhofer. Zusätzlich hängen Knäuel aus Schafwolle am Baum-Nachwuchs. Rehe können Schafe nicht leiden und gehen den Bäumchen aus dem Weg. Birkhofer freut sich, dass wieder etwas wächst.

Birkhofer, ein Physikingenieur, der bei einem Energieversorger arbeitet, kennt die Bedürfnisse eines jeden seiner Bäume. Buchen könne man nicht isoliert pflanzen sagt er. Sie seien gesellig und brauchten die Nähe ihrer Eltern und Großeltern, um zu gedeihen. „Wer mit dem Mangel aufwächst, lernt, mit dem Mangel zu leben“, ist seine Überzeugung und er glaubt, dass die Buchen durchaus zukunftsfähig sind. Doch generell sei es schwierig, dahingehend Aussagen zu machen. Die Esche, einst als Zukunftsbaum gesetzt, ist dem Eschentriebsterben in der Krone und dem Halimasch-Pilz in den Wurzeln zum Opfer gefallen. Mächtige Ulmen wurden vom Ulmensterben dahingerafft, Eichenprozessionsspinner suchen die Eichen heim. Deshalb setzt Birkhofer auf Artenvielfalt, um seinen Wald als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als CO 2 -Speicher zu erhalten. Wer weiß, was die Zukunft bringt.

In feuchten Gebieten pflanzt Birkhofer eine Ulmenart, die unempfindlich ist gegen den tödlichen Pilz. Sogar mit Libanonzedern will er experimentieren. In die Rückegassen hat er Weidenruten gesteckt, die schon zu Bäumen werden. Salweiden bieten im zeitigen Frühjahr mit ihren Kätzchen eiweißreiche Nahrung. Wälder bräuchten Biodiversität und müssten wieder Grundnahrungsmittel für Insekten liefern, fordert er. Profit machen mit Fichtenmonokulturen funktioniere auch wegen des Preisverfalls durch die Globalisierung nicht mehr. Stämme mit Lastwagen nach Österreich zu fahren, um sie dort durch den Häcksler zu jagen, könne nicht die Zukunft sein. Birkhofer: „Wenn wir klimaneutral werden wollen, müssen wir den Wald regional nutzen“. Aber mit Liebe und Achtsamkeit.

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