Mittwoch, 30. Dezember 2020

Kultur leben (mit Blick auf das KlimaCamp ) - Von Wolfram Frommlet, Kolumne 28 Dezember 2020

 Ein Brief aus dem Amazons von Nemonte Nemquino vom Indigenen Volk der Waorani, mit der wundervollen Nachricht, dass sie den Goldman Environmental Prize gewonnen habe, „für den Kampf meines Volkes“, den Regenwald gegen die Ölfirmen zu verteidigen. 

Diese Auszeichnung sei auch „für die Vorfahren, die Ältesten, für indigene Völker auf der ganzen Welt, die ihr Leben riskieren, Mutter Erde zu beschützen“.  https://www.goldmanprize.org/

 

 

Dafür ist der Baum, den einige junge Leute im Grüngürtel an der Schussenstraße in Ravensburg besetzt halten, gewaltlos und behutsam, ein Symbol

Es geht um weit mehr als um Kritik an den Umweltzielen der Stadt Ravensburg oder auch den Kiesabbau im Altdorfer Forst. Jedes Jahr werden etwa 15 Milliarden Bäume vor allem in tropischen Regenwäldern abgeholzt, 476 pro Sekunde. Die Hälfte der Wälder des gesamten Planeten ist vernichtet, ein Großteil unwiderruflich, weil die wenigen Aufforstungen die ökologische Vielfalt nicht ersetzen können. 

Alleine im vergangenen Jahr wurden 121.000 km² in den Ländern des Südens abgebrannt, davon unberührter Regenwald von der Größe Belgiens. Die „Hüter des Waldes“, indigene Völker und Kleinbauern werden vertrieben für Monokulturen, die die Böden in Wüsten ver-wandeln, voller Pestizide und Chemiedünger.
Wofür? Für Biosprit, Soja, Palmöl, Bio-Sprit, Kaffee und Kakao, moderne Textilfasern, für Erdöl und Seltene Erden.
Für den Lebensstil sog. „entwickelter Gesellschaften. Für eine Alltagskultur, über die Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am globalen „Earth Overshoot Day, dem Erdüberlastungstag am 22. August 2020 sagte: „Die Grenzen der Ressourcen sind endlich und wir nehmen uns ein Vielfaches dessen, was uns zusteht. Wir leben nicht über unsere Verhältnisse, sondern über die Verhältnisse der anderen und unserer Kinder und Enkel. Wir betreiben Raubbau in den Regenwäldern.“ 

Darum geht es auch den jungen Baumbesetzern in der Schussenstrasse. Sie setzen den Slogan „Global denken, lokal handeln“ in Aktion um. Es ist nicht nur die Gewinngier von weltweit agierenden Nahrungskonzernen und Discountern, die das Erbe der Menschheit zerstören, es ist ein Konsumverhalten, das keine Grenzen kennt. 

Gerd Müller: „Wir benutzen Shampoo mit Palmöl und grillen Fleisch vom Schwein, das mit Soja gefüttert wurde. Wer künftig Soja oder Palmöl importieren will, der muss den Nachweis erbringen, dass der Anbau nicht auf gerodeten Waldflächen erfolgt ist.“ 

Und da sind wir wieder beim Baum: Zunehmend mehr Konsumenten bejahen ein Lieferkettengesetz für Deutschland; auch in dieser Stadt, weil sie ihren Konsum, ihre Alltagskultur nicht mehr von Ethik und globaler Verantwortung im „Kleinen“ trennen wollen. Viele Unternehmen (auch in der Region), in der Folge auch Händler, reagieren auf diesen Bewusstseinswandel positiv: Gemeinwohl, fair trade, Business-Ethik (Corporate Social Respon-sibility) sind zunehmend Zukunftsmodelle, in denen junge Menschen wie die auf dem Baum ernst genommen werden

 wolfram.frommlet@t-online.de

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